„Singen ist das Fundament zur Music”, schrieb Georg Philipp Telemann 1718. Und ein Urbedürfnis des Menschen, sagt die Forschung heute. Das fängt schon ganz früh an, wenn die Mutter das Baby in den Schlaf singt. Und setzt sich im besten Fall im Kindergarten und der Schule fort. Im besten Fall, denn heute, so heißt es, können weniger als zehn Prozent aller Kindergartenkinder singen. Ob dies alles mit dem zu seiner Zeit sehr einflussreichen Theodor Adorno und seiner „Kritik des Musikanten“ von 1956 zu tun hat? Dort prägte Adorno nämlich den fatalen Satz: „Nirgends steht geschrieben, dass Singen Not sei.“ Sprich: Singen ist unnötig. Auch Jahre später grantelte der gesellschaftskritische Musikphilosoph immer noch, Chorsingen spiegele „falsches Bewusstsein“, die „Chorgeselligkeit” zeitige nur eine „künstliche Wärme“ und wecke den „fatalen Anschein einer heilen, geborgenen Welt“, sei daher „nicht zu verantworten“. So war es mit dem Klassengesang im Schulunterricht zumindest im Westen der Republik erst einmal vorbei. Wie gut, dass nicht alle Adornos miesepetrigen Ansichten – nur so kann man sie nennen – ernst nahmen oder sich davon abhalten ließen. Über 15 000 Chöre sind im Deutschen Chorverband registriert. Wer einmal in einem Chor gesungen hat, weiß: (Gemeinsames) Singen ist nicht nur das Fundament der Musik. Es macht glücklich. Und gesünder.
„Nordklang”-Festival mit Singalong in St. Johannis
In Hamburg, wo Telemann 46 Jahre – mehr als die Hälfte seines Lebens – als Musikdirektor wirkte, muss diese Botschaft gar nicht erst verkündet werden. „Konzerte, Konzerte, Konzerte“ verspricht das Festival Nordklang mit zwanzig hochkarätigen Chören aus Hamburg und Norddeutschland. Von Palestrina, Thomas Tallis, Heinrich Schütz, Monteverdi, J. S. Bach über Mendelssohn, Bruckner, Brahms bis hin zu Frank Martin und vielen anderen reicht das Repertoire. Gesungen wird in fast allen Hauptkirchen Hamburgs, von St. Petri über St. Katharinen bis St. Michaelis. Und in St. Pauli. Dazu ein Singalong (englisch: to sing along), der neudeutsche Begriff für „mitsingen“, in St. Johannis in Harvestude. Und all dies „con cuore“, mit Herz, wie eines der Vokalensembles heißt. Nur Hamburgs Superstar seiner Zeit, Telemann, ist mit seinem Chorwerk nicht mit von der Partie.