Hoyerswerda – war das nicht die einst stolze sozialistische Großstadt, in der vor dreißig Jahren die rechtsradikalen Ausschreitungen im Osten begannen? In der zu Kohlezeiten mal über 70 000 Einwohner lebten, wo es heute nicht mal mehr 32 000 sind? Stimmt beides, aber die Große Kreisstadt, die sich mit ihren ungeliebten Glatzen in die medialen Archive schrieb, hat mehr zu bieten als allgefällige Stempelklischees. Viele ihrer Plattenbauten sind inzwischen plattgewalzt, das historische Zentrum wurde saniert, Schloss, Rathäuser und Johanneskirche leuchten als strahlende Zeugen Jahrhunderte alter Stadtgeschichte.
Sie dienen auch als Bühne für die alljährlichen Musiktage, die in Hoyerswerda – auf obersorbisch Wojerecy genannt – bereits seit 1966 stattfinden. Entsprechend der einstigen Stadtgröße und ihrer Bedeutung für die sozialistische Wirtschaft waren sie mal ein internationaler Treffpunkt der Musikwelt. Eine neue Ausstellung führt allein 49 Länder auf, aus denen damals Orchester, Chöre und Solisten in die Lausitz kamen, was sich das Festival heute natürlich nicht mehr leisten kann.
Schöngeistiger Gegenpol
Aber nach zwei Jahren pandemischem Schweigen wird 2022 nun trotzdem das 55. Jubiläum nachgeholt – mit einer bunten Mischung aus ortsansässigen Klangkörpern, Gerhard Schönes „Jule“-Liedern und Graf von Bothmers Stummfilmmusik zu „Nosferatu“. Während der professionellen Neuen Lausitzer Philharmonie aus dem benachbarten Görlitz die Eröffnung vorbehalten ist, wird das Abschlusskonzert vom Sinfonischen Orchester Hoyerswerda beigesteuert. Die große Laienvereinigung ging einst aus dem Orchester der Werktätigen hervor und ist damit eines der glänzendsten Beispiele der einstigen Arbeiterkultur in der DDR, die gerade in der Diaspora einen schöngeistigen Gegenpol zur Schwerindustrie setzen sollte.
Dafür wurde in den achtziger Jahren sogar ein Kulturhaus für die Berg- und Energiearbeiter mit über 800 Plätzen gebaut. Diese heutige Lausitzhalle fungiert nun weiterhin als Veranstalter der Musikfesttage und hofft darauf, dass das kulturelle Leben auch in Hoyerswerda wieder beginnt. Und angesichts des in der Lausitz erwachenden Frühlings ist es auch für Auswärtige mal an der Zeit, die Stadt für sich zu entdecken und alte Vorurteile zu überwinden.