Startseite » Interviews » Kurz gefragt » „Das war mir richtig peinlich“

KURZ GEFRAGT: ALICE SARA OTT

„Das war mir richtig peinlich“

Dazu hat sie selten Grund: die deutsch-japanische Pianistin Alice Sara Ott. Hier spricht sie über…

vonJakob Buhre,

…Sushi

Es gibt einen Unterschied, was die Europäer und was die Japaner unter Sushi verstehen: In Europa sind vor allem die Rolls sehr beliebt, wovon es Millionen Variationen gibt. In Japan dagegen ist das Nigiri-Sushi das eigentliche Sushi. Und man kann sehr teuer Sushi Essen gehen, dann bekommt man auch Seeigel und verschiedene Muscheln. Mir ist aber die einfache Variante lieber, und am schönsten ist es, wenn ich Freunde zu mir nach Hause einlade und wir das alles selber zusammenrollen. 

 

…Tamagotchi

Oh (lacht), dazu kann ich eigentlich gar nichts sagen. Ich weiß nur, dass ich damals sehr sauer auf meine Eltern war, weil sie mir als kleines Mädchen nicht erlauben wollten, einen Tamagotchi zu kaufen. Jedes Kind hatte das – nur meine Schwester und ich nicht. Damals habe ich die Welt nicht verstanden, im Nachhinein bin ich aber sehr froh, dass ich nicht zu der Playstation-, Gameboy- und Tamagotchi-Generation gehöre. 

 

…Handyklingeln im Konzert

Mir ist aufgefallen, dass mich das mehr stört, wenn ich im Publikum sitze, als wenn ich selbst das Konzert spiele. Außerdem kann das jedem mal passieren, man hustet ja auch, oder das Programmheft fällt runter. Mir selbst ist einmal bei einem Konzert der Münchner Philharmoniker etwas passiert, Christian Thielemann dirigierte gerade die Unvollendete von Schubert und mir fiel mit einem lauten „klong“ ein Deodorant aus meiner Tasche. Das war mir richtig peinlich.  

 

…das Publikum in Japan

Der große Unterschied ist, dass wir in Japan nicht die Klassik-Tradition haben wie in Deutschland. Das Genre ist neuer, das Publikum wahrscheinlich ein wenig jünger und es hat eine andere Mentalität. Man zeigt seine Emotionen nicht so offen, wie es in Europa der Fall ist. Dennoch ist es ein sehr treues Publikum. Wenn ich CDs signiere, haben die Menschen überhaupt kein Problem damit, zwei Stunden anzustehen, um ein Autogramm zu bekommen. Schwer hat man es in Japan noch mit Neuer Musik, eher wünscht sich das Publikum ein Standard-Programm mit Werken, die es schon kennt. Gewisse populäre Stücke finden da mehr Anklang als wenn man Skrjabin oder Schönberg aufführt.

 

…Höflichkeit in Deutschland

In Deutschland wird mir als Frau noch öfters die Tür aufgehalten, Vortritt gelassen oder in die Jacke geholfen. In Japan gibt es dieses „Ladies First“ gar nicht, dort wird dann wieder anders Rücksicht genommen: Es wird nie direkt „nein“ gesagt, wenn man nicht meiner Meinung ist, auch ein „Sag mal, spinnst du“ würde man in Japan nicht hören. Ich bin ehrlich gesagt kein großer Fan von „Ladies First“, schließlich sind wir heute gleichberechtigt, da sollte die Frau in so einer Situation keinen Vorteil genießen. Diese Tradition stammt aus einer Zeit, in der Frauen noch nicht so emanzipiert gewesen sind wie heute. Es mag vom Mann eine nette Geste sein, trotzdem fühle ich mich nicht wohl, wenn ich als Erste durch die Tür gehe. 

 

…Klavierstimmer

Tja, was wären wir ohne sie? Es gibt zwar ein paar Pianisten, die den Flügel selber stimmen können, doch dazu gehöre ich leider nicht. Ich habe schon sehr tolle Klavierstimmer getroffen, nicht zuletzt in St. Petersburg, wo ich eine Aufnahme gemacht habe. Wir hatten einen Techniker aus Hamburg mitgebracht, der es wirklich geschafft hat, aus dem Flügel, der anfangs leider ein Schrott-Instrument war, in einer Nacht ein Superinstrument zu machen. Das werde ich nie vergessen. Generell muss man aber sagen: Auch wenn ein Instrument seine Grenzen hat, müssen wir als Pianisten unser Bestes geben. Ein schlechtes Instrument oder ein schlechter Stimmer ist keine Ausrede. Das Publikum hat schließlich dasselbe Geld bezahlt und kann nichts dafür.

 

…Steinway

Ich spiele gerne die älteren Hamburger Steinway-Flügel, sie haben die Eigenschaft, dass sie beim Anschlag nicht unmittelbar reagieren: Wenn ich die Taste runterdrücke, dauert es noch eine kleine Millisekunde, bis der Ton erklingt. Und ich schätze es, wenn man gerade in den leisen Dynamiken viel mit dem Ton machen kann. Für mich ist nicht ein brillanter lauter Flügel toll, sondern einer, auf dem der Klang im piano die gleiche Resonanz hat wie ein forte-Klang. Die New Yorker Steinways sind mir oft zu sehr auf der brillanten Seite.

…das Alter des Instruments

Ich mag es, wenn ein Flügel bereits fünf oder sechs Jahre alt ist. Wenn oft darauf gespielt wurde, verändert sich der Klang, ganz frische Flügel müssen erst einmal eingespielt werden. Es hängt auch davon ab, wer darauf gespielt hat, die Flügel passen sich den Menschen an, die auf ihnen spielen. Bei ganz alten Instrumenten kann man es merken, wenn eine berühmte Person daran gesessen hat. Ich habe zum Beispiel in Bayreuth auf dem alten Wagner-Flügel gespielt, auf dem auch Liszt spielte, oder in Kiew auf einem Tschaikowsky-Flügel. Da merkt man: Es hat jemand dran gesessen, der den Flügel sehr gut behandelt und gehegt hat.

 

…Zugaben 

Ich persönlich bin kein Freund von zehn Zugaben pro Abend, wobei ich das als Zuhörer toll finde. Ich entscheide meistens spontan, was ich als Zugabe spiele, je nachdem wie die Stimmung und die Atmosphäre im Saal ist. Der ganze Abend ist ja ein Miteinander mit dem Publikum, da muss man flexibel sein und sich der Situation anpassen. Manchmal ist das Publikum bereit, drei oder vier Zugaben zu hören und manchmal sind sie schon nach einer zufrieden. Aber solange sie noch applaudieren, würde ich nicht in meine Garderobe gehen, das wäre unverschämt. Das ist nun mal die Art, wie das Publikum sich bedankt und ich reagiere dann darauf. 

 

…barfuß Klavierspielen

Das mache ich seit ungefähr zwei Jahren. Begonnen hat das mit einem historischen Flügel, auf dem früher Liszt gespielt hat. Da kam ich in High-Heels zur Probe, bekam meine Knie aber wegen der hohen Absätze nicht unter die niedrige Tastatur. Es blieb mir nichts anderes übrig als die Schuhe auszuziehen. Da ich immer lange Kleider trage, fällt das nicht jedem auf, aber es fühlt sich einfach besser an. Auf der Bühne ist es außerdem meistens sehr heiß, da ist es schon mal schön, wenn man kalte Füße bewahren kann.

 

…das Leben in Japan nach Fukushima

Es ist unglaublich, was für einen Willen und was für eine Kraft die Japaner haben. Ich habe im Februar 2012 einige Benefiz-Konzerte in Fukushima gegeben, ich habe komplett zerstörte Ort besichtigt. Das sind Dinge, die man mit eigenen Augen sehen muss, ansonsten wird man nicht verstehen, was in den Menschen dort vorgeht. Mich hat sehr beeindruckt, mit welcher Liebe sich die Menschen dort begegnen und mit welcher Selbstlosigkeit sie einander helfen. Davon können sich viele Länder eine Scheibe abschneiden.

Termine

Auch interessant

Rezensionen

Klassik in Ihrer Stadt

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!