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Halle: Händel-Festspiele 2022

Der Kosmopolit aus Halle

Die Händel-Festspiele stehen im Zeichen ihrer Gründung 1922.

vonRoland H. Dippel,

Zwei Jahre nach dem Göttinger Schwesterfestival sind jetzt auch die Händel-Festspiele Halle hundert Jahre jung. Nach zwei wegen der Pandemie drastisch beschnittenen Festspieljahren feiert die Geburtsstadt von Georg Friedrich Händel dieses Jubiläum besonders opulent. Die bei Henschel erschienene Festschrift „Feuerwerk und Halleluja“ und die CD-Sonderedition mit Aufnahmen von 1958 bis 2008 resümieren Höhepunkte einer bewegten Vergangenheit. Bereits unter den Nationalsozialisten gab es in der systemkonformen „Werktreue“ erste Ansätze zu einer historisch informierten Aufführung. Auf Händels Erschließung für das „realistische Musiktheater“ der DDR folgte mit der Gründung des Händelfestspielorchesters 1993 die Internationalisierung der Festspiele. Unter Intendant Clemens Birnbaum sind deren wichtigste Aufgaben eine hochrangige Händel-Pflege mit internationaler Ausrichtung, Forschung und Präsenz in der Kulturhauptstadt Sachsen-Anhalts. Das facettenreiche Programm vom 27. Mai bis zum 12. Juni vereint Rückblick und Gegenwartsbezug.

Eine szenische Aufführung von Händels packender „Brockes-Passion“ kann man derzeit nur in Halle erleben. In starken Bildern reflektiert der Intendant der Oper Halle Walter Sutcliffe den Umgang mit dem Evangeliums vom Feudalismus bis zur Zivilgesellschaft. Eröffnet werden die Festspiele mit der Opera seria „Orlando“. Wie die Oratorien „Susanna“ (29. Mai) und „Semele“ (5. Juni) gelangte „Orlando“ bereits bei den ersten halleschen Händel-Tagen 1922 zur Aufführung. Deshalb erklingen beide Oratorien in Aufführungseinrichtungen der 1920-Jahre. Man wird hören, wie Händels Kompositionen damals als Alternative zu einer üppigen Spätromantik und bedrohlich empfundenen Moderne verstanden wurden. Die Geschichte der Händel-Festspiele beinhaltet politische Instrumentalisierungen, welche Lars Klingberg und Juliane Riepe im 2021 erschienenen Band 6 der Studien des Händel-Hauses untersuchten.

Den Händel-Preis 2022 erhält der Musikwissenschaftler Wolfgang Hirschmann. Es gastieren Händel-Preisträger wie der Countertenor Philippe Jaroussky (28. Mai) und die Pianistin Ragna Schirmer (29. Mai). Händels bis heute berühmtestes Oratorium „Der Messias“ erklingt mit dem Lissaboner Gulbenkian-Chor in der Fassung von Wolfgang Amadeus Mozart. Zu den Höhepunkten gehören Opern und Konzerte an historischen Stätten wie dem Dom zu Halle, den Franckeschen Stiftungen, dem Goethetheater Bad Lauchstädt und dem Carl-Maria-von-Weber-Theater Bernburg. Ein Poetry Slam im Händel-Haus und Open-Air-Veranstaltungen in der Galgenbergschlucht verstehen sich als Einladung mit moderaten Eintrittspreisen.

„Trotz oder gerade wegen seines Weltbürgertums wurde bei keinem anderen Komponisten um die nationale Vereinnahmung stärker gerungen als bei Händel“, schrieb Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, in seinem Grußwort. Die künstlerische Achse Halle-London und das Konzert mit dem Pera Ensemble Istanbul (8. Juni) stehen für die kosmopolitische Dimension Händels, der sein Publikum mit einer sogar für den Barock beispiellosen Fülle von Sujets und musikalischen Stimmungen überwältigte.

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