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Sommerhauptstadt in Europa

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  • Sommerhauptstadt in Europa

Sommerfestspiele Baden-Baden 2024

Familiär und mondän zugleich: Bei den Sommerfestspielen Baden-Baden dirigiert Yannick Nézet-Séguin zwei Orchester von Weltrang, Stardirigent Daniel Hope und das Zürcher Kammerorchester spielen Mozart. Als Solisten sind Joyce DiDonato und Seong-Jin Cho zu erleben.



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Sechs Festivals geben der Spielzeit 2024 am Festspielhaus Baden-Baden ihre Struktur. Beim „Takeover“ übernimmt der künstlerische Nachwuchs das Ruder, bei den Osterfestspielen sind die Berliner Philharmoniker, bei den Pfingstfestspielen das SWR Symphonieorchester und bei den Herbstfestspielen Thomas Hengelbrock mit Balthasar-Neumann-Chor und -Orchester zu erleben. John Neumeier wiederum hat mit einem eigenen Tanzfestival eine neue künstlerische Heimat in Baden-Baden gefunden. Und im Juli gestaltet Yannick Nézet-Séguin die Sommerfestspiele.

Als Musikchef der New Yorker Metropolitan Opera, des Philadelphia Orchestra sowie als Dirigent auf Lebenszeit beim Orchestre Métropolitain in Montreal hat der Kanadier viele künstlerische Heimaten, eine weitere hat der nahbare Ausnahmekünstler inzwischen auch in Baden-Baden. Dort macht er die Kur- und Bäderstadt am Rand des Schwarzwalds in diesem Jahr zur Sommerhauptstadt: Mit „La Capitale d’Été“ sind die Sommerfestspiele Baden-Baden überschrieben. Und wie es sich gehört für eine Kapitale erklingen kaiserliche Werke, auch Hofnärrisches kommt zu Gehör, sogar eine regelrechte Göttin des Gesangs – Joyce DiDonato – hält Einzug im Festspielhaus.

Yannick Nézet-Séguin ist in den Baden-Baden als Dirigent und Pianist zu erleben
Yannick Nézet-Séguin ist in den Baden-Baden als Dirigent und Pianist zu erleben

Sommerfestspiele Baden-Baden ehren Beethoven

Der Titel „La Capitale d’Été“ geht auf die Stadtgeschichte des 19. Jahrhunderts zurück, als der badische Staat die Stadt zum mondänen Kurort ausbaute. Luxushotels entstanden, man errichtete einen Musikpavillon für die Kurkonzerte mit den besten Musikerinnen und Musikern der Zeit – und es kam nicht nur die europäische Hautevolee, sondern auch die royale und politische Prominenz: Königin Luise von Preußen etwa, auch Kaiser Napoléon III. oder König Wilhelm I. von Preußen, der auch später als Kaiser Wilhelm I. gerne wieder kam.

Seit fast zehn Jahren gern gesehener Gast in Baden-Baden: Pianist Seong-Jin Cho
Seit fast zehn Jahren gern gesehener Gast in Baden-Baden: Pianist Seong-Jin Cho

Beim Stichwort „Kaiser“ sind wir auch schon beim Abschlusskonzert des Festivals am 21. Juli. Dann nämlich empfangen Yannick Nézet-Séguin und das Chamber Orchestra of Europe Seong-Jin Cho und spielen Beethovens fünftes Klavierkonzert, das wegen seines heroischen Duktus’ den Beinamen „Kaiserkonzert“ erhielt. Demgegenüber steht das vierte Konzert, das von allen Beethoven-Konzerten das romantischste ist. Seong-Jin Cho ist in Baden-Baden gern gesehener Gast, seit er kurz nach seinem Gewinn des ersten Preises beim Internationalen Chopin-Wettbewerb 2015 im Festspielhaus das Publikum begeisterte. Dass der Südkoreaner eben erst dreißig geworden ist, vergisst man gerne angesichts seiner nunmehr über zehn Jahre, in denen er die Klassikwelt mit einer unglaublichen Anzahl an Auftritten in den großen Konzerthäusern der Welt sowie mit zahlreichen CD-Aufnahmen beschenkte.

Mezzosopranistin und Opernsängerin von Weltrang: Joyce DiDonato
Mezzosopranistin und Opernsängerin von Weltrang: Joyce DiDonato

Mahlers Miniaturopern erstrahlen mit Solistin Joyce DiDonato

Mit dem Chamber Orchestra of Europe tritt auch der zweite Gast auf, den Yannick Nézet-Séguin einlädt: Joyce DiDonato. Am 20. Juli offenbart die Mezzosopranistin die opernhafte Seite Gustav Mahlers mit dessen Orchesterliedern auf Gedichte von Friedrich Rückert, mit dem der große Sinfoniker eine künstlerische Seelenverwandtschaft empfand. Vielleicht ist auch genau deshalb das wohl bekannteste Lied aus den Vertonungen, „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, von einem solchen Zauber umgeben. Die große Opernsängerin Joyce DiDonato ist als bedeutende Mahlerinterpretin bei diesen Miniaturopern ganz in ihrem Element. Liedhaft ist auch Mahlers vierte Sinfonie, die ebenfalls an diesem Abend erklingt und Melodiephrasen aus Liedern wie „Das himmlische Leben“ oder auch „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“ in sich birgt. Tags zuvor, am 19. Juli, offenbart Nézet-Séguin seine hervorragenden pianistischen Fähigkeiten, wenn er gemeinsam mit Joyce DiDonato und Mitgliedern des Chamber Orchestra of Europe die Salonkultur des 19. Jahrhunderts heraufbeschwört mit einer Liederauswahl sowie Edward Elgars Klavierquintett a-Moll op. 84 – in intimem und zugleich lockerem Rahmen, gleichsam als musikalisches Gespräch mit Freundinnen und Freunden auf der Bühne.

Für sein erstes großes sinfonisches Konzert bei „La Capitale d’Été“ am 16. Juli hat Yannick Nézet-Séguin neben Joyce DiDonato auch das London Symphony Orchestra gewonnen, mit dem er 2023 den Soundtrack für das preisgekrönte Leonard-Bernstein-Biopic „Maestro“, eingespielt hat. Mit einer „Sommergala der Romantik“ lassen sie das Flair der „Sommerhauptstadt Europas“ wiederaufleben, als Franzosen, Russen, Amerikaner und Engländer das kleine Schwarzwaldtal zur lauen Jahreszeit aufsuchten. Entsprechend international ist auch das Programm mit Hector Berlioz’ „Sommernächten“ und Peter Tschaikowskys sechster Sinfonie „Pathétique“.

Daniel Hope und das Zürcher Kammerorchester huldigen bei den Sommerfestspielen Baden-Baden Mozart
Daniel Hope und das Zürcher Kammerorchester huldigen bei den Sommerfestspielen Baden-Baden Mozart

Hofnärrisches aus Mozarts Feder und Konzerte für den Nachwuchs

Bleibt noch das eingangs erwähnte hofnärrische Element des Festivals. Das kann natürlich nur von Wolfgang Amadeus Mozart stammen, dem Daniel Hope und das Zürcher Kammerorchester am 14. Juli im Eingangskonzert des Festivals huldigen. Die zwei großen Sinfonien „Haffner“ und „Prager“ umrahmen das fünfte Violinkonzert, das nicht nur eines der schönsten, sondern auch eines der überraschendsten Instrumentalwerke von Mozart ist. Der lässt im ersten Satz aus dem Nichts eine instrumentale Opernpersiflage aufblitzen, das darauffolgende Adagio ist getragen von Moll, ehe das abschließende Rondo Fasching pur ist. Dazu fehlt dann nur noch das Gläschen Champagner. Der Vortag des Sommerfestivals ist übrigens dem Nachwuchs vorbehalten mit einem Krabbelkonzert für die Allerjüngsten sowie mit einem Wanderkonzert, bei dem die Kinder nicht nur unter freiem Himmel einem Konzert lauschen, sondern auch mitsingen dürfen. Veranstaltet werden beide Konzerte vom MUSA! Ensemble

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