Schon allein die alpine Landschaft mit ihren verwunschenen Städtchen, den tiefblauen Seen und dichten Wäldern sind eine Reise wert. So war das Salzkammergut von jeher Rückzugsort bekannter Künstlerinnen und Künstler. Auch Kaiser Franz Joseph I. und seine Gattin Sisi verbrachten zahlreiche Sommer in Bad Ischl. Wenn am 24. Mai zum vierten Mal in der Region das sich über vier Monate erstreckende KIRCH’KLANG Festival eingeläutet wird, gibt es noch einen weiteren hervorragenden Grund für einen ausgedehnten Aufenthalt am Nordrand der Alpen.
Denn auch in diesem Jahr lockt Festivalleiter Martin Haselböck mit einer erlesenen Riege etablierter Musikerinnen und Musiker sowie junger Talente, die in den Sakralräumen und Schlössern der unterschiedlichen Gemeinden einer tiefen Sehnsucht nach Schönheit, Trost und Gemeinschaft Ausdruck verleihen. Dabei unterstreicht das dreisprachige Motto „FREIHEIT.FREEDOM.Воля“ der aktuellen Festivalausgabe nicht allein die grenzübergreifende Relevanz des Programms, sondern nimmt auch Bezug auf das 2023 von Haselböck ins Leben gerufene und ins Festival hineinreichende Projekt „Energizing Ukraine“, dessen Ziel es ist, Auftrittsmöglichkeiten und Ausbildungsplätze für ukrainische Musikerinnen und Musiker zu fördern.
KIRCH’KLANG Festival lässt Anton Bruckner in vielen Facetten erstrahlen
Ausgangspunkt von KIRCH’KLANG ist die Sakralmusik, und die steht diesmal auch unter dem Stern des großen Landessohns Anton Bruckner, dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Für das Konzert mit seinem Orchester Wiener Akademie am 21. Juni in der Basilika St. Michael in Mondsee hat Martin Haselböck allerdings jene von Bruckners Sinfonien gewählt, die im Gegensatz zu seinen anderen Gattungsbeiträgen nicht von religiösen Gedanken getragen wird. Bruckner selbst nannte die sechste Sinfonie seine „keckste“ und spielte damit auf ihren weltlichen Charakter an.
Auch in der Pfarrkirche am Attersee wird ein Brucknerfest gefeiert. Hier sind es die jungen Interpreten Tanja Elisa Glinsner (Mezzosopran) und Tobias Takacs (Orgel), die sich den Werken des oberösterreichischen Romantikers widmen. Ein ganz besonderes Bruckner-Erlebnis erwartet das Publikum am 20. Juli in der Stadtpfarrkirche Bad Ischl, wo der ehemalige Leiter des Münchner Bach-Chores und -Orchesters Hansjörg Albrecht auf der frisch restaurierten Kaiser-Jubiläumsorgel die vierte Sinfonie anstimmt – in einer Fassung für Orgel solo. Dass Bruckner selbst oft auf der Orgel in der Pfarrkirche gespielt hat, dem tragen am 16. August auch das Bläserensemble Vienna Academy Brass und der norwegische Organist Eivind Berg mit einer Auswahl an Werken Rechnung, die vom Jubilar selbst stammen oder in dessen Umfeld entstanden sind.
Exquisite Musik von Beethoven über Mahler bis Schönberg an stimmungsvollen Orten
Ein weiterer Name, der beim KIRCH’KLANG Festival in vielen Facetten erstrahlt, ist Johann Sebastian Bach. Gleich zur Eröffnung durchmisst das Benjamin Schmid Jazz Trio in der Pfarrkirche Bad Aussee mit Geige, Klavier und Kontrabass improvisierend den Kosmos des großen Barockmeisters. Außerdem kann man in den Pfarrkirchen der Gemeinden Seewalchen, Schörfling und Attersee vom 9. bis 11. August ein ganzes Bach-Wochenende am malerischen Attersee mit Kammermusik, Kantaten und Konzerten genießen, zu denen unter anderem der amerikanischen Cembalist Jory Vinikour aus seiner Pariser Wahlheimat anreist.
Auch die Eröffnung des Gustav Mahler Festivals findet im Rahmen von KIRCH’KLANG statt. In Bad Ischl erklingen Orgelmusik und A-cappella-Werke von Anton Bruckner, Gustav Mahler und Arnold Schönberg. In einer Barockgala im Schloss Kammer am Attersee verströmt die ukrainische Mezzosopranistin Olena Leser dunkel abgetönten Stimmzauber, und beim eintägigen Konradfest in der Konradkirche Oberwang trifft das männliche Vokalensemble Wiener Komponistenquartett auf das weibliche Vokalquintett Graces & Voices. Auch das Mozarthaus in St. Gilgen öffnet seine Türen für das KIRCH’KLANG Festival, unter anderen mit einer Darbietung von Ludwig van Beethovens Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“ in einer Quartettfassung, zu der Schauspieler August Zirner Texte von Albert Camus liest. Eine „Idylle für die Moderne“ war der Traunsee, wo Arnold Schönberg zwischen 1905 und 1923 sechs Mal seine Sommerferien verbrachte und seine erste Zwölftonkomposition schrieb. Eine Ausstellung und eine Konzert-Lesung mit Rezitator Michael Maertens, Pianist Michael Schöch und Sopranistin Eva Resch im Klostersaal Traunkirchen spürt der künstlerischen Aufbruchstimmung in jenen Jahren nach.
Meisterliche Improvisationen zu Stummfilmen bei „Orgel bewegt!“ in Bad Ischl
Freunde und Förderer des Festivals kommen am 6. September zudem in den Genuss einer musikalisch begleiteten Aufführung von Molières Komödie „Der eingebildete Kranke“ im Salzburger Schloss Leopoldskron, bevor zum Abschluss des KIRCH’KLANG Festivals in der Pfarrkirche Altaussee Sopranistin Susanne Ebenbauer, Holzbläser Georg Gratzer und Organist Johannes Ebenbauer über Gregorianische Gesänge, biblische und freie Texte sowie Melodien aus dem Salzkammergut improvisieren.
Apropos improvisieren: Einzelne Projekte des KIRCH’KLANG Festivals finden in Zusammenarbeit mit der Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024 statt, so auch das Festival „Orgel bewegt!“ in Bad Ischl vom 6. bis 8. Juni, das sich ganz der musikalischen Begleitung von Stummfilmen widmet. Hier improvisiert der französische Meister-Organist Thierry Escaich zu Fritz Langs Stummfilm-Klassiker „Metropolis“, hier hüllt Jeremy Joseph eine frühe Verfilmung des Schauerromans „The Phantom of the Opera“ in unheimliche Klänge, und hier präsentieren sich auch die drei Finalisten des Internationalen Orgel-Improvisationswettbewerbs „Anton Bruckner“ als formidable Begleiter von bewegten Bildern. Dass die ältesten, prunkvollen Kinosäle mit ihren eingebauten Orgeln die Erhabenheit von Kirchensälen ausstrahlten – auch das darf man beim Besuch dieser KIRCH’KLANG-Aufführungen im Kopf behalten.
Zu guter Letzt kommt auch die Gaumenfreude nicht zu kurz, denn nach jeder Veranstaltung wird der bewährte KIRCH’KLANG-Festivalwein ausgeschenkt. Die Nähe der Künstlerinnen und Künstler zum Publikum und die Möglichkeit zum Dialog in entspannter Atmosphäre bilden das Herz dieses Festivals, das auch mit seinen Vorprogrammen und Einführungsvorträgen echte Begegnungen ermöglichen möchte.