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Interview Anne-Sophie Mutter

„Im August breche ich endlich nach Botswana auf“

Seit 25 Jahren kann Anne-Sophie Mutter und Lambert Orkis nichts trennen. Nun gehen die beiden auf „Silber-Tournee“ und erfüllen einen Kindheitstraum der Geigerin

vonChristoph Forsthoff,

Das eigentliche Jubiläums-Datum liegt zwar bereits ein paar Monate zurück, doch welches andere Duo kann schon auf 25 gemeinsame Bühnen-Jahre zurückblicken? Grund genug also für Anne-Sophie Mutter und „ihren“ Pianisten Lambert Orkis, im Wonnemonat Mai 2014 nicht nur „The Silver Album“ zu veröffentlichen, sondern auch auf eine „Silber-Tournee“ durch Deutschland zu gehen. Zuvor hat concerti den Weltstar getroffen und eine äußerst entspannte und fröhliche Geigenvirtuosin erlebt.

Jede dritte Ehe hierzulande wird nach durchschnittlich 14,5 Jahren geschieden – Sie sind auf der Bühne nun schon ein Vierteljahrhundert mit Lambert Orkis zusammen: Was ist das Geheimnis dieser langen Partnerschaft?

Naja, nun ist es ja keine Ehe, sondern es ist eine musikalische Partnerschaft (lacht). Er selbst führt seit vielen Jahren eine offensichtlich irrsinnig glückliche Ehe und führt dies auf einen Ratschlag seines Vaters zurück, der ihm mit auf den Weg gegeben habe: Wenn Du heiratest, musst Du nicht 50 Prozent investieren und die anderen 50 Prozent von deiner Frau erwarten, sondern du musst 200 Prozent investieren. Und in gewisser Weise ist unsere musikalische Beziehung ähnlich, da wir nicht nur an unsere eigenen musikalischen Wünsche denken, sondern den Partner genauso im Auge und im Ohr haben.

Wie sieht das konkret aus?

Wir versuchen uns gegenseitig zu helfen, unsere Klang-, Phrasierungs- und Tempovorstellungen zu realisieren und auch bei schwierigen Passagen einem Trapezseil-Artistenpaar gleich in die richtige Position zu kommen, um eine virtuose Passage wirklich in ihrer ganzen Brillanz spielen zu können.

Vor diesem Tanz auf dem Hochseil steht indes der ganz normale (Proben) Alltag …

… und auch dort hat unsere Kooperation natürlich sehr viel mit gegenseitiger Rücksichtnahme und Respekt zu tun. Es gibt einfach kaum Reibungsflächen, wenn Eckpfeiler wie Arbeitsethik, Leidenschaft und das gemeinsame Ziel im Vordergrund stehen und man sich nicht darüber streiten muss, wie lange man probt, oder ob man morgens pünktlich am Taxi erscheint (lacht). So können wir uns auf das Wesentliche konzentrieren.

Das klingt, als hätte es in 25 Jahren noch nie eine Auseinandersetzung zwischen Ihnen gegeben.

Natürlich diskutieren wir – und besonders, was das Wiener Repertoire angeht, kommen wir aus zwei ganz unterschiedlichen Richtungen. Lambert hat sehr viel von der informierten Aufführungspraxis mitbekommen, hat sein Smithsonian Castle Trio und spielt auf historischen Instrumenten. Das hat mir etwa unglaublich wichtige Phrasierungs- und Tempoimpulse gegeben, aus denen sich dann wiederum ganz neue interpretatorische Ansätze ergeben haben.

Und umgekehrt?

Ich hoffe, dass ich ihm in anderem Repertoire, in dem er sich vielleicht nicht so zuhause fühlt, etwas über Klang-Farben und Architektur sagen kann. Zudem teilen wir natürlich die Leidenschaft für die zeitgenössische Musik – kurz: Es gibt viele Ansätze, in denen wir einander mit Interesse zuhören und feststellen: Oh, das wusste oder kannte ich nicht, lass uns dies mal ausprobieren.

Und dabei haben Sie sich wirklich noch nie gestritten?

Nein – wohl auch, weil Musiker generell sehr harmonieliebende Menschen sind. Zwar sind wir beide sehr temperamentvoll, aber es ist uns in dieser musikalischen Beziehung immer gelungen, Diskussionen ganz sachlich und mit großer Aufmerksamkeit zu führen, ohne dass die Fetzen flogen.

Abgesehen vom gegenseitigen Respekt, woher rührt diese Einvernehmlichkeit?

Wir sind beide sehr neugierig und nehmen den anderen wirklich immer ernst – auch wenn er mir zum tausendsten Mal den Unterschied zwischen zwei Vogelarten zeigt, den ich einfach nicht sehen kann … (lacht)

Zwischen zwei Vogelarten?

Ja, wir sitzen auf unseren Tourneen nächtelang vor seinem Laptop, und dann zeigt er mir seine Bilder. Denn er ist inzwischen ein fantastischer Fotograf geworden und eben auch Hobby-Ornithologe – was man nicht so alles lernt in einer musikalischen Partnerschaft… (lacht). Und seine Anregungen haben auch dazu geführt, dass ich nach vielen Jahrzehnten des Wunsches nun endlich auch nach Botswana aufbreche!

Anne-Sophie Mutter zieht es nach Afrika?

Es gibt aus meinen Kindertagen einen Fernsehbeitrag, da habe ich auf die Frage, was ich mir wünsche, als Neunjährige stolz in die Kamera getrötet: Dass ich immer eine gute Geige habe, ein ferngesteuertes Auto – das bekam ich zu meinem 50. Geburtstag – und eben eine Afrika-Reise (lacht). Und auch die geht auf Lamberts Anregung zurück, da er 2013 dort mit einem professionellen Foto-Team eine Foto-Safari unternommen hat.

Wann brechen Sie nach Botswana auf?

Im August. Mit meinen Kindern unternehme ich ja so einige Reisen, aber das ist eine, auf die wir uns alle drei, und ich ja offensichtlich schon länger (lacht), sehr freuen. Wir sind in drei verschiedenen Camps und werden die Flora und Fauna studieren und ich könnte mir vorstellen, dass ich danach eigentlich gar nicht mehr zurück will.

Was hat Sie als Kind so an Afrika fasziniert?

Ich habe Grzimek-Sendungen gesehen, Ende der 70er Jahre war er ja jeden Sonntag auf dem Bildschirm. Wir durften zwar generell nicht fernschauen, nur für diese eine Sendung in der Woche wurde eine Ausnahme gemacht und da haben sich natürlich diese Berichte unglaublich eingebrannt.

Zurück zur Musik – wie hat sich Ihre Zusammenarbeit mit Lambert Orkis über die Jahre verändert?

Wir sind musikalisch viel freier. Das Schöne ist, dass wir nach 25 Jahren nicht nur nach wie vor gemeinsam musikalisches Neuland entdecken – ob das nun zeitgenössische Musik ist oder Standardrepertoire, das wir zusammen oder auch einzeln noch nicht gespielt haben – sondern teilweise auch wie jetzt auf dieser Jubiläumstournee zurückkommen auf Repertoire wie Beethovens „Kreutzer-Sonate“, die wir besonders gern und intensiv gemeinsam erlebt haben.

Und über die Werksauswahl hinaus, wie hat sich da Ihr Miteinander auf der Bühne verändert?

Zweifellos sind wir experimentierfreudiger geworden – wenn am Abend ein musikalischer Gedanke aufkommt, der noch nicht diskutiert wurde, dann kommt der eine schon mal vom Weg ab und der andere stürmt hinterher. Das ist sehr aufregend, aber dafür muss eben das musikalische Vertrauen erstmal vorhanden sein, muss ich wissen und mich darauf verlassen können, dass der andere reagiert. Denn nichts ist schlimmer, als wenn man Plan B vorschlägt und der Partner auf Plan A beharrt: Das ist der Tod jeder Zusammenarbeit.

Ordnen Sie sich bei solchen Experimenten auch mal unter? Wer Sie auf der Bühne erlebt, vermag sich das nur schwer vorzustellen …

… man hört doch immer zu! Während ich eine tragische musikalische Idee als Solistin vortrage – etwa im Brahms-Konzert – höre ich ganz genau hin, was um mich herum passiert, denn einen Augenblick später füge ich mich wieder in die Orchesterstimme ein, wenn etwa die Oboe einen musikalischen Leitgedanken übernimmt. Und durch das, was ich dann höre, verändert sich wiederum mein musikalischer Gedanke …

… zumindest, wenn dieser sie überzeugt. Und was vermag den Menschen Anne-Sophie Mutter zu beeindrucken?

Ich bin immer fasziniert von Menschen, die sich leidenschaftlich in ein Thema vertiefen. Das kann ein Koch, Gärtner oder Neurologe sein – oder eben auch die Vögel von Lambert (lacht). Mich fasziniert, wenn sich ein Mensch wirklich auf etwas einlässt, etwas weiß und Dingen auf den Grund geht.

Versiert sollte derjenige also schon in seiner Leidenschaft sein, um Sie zu beeindrucken?

Mit der Leidenschaft kommen ja die Fähigkeit und der Wille, sich zu vertiefen, und mit dieser Vertiefung oft auch eine Meisterschaft. Doch selbst wenn solch eine Leidenschaft noch im Anfangsstadium ist, habe ich dafür großen Respekt, wenn sich jemand wirklich in etwas hineinknien kann und will.

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