Wenn die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern am 14. Juni ihren musikalischen Sommer eröffnen, weiß jeder Klassikfan: In den kommenden Wochen bleibt wenig Zeit für anderes. Denn er wird viel herumkommen in „Meck-Pomm“, wie das Land an der Ostsee liebevoll genannt wird. Schlösser, Kirchen und Scheunen, aber auch Fabrikhallen sind die Spielstätten, die die Reiselust wecken. Das Eröffnungskonzert in der St.-Georgen-Kirche zu Wismar bestreitet das NDR Elbphilharmonie Orchester zusammen mit Martin Fröst, der als Solist in Anna Clynes Klarinettenkonzert „Weathered“ brilliert. Vorher erklingt die neu komponierte Festspiel-Ouvertüre von Konstantia Gourzi, ein Auftragswerk zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich.
Fünf Jahrhunderte Klaviermusik
Doppelt so lang, nämlich ungefähr 500 Jahre, existiert das Klavier mit seinen Vorläufern Cembalo und Hammerklavier. Der Name „Clavichord“ taucht erstmals 1484 in der Literatur auf. Der amerikanische Pianist Kit Armstrong widmet dem Instrument die Reihe „Fünf Jahrhunderte Klaviermusik“. Das Prinzip: ein Musiker, ein Instrument, 28 Komponistinnen und Komponisten. Festspielpreisträger und Tausendsassa Kit Armstrong reist mit dem Publikum durch die Epochen. Ob beim Besuch eines oder aller fünf von ihm moderierten Konzerte: Die Welt der Klavierliteratur erschließt sich durch die Augen des neugierigen und enthusiastischen Virtuosen auf ganz neue Weise.
Bach steht bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern im Fokus
Zu den großen Komponisten, die für das Klavier bzw. Cembalo schrieben, gehört auch Johann Sebastian Bach. Er ist Namensgeber der zehnteiligen Reihe „Fokus Bach“, die Kit Armstrong am 26. Juni zusammen mit der Akademie für Alte Musik Berlin einläutet. Weitere namhafte Interpreten sind unter anderem Pierre-Laurent Aimard, Dorothee Oberlinger sowie die Festspielpreisträger Anastasia Kobekina, Nils Mönkemeyer und Sebastian Knauer. Sie lassen zwischen Juni und September die Stücke des Thomaskantors lebendig werden, im Original und oft auch ganz anders.
Zum Abschluss von „Fokus Bach“ schnappt sich der Pianist Kai Schumacher das SIGNUM saxophone quartet und macht den Tag zur Nacht. Das Konzert am 8. September steht unter der Überschrift „Goldberg Nights“ und startet bereits um 16:00 Uhr. In der St.-Bartholomaei-Kirche von Demmin erklingen zunächst Auszüge aus den „Goldberg-Variationen“, die ja bekanntlich dazu dienten, einem mit der Bach-Familie befreundeten Grafen musikalische Aufheiterung in dessen schlaflosen Nächten zu bieten. Auch alle weiteren Werke wurden von Kai Schumacher für die ungewöhnliche Besetzung mit Klavier und vierfachem Saxofon eingerichtet. Teilweise kommt Elektronik zum Einsatz, so bei John Cages ursprünglich für Solo-Klavier geschriebenem Stück „Dream“.
Preisträger in Residence
Wie in jedem Jahr wird ein „Preisträger in Residence“ zu den Festspielen eingeladen. Diesmal ist es das eben genannte SIGNUM saxophone quartet, das bei den Festspielen 2016 den NORDMETALL-Ensemblepreis gewann. Das Erfolgsgeheimnis? „Du musst dem Publikum dein ganzes Herz, deine ganze Seele geben“, sagt Gründungsmitglied Blaž Kemperle. Und das werden sie sicherlich bei allen ihren 23 Festivalauftritten unter Beweis stellen. Eines der für sie persönlich wohl wichtigsten Konzerte führt das Quartett am 7. September im Rahmen des Großen Open Airs auf Schloss Bothmer mit Fazil Say zusammen. Es war ein Herzenswunsch der vier Musiker, mit dem türkischen Starpianisten endlich auf einer Bühne zu stehen. George Gershwins berühmte „Rhapsody in Blue“ haben sie deshalb für Klavier und Saxofonquartett neu eingerichtet.
Ein Höhepunkt der Residence ist zweifelsohne auch die Uraufführung von Christian Josts konzertanter Dichtung „Eismeer“, inspiriert vom gleichnamigen Gemälde Caspar David Friedrichs. Gemeinsam mit dem Zürcher Kammerorchester und Daniel Hope lassen die vier Saxofonisten das dreisätzige Werk am 26. Juli in Friedrichs Geburtsstadt Greifswald und am 27. Juli in der Festspielscheune Ulrichshusen erklingen. Blaž Kemperle erklärt begeistert: „Das ist ein wunderschönes Stück, und wir tun damit etwas Großartiges für unser Instrument, das Saxofon-Repertoire und zukünftige Ensembles.“
Weltstars in Redefin
Es ist wohl nicht ganz unzutreffend, Hélène Grimaud als Weltstar zu bezeichnen. Mit gleich zwei Klavierkonzerten präsentiert sich die französische Ausnahmepianistin gemeinsam mit der Camerata Salzburg am 23. Juni auf dem Landgestüt Redefin, und zwar in der von ihr als besonderen Konzertort geschätzten Reithalle. Das Klavierkonzert a-Moll op. 54 von Robert Schumann bezeichnet sie als das „empfindlichste, heikelste, speziellste aller Klavierkonzerte“. Zuvor erklingt Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 – ein Werk, das Grimaud bereits mit dem New York Philharmonic eingespielt hat.
Der zweite Weltstar am Klavier ist Rudolf Buchbinder, der zusammen mit der Filarmonica della Scala am 31. August Werke von Luciano Berio, Edvard Grieg und Maurice Ravel interpretiert. Und der Weltstar am Pult heißt Riccardo Chailly.
Wie schon beim Grimaud-Konzert kann man sich vorher auf dem Landgestüt umsehen. Geboten wird ein abwechslungsreiches Programm für die ganze Familie, angefangen mit einem Picknick im Park, Ponyreiten für Kinder und danach einer großen Pferdeshow. Das ist eben auch Meck-Pomm: ganz viel Natur und unbeschwerte Tage.