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Tage Alter Musik in Herne 2022

Gefallene Engel und lebensmüde Komponisten

Die Tage Alter Musik in Herne zeigen sich dieses Jahr von ihrer tragikomischen Seite.

vonChristoph Vratz,

Einmal mehr lockt Herne. Die Stadt nordöstlich von Bochum und Gelsenkirchen lädt zum 46. Mal zu den „Tagen Alter Musik“, die längst eine feste Institution geworden sind, auch weil immer neue Pfade gesucht und gefunden wurden. In diesem Jahr folgt das Motto indirekt einem Gedanken von Aristoteles: „Die Komödie sucht schlechtere, die Tragödie bessere Menschen nachzuahmen, als sie in der Wirklichkeit vorkommen.“

Es geht um Gegensätze und Verbindungslinien zwischen tragisch und komisch. Das Personal: Herrscher, gefallene Engel, bestimmungslustige Göttinnen und lebensmüde Komponisten. Dazu wird ein Zeitpanorama aufgeblättert, das vom Mittelalter über die Wiener Klassik bis ins 20. Jahrhundert reicht. Den Auftakt bestreiten Mittelalter-Experte Benjamin Bagby und sein Ensemble Sequentia mit einer musikalischen Version des „Roman de Fauvel“, basierend auf einer Handschrift aus der Pariser Nationalbibliothek aus der Zeit um 1318.

Menschenopfer für Seeungeheuer

Das Concerto Romano führt ins Bermudadreieck von Groteske, Komik und Moral am Beispiel römischer Sakralwerke des 17. Jahrhunderts. Eine Entdeckung bieten La Capella Ducale und Musica Fiata mit „Pia et fortis mulier“ von Johann Caspar Kerll, allerdings in einer neuen Bühnenfassung mit deutschen Zwischentexten. An den Hof Ludwigs XIV. führt ein musikalischer Duell-Abend mit Johannes Pramsohler und Roldán Bernabé. Sie arbeiten tragische Schicksale musikalisch auf. Jean-Marie Leclair wurde mutmaßlich von einem habgierigen Neffen ermordet, Giovanni Pietro Ghignone alias Jean-Pierre Guignon führte seinen Tod gleich selbst herbei. Details bleiben an dieser Stelle ausgespart.

Tragikomische Seiten der Klaviermusik präsentiert Olga Pashchenko am Hammerflügel, wenn sie unter anderem Haydns großartiges Capriccio „Acht Sauschneider müssen sein“ aufführt. Haydn bildet auch den Festival-Schlusspunkt. Andreas Spering hat wieder einmal eine Rarität im Katalog von Haydns Bühnenwerken entdeckt, „La fedeltà premiata“. Aus einer bittertragischen Geschichte – Jagdgöttin Diana fordert alle Jahre wieder von den Bewohnern der Stadt Cumae ein doppeltes Menschenopfer für ihr Seeungeheuer – macht Haydn ein kurios-heiter-groteskes Pastoralspiel. Es warten vier lohnende Tage in Herne.

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