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„Wir möchten die Grenzen durchlässig machen, damit jeder entdecken kann, wie toll unsere Musikwelt ist“

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styriarte

Die Intention hinter dem 1985 gegründeten Festival styriarte war es, den Dirigenten Nikolaus Harnoncourt wieder näher an seine Heimatstadt Graz zu bringen. Heute zählt es zu den wichtigsten Musikfestivals für klassische und alte Musik in Österreich und findet vom 25. Juni bis 25. Juli 2021 statt. Seit 2018 bilden ausgewählte Opern des Grazer Barockkomponisten Johann Joseph Fux einen Schwerpunkt der styriarte, die für Intendant Mathis Huber auch in diesem Jahr wieder zu den Highlights des Festivals gehören.



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In diesem Jahr standen Sie wegen der Corona-Pandemie vor besonderen Herausforderungen. Was war die größte Hürde, die Sie nehmen mussten?

Mathis Huber: Die größte Schwierigkeit des diesjährigen Festivals ist die Unberechenbarkeit der Situation. Das hatte für uns zur Folge, dass wir uns alles offen halten mussten und so geplant haben, wie es bestmöglich realisierbar ist. Wir halten uns an die Abstandsregeln, haben weniger Besucher als es die Saalkapazität zulassen würde und vermeiden groß angelegte Reisen. Jetzt sind wir aber in der komischen Situation, dass das wahrscheinlich hinfällig ist, weil in Österreich fast alles wieder ohne Probleme stattfinden kann. Wir bleiben dennoch bei unserem ursprünglichen Konzept und bieten verkürzte Programme mit maximal siebzig Minuten Spielzeit ohne Pause und einer um ein Drittel reduzierten Auslastung an. Das ist von der ökonomischen Sicht her nicht ganz praktikabel, ist aber ein Serviceangebot für das Publikum. Den Luxus gönnen wir uns. Genauso wird es auch zwei Beginnzeiten geben: einmal um 18 Uhr und einmal um 20 Uhr. So kann das Publikum selbst entscheiden, zu welchem Zeitpunkt es lieber ins Konzert gehen möchte.

Worauf kommt es bei der Planung so eines großen Festivals wie der sytriarte an? Verschieben sich durch Corona die Prioritäten?

Huber: Bei uns hat sich insofern nicht so viel verschoben, als dass wir jetzt noch stärker umsetzen mussten, was wir sowieso schon auf der Tagesordnung hatten, nämlich das Festival aus Sicht des Publikums zu organisieren. Das Online-Musikangebot ist so gut, dass wir das als starke Konkurrenz sehen. Deswegen sind auch wir als großes Festival gut darin beraten, auf die Bequemlichkeit des Publikums Rücksicht zu nehmen. Dass wir in Hinsicht auf die künstlerische Qualität brillant sein müssen, hat damit gar nichts zu tun. Aber es bleibt die Gefahr, dass die Menschen unser wunderbares Programm verpassen, weil wir nicht an ihren Komfort gedacht haben.

2019 hatten Sie noch eine Auslastung von 92 Prozent!

Huber: Wir leben in einer Stadt mit fast 300.000 Einwohnern, doch davon erreichen wir nur einen Bruchteil. Wir bewegen uns in einer gesamtgesellschaftlich sehr kleinen Blase, und das macht mich nicht sehr glücklich. Natürlich ist eine Auslastung von 92 Prozent gut, aber das reicht nicht. Festivals wie das unsere funktionieren nur, weil sie öffentliche Finanzierungen bekommen. Also muss ich um Interessenten kämpfen und darf mich nicht mit einer hohen Auslastung zufriedengeben, wenn ich das Angebot noch weiter ausbauen könnte.

Vielleicht lockt das Festivalmotto mehr Interessenten zu Ihnen. Woher kommt das Motto „Lust“?

Huber: Wir haben eine Serie von Opernproduktionen aus der Feder von Johann Joseph Fux in unserem Festival. Die Oper, die wir in diesem Jahr aufführen werden, heißt „Psiche“. In der Erzählung von Apuleius befiehlt Venus ihrem Sohn Amor, Psyche zu vernichten, weil ihre Schönheit von allen verehrt wird. Der aber verliebt sich stattdessen in sie, und die beiden zeugen gemeinsam eine Tochter, die sie Wollust nennen. Und dieses Opernsujet hat dem Festival sein Motto gegeben. Das kann übrigens Lust auf alles bedeuten: Auf Essen, Seelenlust, Augenlust, aber auch auf Erotik. Und so gipfelt das Programm „Höchste Lust“ auch in Isoldes Liebestod.

„Psiche“ ist die vierte in Ihrer Reihe der Fux-Opern. Wie kam es zur Entdeckung des Komponisten und welche Rolle spielen seine Werke heute im Festival?

Huber: Eine der wichtigsten Tätigkeiten von Johann Joseph Fux war das Komponieren von Opern für den intimsten Bereich des Hofes. Zur Zeit Karl VI. war es nämlich Brauch, dass sich der Kaiser und die Kaiserin, nachdem sie schon alles hatten, zum Namenstag eine Oper geschenkt haben. Diese wurden nur ein einziges Mal in voller Ausstattung in den Privatgemächern aufgeführt, dann wurde die Partitur in Goldpapier gewickelt und in Archive gesteckt. Das sind also kleine Juwelen von Kunstfertigkeiten, die gar nicht fürs große Publikum produziert worden sind, sondern nur für diese ganz privaten Momente. Das hat mich so fasziniert, dass ich beschlossen habe, einmal im Jahr so ein Juwel auszugraben, herzuzeigen und dann schnell wieder wegzupacken. Das ist die Idee dahinter.

Insgesamt zeigen Sie innerhalb der Reihe sechs Fux-Opern. Warum haben Sie sich aus dem breiten Repertoire genau für diese entschieden?

Huber: Als wir 2017 darüber beraten haben, war es mir wichtig, einen möglichst breiten Querschnitt des Fux’schen Opernschaffens zu repräsentieren. Denn die Opern klingen natürlich ganz anders, je nachdem, für wen sie komponiert wurden. Ziel des Projekts ist die Ausnahmeoper „Costanza e fortezza“. Das war ein Stück, das Fux nicht für den privaten Bereich, sondern für die Krönung Karl VI. zum römischen König in Prag komponiert hat. Das war ein großes Open-Air-Event und das komplette Gegenteil der „Psiche“. Was auch besonders ist: Wenn wir „Costanza e fortezza“ 2023 aufführen, wird die Oper genau 300 Jahre alt. Sie wurde nämlich 1723 komponiert.

Das Festival ist ursprünglich entstanden, um Nikolaus Harnoncourt „nach Hause“ zu holen. Wie lebt es seit seinem Tod 2016 weiter?

Huber: 2016 haben wir das für Nikolaus Harnoncourt vorgesehene Programm mit ganz jungen Dirigentinnen und Dirigenten möglichst vom anderen Ende der Welt besetzt. Das waren Karina Canellakis, Andrés Orozco-Estrada und Jérémie Rhorer, der als einziger von den dreien aus der Originalklang-Szene kommt. Das sagt ja schon, wie es weiter geht. Dennoch hat das Festival nach Harnoncourt den Weg eingeschlagen, viel populärer zu werden und viel mehr zu versuchen, Menschen einzuladen, an dem Wunderwerk Musik teilzunehmen, für die wir vorher kein Angebot hatten, das ihnen interessant erschien. Wir haben den Maestro also nicht durch einen neuen ersetzt, sondern durch ein kulturpolitisches Programm.

Was wünschen Sie sich für das diesjährige Festival?

Huber: Dass unser Konzept aufgeht und die Liebhaber klassischer Musik über den Tellerrand schauen und in unsere Popevents gehen! Gleichzeitig hoffe ich, dass die Liebhaber von dieser Popwelt, die ja ganz spannend und ganz interessant ist, sich für die Klassik interessieren. All das wird uns gelingen, das sehe ich schon in der Nachfrage. Wir möchten die Grenzen durchlässig machen, damit jeder entdecken kann, wie toll unsere Musikwelt ist. Das ist so ein bisschen der Kern unserer Revolution.

Was ist Ihr persönliches Highlight?

Huber: Mein Highlight ist, das Juwel von Johann Joseph Fux in dem unglaublichen Barockschloss Eggenberg präsentieren zu können. Da machen wir eine Schatzkiste auf und gucken, was uns dreihundert Jahre unentdeckt geblieben ist, hören es, sind glücklich und machen die Kiste sofort wieder zu. Dann haben wir etwas erlebt, das „nur“ wir 2.000 Menschen gesehen haben.

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