Was könnte schöner sein, als im Wonnemonat Mai an der noch nicht vollkommen überlaufenen Steilküstenlandschaft im Südosten der Trauminsel Rügen entlang zu flanieren, am späten Nachmittag gen Putbus zurück zu wandern und dort die jüngste planmäßig angelegte Residenzstadt deutscher Lande zu durchqueren? Fürst Wilhelm Malte wusste schon vor 200 Jahren, wie man traumwandlerische Touristen an sich bindet: Der Kontrast zwischen dem nicht allzu weit entfernten Meer und den schneeweißen Fassaden der Rosenstadt rund um das einmalige Rondell sind allein schon eine Reise wert.
Doch wenn man vor der klassizistischen Fassade des 1821 eröffneten Sommertheaters steht, fühlt man sich sofort ins 19. Jahrhundert zurückversetzt. Trotz zahlreicher Umbauten ist sehr viel alte Bausubstanz erhalten, das Äußere und die Raumstrukturen innerhalb des Hauses sind unverändert geblieben. Im Inneren des bis 1998 renovierten Hauses wirken die nicht mal 250 Plätze, als hätten sich gestern noch die adligen Rügen-Sommerfrischler davon erhoben.
Das Theater aus dem Dornröschenschlaf erwecken
In diesem wunderhübschen Ensemble hat es sich ein rühriger Förderverein seit 1992 zur Aufgabe gemacht, das nur recht sporadisch vom Theater Vorpommern bespielte Haus zum Dreh- und Angelpunkt kleiner, aber durchaus feiner Festspiele zu machen, bei denen an zwei langen Wochenenden der Bühnengröße angepasste Konzertformationen den intimen Charakter des Kurortflairs widerspiegeln.
Eingeschlossen von zwei sinfonisch angelegten Abenden mit den regional verorteten Ensembles – dem Preußischen Kammerorchester aus der Uckermark und dem Philharmonischen Orchester Vorpommern aus Stralsund – gibt es neben einem Klavierrezital unter anderem Kammermusik der ungewöhnlichen Kombination aus Saxofon und Akkordeon. Zwei Tanzabende, ebenfalls mit Kompagnien aus dem Norden, komplettieren das fein ausgesuchte Programm, das an jedem Abend den perfekten Abschluss eines entschleunigten Tages verspricht. Und wer weiß, dass man sich von den kostenfreien Theaterbussen oder -taxis nach den Konzerten in die Seebäder bis hin nach Göhren und Sassnitz zurück chauffieren lassen kann, dem fehlt nur noch eine leichte Holunderbowle aus heimisch-erfrischendem Gewächs