Als Hermann Max vor 32 Jahren das Festival Alte Musik Knechtsteden aus der Taufe hob, galt er mit seiner Orientierung an der historischen Aufführungspraxis vielen Musikfreunden und auch manchem Kollegen noch als Exot. Wenn er nach den diesjährigen Konzerten im September seine Tätigkeit beendet und den Staffelstab an Dorothee Oberlinger übergibt, die ab 2024 als Artist in Residence fungiert, hat er viel dazu beigetragen, dass das breite Publikum den Protagonisten der Alten Musik und ihrem Bemühen, sich an der damals geltenden Spielweise zu orientieren, nicht mehr skeptisch bis ablehnend, sondern offen und neugierig begegnet. „Das Einzige, was in der Kultur bleibt, ist der Wandel“: Dieses Credo habe er in Knechtsteden von Anfang an beherzigt, erklärt Max. Folglich habe es in den zurückliegenden Jahren „viele Experimente und Veränderungen“ gegeben.
Und während der 1941 in Goslar geborene Kirchenmusiker und Dirigent noch einer der ersten Schatzgräber war, die in „Musik-Bibliotheken in Paris, Oxford, London, Dresden oder Berlin“ nach in Vergessenheit geratenen Meisterwerken suchten, um sie für Aufführungen in Knechtsteden zu edieren, gehört es heute geradezu zum Wesen der Alten Musik, dass unentwegt Neues-Altes entdeckt und dem Publikum präsentiert wird. Dafür brauche man mittlerweile nicht mehr in „diese Schatzkammern“, so Max, zu reisen, denn nun bekomme man von dort „in Sekundenschnelle Digitalisate von Handschriften auf den heimischen Computer“.
Appetit auf musikalische Kostbarkeiten beim Festival Alte Musik Knechtsteden
Geblieben in Knechtsteden sei jedenfalls „der Appetit auf musikalische Kostbarkeiten“. Diese finden sich 2023 im reichen Werkefundus der Bach-Familie, nicht nur bei Johann Sebastian, der vor genau 300 Jahren das Amt des Thomaskantors in Leipzig antrat, sondern auch bei Johann Christian, Johann Ludwig oder Johann Christoph, Vettern und Onkel Bachs, wie seinen Söhnen Carl Philipp Emanuel und Johann Christoph Friedrich. Ein Gesprächskonzert ist Präludien und Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier gewidmet, das laut Max „als Klavier-Schule für seine zwei Generationen von Kindern und zahlreichen Schülern in die Weltkulturerbe-Liste gehört“. Und eine Landpartie mit Konzert im Bullenstall bringt Bauern- und Kaffeekantate an den rechten Ort.