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Blickwinkel: Barbara Lebitsch

„Man kann sich jetzt neu positionieren“

Barbara Lebitsch hat als Künstlerische Betriebsdirektorin der Elbphilharmonie aufwühlende Monate hinter sich. Zu Beginn der nächsten Konzertsaison werden Besucher sich auf ungewohnte Konzertverhältnisse einstellen müssen.

vonSören Ingwersen,

Frau Lebitsch, wie haben Sie den Shutdown der Kultur an der Elbphilharmonie erlebt?

Barbara Lebitsch: Wir wurden aus einer extrem aktiven und dichten Saison herausgerissen, hatten uns gerade auf unser Osterfestival zum Thema „Seidenstraße“ vorbereitet, für das alle Künstler schon in den Startlöchern standen. Der Übergang ins Musikfest hätte dann einen weiteren Höhepunkt der Saison markiert. Dass das alles nicht stattfinden konnte, war ein großer Schock und stellte uns vor große Herausforderungen.

Nach Ansage des Senats sind bis Ende Oktober in geschlossenen Räumen maximal 650 Besucher erlaubt. Was bedeutet das für Ihre Planung?

Lebitsch: Aufgrund der Distanzregeln, an die wir unseren Saalplan anpassen müssen, erreichen wir diese Obergrenze gar nicht. Um wenigstens annähernd zwei Drittel der Gesamtkapazität des Großen Saals ausnutzen zu können, doppeln wir die Programme wann immer dies möglich ist. Dafür müssen wir zum Teil aber auch die Programme neu planen, denn die Distanzregeln gelten eben-so auf der Bühne und lassen bestimmtes Repertoire gar nicht zu. Wir haben zudem ein penibles Hygienekonzept erarbeitet. Der Einlass wird länger dauern, die Konzerte sind kürzer und haben keine Pause. Wir vertrauen aber darauf, dass das Publikum entspannt mit der veränderten Situation umgehen wird und die Kraft der Konzerte für den ungewohnten Ablauf entschädigt.

In finanzieller Hinsicht lassen sich auf diese Weise sicher keine schwarzen Zahlen schreiben. Ein Faktum, vor dem man derzeit die Augen verschließt?

Lebitsch: Wir bewegen uns da auf einem schmalen Grat. Wenn man es nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, wären solche Konzerte nicht durchführbar. Aber die Elbphilharmonie ist gebaut worden, damit dort Konzerte stattfinden. Auch die Nachfrage vonseiten des Publikums ist vorhanden. Im Mittelpunkt steht derzeit für uns alle, dass wir das Haus wieder bespielen und zum Klingen bringen wollen.

Der Shutdown scheint nicht zwangsläufig eine künstlerische Stagnation nach sich zu ziehen? Stimmt es, dass viele Ensembles und Kammerorchester derzeit ihre generelle inhaltliche Orientierung neu überdenken?

Lebitsch: Da hat sich eine ganz interessante Dynamik entwickelt, weil Corona jede denkbare Routine außer Kraft gesetzt hat. Ich möchte nichts schönreden. Es ist eine extrem schwierige Zeit für alle, die in diesem Bereich auf oder hinter der Bühne arbeiten. Gleichzeitig bietet diese tiefgreifende Krise aber auch die Chance, sich neu zu positionieren und zu hinterfragen, wie der Betrieb im Ganzen eigentlich läuft und ob er nicht auch anders laufen könnte. Das gilt für die Musikschaffenden ebenso wie für die Veranstalter und letztlich auch für das Publikum. Ich hoffe, dass diese Auseinandersetzungen und Diskussionen lebendig bleiben, auch wenn Corona hoffentlich irgendwann vorbei sein wird.

Wird Corona auch Langzeitfolgen für die Bespielung der Elbphilharmonie haben? Etwa durch eine stärkere Fokussierung auf lokale Interpreten?

Lebitsch: Häuser wie die Elbphilharmonie werden gebaut, um auf höchstem künstlerischem Niveau viele unterschiedliche musikalische Bereiche zu präsentieren. Das lässt sich allein mit lokalen Musikern nicht bewerkstelligen. Die lokale Szene ist bei uns ohnehin sehr präsent und wird es mit Sicherheit bleiben. Im Übrigen wollten wir auch in der Vergangenheit schon nicht, dass jemand für nur ein Konzert quer durch die Welt zu uns fliegt. Wir suchen daher immer nach Synergien mit anderen Veranstaltungsorten in Europa, um den Aufwand zu verringern und für alle einen Mehrwert zu schaffen. Und auch die Künstler und Ensembles werden sich künftig vermutlich noch viel genauer überlegen, ob und unter welchen Umständen internationale Tourneen wirklich sinnvoll sind.

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