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Donaueschinger Musiktage 2023

Schöpferisches Potenzial der Aufführenden entfalten

Die Donaueschinger Musiktage erproben kollaborative Arbeitspraktiken.

vonRoland H. Dippel,

Die Donaueschinger Musiktage sind seit 102 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit das wandlungsreichste, spannendste und mit den größten intelligiblen Anstrengungen verbundene Festival. Eines trifft im Jahr 2023 allerdings nicht mehr zu: Keineswegs sind die Donaueschinger Musiktage aus der Zeit gefallen oder hinken trendigen Zeitimpulsen hinterher, wie das ein prominenter alljährlicher Besucher mit leichter Ermüdung vor kurzem ausdrückte. Denn das von der künstlerischen Leiterin Lydia Rilling in ihrem zweiten Jahr ausgerufene Kernthema ist das Musikwerk im Zeitalter seiner sich wandelnden und interdisziplinären Gestaltwerdung. Es geht unter dem Motto „Collaboration“ um den temporären Abschied von einem auf Papier oder PDF fixierten, umwandelbaren Willen Komponierender, wie er von Beethoven bis Britten, von der frühen Romantik bis in die späte Moderne als gemeißelt galt.

Publikum der Donaueschinger Musiktage soll zu Komplizen werden

In Donaueschingen bemüht man sich jetzt um eine massive Gegenbewegung mit Partizipation zwischen Schöpfenden und Hörenden, die Auflösung der Grenzen von kreativer Produktion und Ausführung sowie die in der klassischen und Neuen Musik wieder wichtigere Kunst der Improvisation. Das sind noch immer viele Ideen und Klangmittel, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts von damaligen Donaueschinger Wirtschaftswunder-Querköpfen wie Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono mit Elektronik, Kreationen an der Grenze der Be- und Niederschreibbarkeit, neuartigen Raumwanderungen von Musik visioniert wurde. Nach 2000 bemühte man sich hin und wieder sogar um die Niederschwelligkeit von Interpretierenden zu Hörenden. Das Publikum soll jetzt auch Komplize einer komplizierten Werkentwicklung werden. Dabei gilt Geselligkeit inzwischen mehr als Streitbarkeit. Der Anteil fraulicher Komponierender nimmt zu. Im Zentrum stehen Kompositions- und Installationsaufträge an Ryoko Akama, Marina Rosenfeld, Rie Nakajima & Pierre Berthet, Raul Keller. Unter den „echten“ Auftragskompositionen befindet sich kaum ein nach vertrauten Formparadigmen konsumierbares Stück wie die „Symphony No. 3“ für 220 kabellose Lautsprecher von Wojtek Blecharz. Dabei ist auch die kontemporäre Klassikerin Olga Neuwirth mit ihrem neuen Stück „Black Dwarf“ für zwei Synthesizer, zwei Schlagzeuger und Zuspiel.

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