Herr Kilger, durch die pandemiebedingten Veranstaltungsverbote sind Ihnen etliche Verträge geplatzt. Konnten Sie Ihre Verluste nicht durch die bereits vorhandenen Corona-Hilfsprogramme kompensieren?
Martin Kilger: In der Klage geht es um die ersten drei Monate des Shutdowns. In dieser Zeit gab es 9000 Euro Soforthilfe, die aber mit den eigenen Ausgaben verrechnet werden musste, wobei diese nicht einmal in voller Höhe anerkannt wurden. Geld zum Leben bleibt dabei also nicht übrig, ich habe im Gegenteil immer noch ein Minus zu verzeichnen.
Die Länder bestreiten die Rechtmäßigkeit ihrer Veranstaltungsverträge und bezweifeln, dass die Absagen aufgrund der Corona-Bestimmungen erfolgt sind? Welche Anhaltspunkte wurden für diese Zweifel angeführt?
Kilger: Dass infrage gestellt wurde, dass unsere Konzerte wegen der Corona-Bestimmungen abgesagt werden mussten, ist demütigend. Es ist faktisch ganz klar, dass die Veranstaltungen aus diesem Grund nicht stattfinden konnten. Es gibt auch Verträge, die ich nachgereicht habe. Im Wesentlichen müssen Richter und Anwälte den Punkt klären, ob es sich bei diesem enteignungsgleichen Eingriff um ein „Sonderopfer“ handelt, für das wir Künstler im Sinne der Allgemeinheit zurücktreten und dann auch eine entsprechende Entschädigung verlangen können.
Sie geben an, durch die Corona-Verordnungen in eine existenzbedrohende Schieflage gekommen zu sein. Aber gilt das nicht auch für viele Selbstständige im Bereich der Gastronomie oder der Tourismusbranche, die dann auch Klagen einreichen könnten? Kann man da noch von einem „Sonderopfer“ sprechen?
Kilger: So ist das auch gedacht. Ich klage ja nicht für mich alleine, und von einem Sonderopfer kann man in jedem einzelnen Fall sprechen, weil jeder einzelne mit großen Problemen zu kämpfen hat. Es macht mich wütend, wenn man das überhaupt in Frage stellt. Es betrifft viele, aber es verdienen auch viele Geld an dieser Pandemie, und ich bin der Meinung, dass die Profiteure die Verluste der anderen durch Steuergelder ausgleichen sollten.
Das Land Baden-Württemberg sieht in der Tatsache, dass Sie Ihre Auftritte nicht wie geplant absolvieren konnten, „ein allgemeines Lebensrisiko“ verwirklicht. Was sagen Sie zu diesem Einwand?
Kilger: Das ist eine milde Umschreibung dessen, was während der Verhandlung angeführt wurde: dass man sich als Richter und Anwalt für Berufe entschieden hätte, die krisensicher sind, und ich als Künstler bei meiner Berufswahl darauf hätte achten können, dass diese mit einem gewissen Risiko verbunden ist. Das ist eine Unverschämtheit! Natürlich geht jeder Künstler ein Risiko ein, weil der Beruf an sich schon schwierig zu realisieren ist. Er geht aber nicht das Risiko ein, dass er irgendwann nicht mehr arbeiten darf, weil eine Corona-Verordnung erlassen wird. Das konnte keiner vorher abschätzen. Deshalb fand ich diese Bemerkung auch ziemlich respektlos gegenüber der gesamten Kunstwelt.
Es geht Ihnen in Ihrer Klage also nicht in erster Linie um das Geld …
Kilger: Ich möchte einen Präzedenzfall schaffen, auf den Künstler und Selbstständige anderer Branchen sich im Zweifelsfall berufen können. Jeder, der die Möglichkeit hat, sollte sich in der Verantwortung sehen, etwas zu tun. Das gilt insbesondere für die sehr erfolgreichen Künstler.