Es war einst der Landsitz von Goethes Freundin Charlotte von Stein, Goethe selbst war fasziniert von dem Gebäudeensemble und zwischen 1775 und 1788 mehrfach zu Besuch. Noch heute übt das Schloss Kochberg mit seinem beeindruckenden Landschaftspark einen besonderen Reiz auf seine Besucher aus. Gegenwärtig als Teil der Klassik Stiftung Weimar betrieben, gehört zu dem Schlosskomplex in Zentralthüringen das vielleicht einzige noch erhaltene Privattheater der Goethezeit: das Liebhabertheater. Eingeweiht im Jahr 1800 von Carl von Stein, Charlotte von Steins ältestem Sohn, war das Gebäude aus einem zweigeschossigen barocken Gartenhaus entstanden, das erweitert um einen hellen Bühnenraum und einem repräsentativen Säulenportikus noch heute in seiner ursprünglichen Form zu bewundern ist. Von Steins Vorstellung war es, hier nach dem Vorbild des Weimarer Hofes ein Liebhabertheater zu pflegen und mit Familie, Freunden sowie der Dienerschaft selbst geschriebene Stücke zu inszenieren. Der Vortrag von Festgedichten, Musik und Tänzen stand ebenfalls auf dem Vergnügungsprogramm der feinen Gesellschaft auf dem Lande.
Heute zieht das zur European Route of Historic Theatres gehörende Privattheater, das in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts aufwändig saniert wurde und zwischen 2009 und 2011 abermals sorgsam ertüchtigt wurde, Kulturliebhaber aus der ganzen Welt an. Als lebendiges Museum finden an allen Wochenenden in der Saison von Mai bis Oktober Theateraufführungen, Kammerkonzerte und Lesungen statt, bei denen die Besucherinnen und Besucher den hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern in intimer Atmosphäre ganz nahe kommen. Das authentische Theater mit nur 75 Sitzplätzen konzentriert sich mit seinem Repertoire auf Werke aus Barock, Klassik und Romantik. Im Fokus steht dabei neben der hohen künstlerischen Qualität die Pflege der historischen Aufführungspraxis, um dem Publikum besonders werkgetreue Aufführungen zu bieten. Neben Eigenproduktionen stehen Koproduktionen von Opern und Schauspielen auf dem Programm, die europaweit Beachtung finden. Erstaunlich ist vor diesem Hintergrund, dass die Hauptarbeit zum Erhalt des Theaters in den letzten Jahrzehnten im Ehrenamt geleistet wurde.
Theatersommer mit zahlreichen Highlights
Unter dem Motto „Aufbruch zur Goethezeit“ finden im diesjährigen Theatersommer anlässlich des 275. Geburtstags von Johann Wolfgang von Goethe über dreißig Opern-, Theater- und Konzertaufführungen statt. Im Zentrum steht dabei die Aufbruchsstimmung, die die Gesellschaft im späten 18. Jahrhundert bewegte, etwa beim Musiktheaterprojekt „Ariadne auf Naxos“ von Georg Anton Benda von 1775. Das Stück erzählt die tragische Liebesgeschichte des Athener Helden Theseus und der minoischen Prinzessin Ariadne, zweier Königskinder, deren Liebe keine Chance hat, da sie aus verfeindeten Ländern stammen. Ariadne, die Theseus hilft, den Minotaurus zu besiegen, folgt ihrem Angebeteten auf die Felseninsel Naxos, wo er sie aller Liebe zum Trotz zurücklässt, um zu neuen Heldentaten aufzubrechen. Uraufgeführt am 27. Januar 1775 im Schlosstheater Gotha, wurde das Stück schnell zu einem nationalen Erfolg. Kein Geringerer als Wolfgang Amadeus Mozart hielt das Werk für „fürtrefflich“.
Stilprägendes Repertoire
Als besonderes Beispiel für die Entwicklung der Musik in dieser Zeit war das als Melodram konzipierte Werk im besonderen Maße stilprägend. Gänzlich im Sinne der Epoche der Empfindsamkeit stellt das Libretto von Johann Christian Brandes nicht die äußere Handlung in den Fokus, sondern konzentriert sich vielmehr auf den Ausdruck der Gedanken und Gefühle der Protagonisten. Der Text und die Musik stellen dabei im Wechsel die Seelenzustände der Akteure in den Vordergrund und lassen das Publikum somit direkt Anteil nehmen an den Gewissenskonflikten beider Parteien zwischen Liebe und Pflicht, Erschrecken, Enttäuschung, Wut und Verzweiflung. Die Inszenierung mit dem Ensemble I Porporini feiert am 4. Mai unter der Leitung von Gerd Amelung Premiere. Für die Regie zeichnet Nils Niemann verantwortlich.
Ebenfalls auf dem Programm steht die erfolgreiche Inszenierung von Domenico Cimarosas Opernsatire „Die Theatralischen Abentheuer oder der Theaterdirektor in Nöthen“ mit der Lautten Compagney Berlin unter der Leitung von Wolfgang Katschner. Zudem werden das Opern-Pasticcio „Auf der Suche nach der besten Welt“ und Goethes Lustspiel „Die Mitschuldigen“ gegeben. Die Zuschauerinnen und Zuschauer dürfen sich auch auf weitere Auftritte der Lautten Compagney Berlin und des Thüringer Bach Collegiums freuen.
Trailer zum Opern-Pasticcio „Auf der Suche nach der besten Welt“
Trailer zu „Die Theatralischen Abentheuer oder Der Theaterdirektor in Nöthen“