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Interview mit Andreas Leisner und Matthew Wild

Tiroler Festspiele Erl 2024

Bernd Loebes letzter Erler Sommer wartet vom 4. bis 28. Juli 2024 mit spektakulärem Programm auf. Der Vorverkauf zu Jonas Kaufmanns erster Intendanz hat begonnen.



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Herr Leisner, seit ihrer Gründung verstehen sich die Tiroler Festspiele Erl als maßgebliche Wagner-Hochburg des Alpenraums – zuletzt mit Brigitte Fassbaenders erfolgreicher Inszenierung von „Der Ring des Nibelungen“. Wird der neue Intendant Jonas Kaufmann diese Tradition, welche bis zu einem „Ring in 24 Stunden“ zurückreicht, nach „Parsifal“ fortsetzen?

Andreas Leisner: Die Pflege des Wagner-Repertoires in Erl hat auch für die neue Intendanz oberste Priorität. Die zehn großen Musikdramen sind im Spielplan der Festspiele zu Hause und das Team um Jonas Kaufmann beginnt mit dem neuen Parsifal mit einer Neuerarbeitung der Wagneropern, ab 2026 dann auch wieder im Passionsspielhaus!

Das Erler Konzert-Angebot bietet inzwischen Programmsäulen wie die großen Bach-Werke, Schubertiade, Akademiekonzerte, die Klaviertage und jüngst sogar Tanz. Werden die Tiroler Festspiele allmählich zum lückenlosen Ganzjahresbetrieb?

Leisner: Die Festspiele konzentrieren sich auf die vier Saisons und werden sich hier um eine klare Abgrenzung bemühen. Es gibt natürlich auch erfolgreiche Initiativen, die das Festspielhaus für Gastspiele nutzen. Die Vielfalt des Gebotenen ist uns eine große Freude und es bereichert das Angebot für die Region. Ein Ganzjahresbetrieb ist jedenfalls nicht geplant.

Das Passionsspielhaus und das Festspielhaus liegen inmitten einer atemberaubenden Alpenlandschaft zwischen Wendelstein und Wilder Kaiser. Welchen Ausflugspunkt empfehlen Sie kurz entschlossenen Besuchern in diesem Sommer?

Leisner: Zu meinen persönlichen Favoriten gehören die jeweils kurzen und mit den Festspielaufführungen gut zu kombinierenden Ausflüge wie der idyllische Weg um den Hechtsee und der kurze Aufstieg auf den Erler Hausberg, das Kranzhorn. Hier kann man die Kombination aus Naturerlebnis und Hochkultur besonders intensiv erleben. Die Nähe zur Natur ist einfach wundervoll!

Regisseur Matthew Wild
Regisseur Matthew Wild

Matthew Wild, Planungen sind im heutigen Opernbetrieb langfristig. Hat die Entscheidung für Tschaikowskis Oper, agesichts des historischem Hintergrunds über Russland und die Ukraine, mit der aktuellen politischen Situation zu tun?

Matthew Wild: Die Entscheidung für „Mazeppa“ fiel lange vor Beginn des Ukrainisch-Russischen Krieges. Ganz sicher haben wir seither intensiv darüber nachgedacht, wie und warum wir diese Oper aufführen und welche Bedeutung wir ihr in der aktuellen politischen Situation geben könnten. Mein Ausgangspunkt war die Bereitschaft zu verstehen, dass die romantischen Verbrämungen des 19. Jahrhunderts meistens nichts mit den realen historischen Figuren zu tun haben. Unsere Produktion wird nicht direkt den aktuellen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine berühren. Tschaikowskis Mazeppa ist ein fiktiver Tyrann wie Shakespeares Macbeth. Die Oper gleicht einer alptraumhaften Kette von Begebenheiten, nachdem man die falsche Person zu Tisch geladen hat. Das lese ich wie eine Umschreibung für die Auslieferung eines ganzen Volkes an einen ungeeigneten Führer. Ich wollte ein klaustrophobisches Kammerspiel entwickeln, in dem Kriminelle, korrupte Politiker und angepasste Handelsleute die Kontrolle über die Regierung von Poltawa anstreben. Das könnte auch eine Beschreibung von jedem Land mit kriminellen Energien sein (einschließlich mein Herkunftsland Südafrika).

Sie hatten in Erl mit „Königskinder“ und in Frankfurt mit „Tannhäuser“, der sogar eine ausverkaufte Zusatzvorstellung erhielt, äußerst kontrastreiche Ansätze. Was fasziniert Sie an Tschaikowskis und Puschkins alten Kosaken „Mazeppa“, den eine junge Frau liebt?

Wild: Unsere Inszenierungen von „Königskinder“ und „Tannhäuser“ wirken an ihrer Oberfläche äußerst unterschiedlich, aber beide beinhalten für meine Arbeit sehr wichtige Inhalte. Ich möchte um die Handlungen eine „zeitbezogene Mythologie“ legen, in welcher die Banalität des Alltags mit übernatürlichen und mythologischen Sinnebenen konfrontiert wird. Dabei will ich in die Psychen der Figuren eindringen. Ich beziehe mich immer wieder auf Filme und Fotografien, um das Publikum zu erreichen – für die genannten Produktionen etwa Fotos von Gregory Crewdson und Tom Fords Kinofilm „A Single Man“. Für „Mazeppa“ verwenden wir typische Muster des Gangsterfilms für ein blutiges Ambiente der Machtkämpfe feindlicher Gruppen mit Folter und Hinrichtungen, welche in einer fast belanglosen Häuslichkeit stattfinden. Ich betrachte die vollkommen durchgeknallte Beziehung zwischen Mazeppa und Maria als Obsession einer jungen Frau zu einem charismatischen Führer. Dieser außerordentlichen Leidenschaft wollen wir in unserer Inszenierung auf den Grund gehen.

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