Der Verein möchte jüdische Musik erleben und beleben und heißt KOL. Was bedeutet das?
Mimi Sheffer: KOL heißt „die Stimme“. Unser Verein soll der jüdischen Musik eine Stimme geben, auch mit der menschlichen Stimme im Sinne von Gesang. Als Sängerin trete ich in vielen der Konzerte auf. Welche Musik wir beleben, hat sich seit der Gründung des Vereins aber verändert.
Wie hat sich denn der Schwerpunkt entwickelt?
Sheffer: Am Anfang wollten wir jüdische Musik in allen Facetten aufführen – außer Folklore. Seit 2017 fokussieren wir uns auf die Musik geflüchteter jüdischer Komponistinnen und Komponisten. Wir beleuchten die Lebenswege dieser Menschen, die vor dem Holocaust fliehen mussten. Anhand ihrer Musik verfolgen wir ihre Bezüge zu ihrem Exil: Ist es ihre neue Heimat geworden? Wie hat sie die neue Umgebung beeinflusst? Was haben sie mitgebracht und wie haben sie die Musik des neuen Landes dadurch beeinflusst? Wir spielen viel Musik, die bereits bekannt ist und holen noch mehr Musik aus Archiven ans Licht.
Was sind die Hauptprojekte des Vereins?
Sheffer: Die Konzertreihe „Living Music“ gibt es seit 2015. Auch dieser Titel ist zweideutig wie der Vereinsname: Die Musik lebt, und man selbst lebt die Musik. Die Konzerte finden von September bis Dezember in Potsdam und Brandenburg statt. Außerdem produzieren wir Aufnahmen für Deutschlandradio Kultur. Seit letztem Jahr gibt es das Projekt „Kaleidoskop“ mit jungen Musikerinnen und Musikern. Es sind Studierende aus Hochschulen oder Musikschulen und Laien-Ensembles auf hohem Niveau oder junge Musiker, die selbst Erfahrungen als Geflüchtete haben. In diesem Projekt können sie sich anhand von Biografien der Komponistinnen und Komponisten mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen. Ihre musikalische Beiträge werden in unsere Konzerte integriert. An dieser Stelle möchte ich die wunderbare Zusammenarbeit mit Babak Shafian hervorheben, der diese Jugendarbeit erst möglich gemacht hat. Wir haben uns so etwas schon lange gewünscht. Er ist Iraner und kennt sich sehr gut aus in der jüdischen Musik.
Wie ist der Verein überhaupt entstanden?
Sheffer: Ich wusste, dass es sehr aufwändig sein kann, einen Verein zu gründen, habe mich aber 2014 in einer schwachen Minute dazu bereit erklärt. Die Musikreihe gab es schon. Wir wurden nach den Konzerten immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass wir mehr Sponsoren gewinnen können, wenn wir ein eingetragener Verein sind.
Wer sind Ihre Hauptförderer?
Sheffer: Uns unterstützen große Partner wie die Lotto-Stiftung, das Land Brandenburg und die Stadt Potsdam sowie eine Menge weiterer Stiftungen und Institutionen, die thematisch mit unserer Sache verbunden sind, zum Beispiel die Dwight and Ursula Mamlock-Stiftung. Ursula Mamlock war eine Komponistin, die vor den Nazis fliehen musste und später in ihre Geburtsstadt Berlin zurückgekehrt ist. Die Amadeu Antonio Stiftung ermöglicht das „Kaleidoskop” Projekt.
Dieses Jahr wird „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gefeiert. Wie begehen sich das Jubiläum?
Sheffer: Für uns ist es ein normales Jahr, wenn man von Corona mal absieht. Das ist schon schwierig, wir überwinden diese Krise aber wie letztes Jahr mit viel Elan. Wir warten noch auf Förderzusagen, obwohl die Konzerte schon geplant sind. Wir feiern in diesem Jahr, dass wir endlich Konzerte mit Orchester ermöglichen können. Orchestermusik ist organisatorisch und finanziell nicht so leicht zu realisieren. In diesem Jahr freuen wir uns auf die Zusammenarbeit mit dem Filmorchester Babelsberg.
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