Sie haben das Publikum des Jahres 2020. Was macht die Menschen in Dresden, die Dresdner Konzertbesucher so besonders?
Frauke Roth: Da würde ich an erster Stelle ihre Treue nennen. Unser Publikum kommt teilweise schon seit Jahrzehnten in unsere Konzerte, und auch in der Zeit, als wir keine feste Spielstätte hatten, sind uns viel mehr Menschen als erwartet treu geblieben. Hinzu kommt das große inhaltliche Interesse – viele informieren sich vor dem Konzert sehr genau über das Programm, haben auch schon ein enormes Musikwissen. Und wir haben ein großes und wachsendes Publikum bei unseren Schul- und Familienkonzerten, das sehr begeisterungsfähig ist. Sicher gibt es das in anderen Städten anteilig auch, aber ich denke schon, dass das Dresdner Publikum allgemein eine sehr enge Beziehung zu seinen kulturellen Institutionen hat – und auch vice versa.
Wie verhält sich Ihr Publikum zurzeit?
Roth: Wir können ja zurzeit nur eine eingeschränkte Zahl an Plätzen anbieten. Aber was wir verkaufen können, ist in der Regel ausgebucht, zumindest bisher. Die Hälfte unseres Publikums kommt unverändert in unsere Konzerte, die andere Hälfte zögert oder kommt nicht. Wir haben aber bisher nicht den Eindruck, dass ein Teil des Publikums verloren ist.
Wie versuchen Sie, bei den Besuchern das Vertrauen in den Konzertsaal zurückzugewinnen, das aufgrund des Infektionsrisikos verloren ging?
Roth: Unser Publikum möchte verlässliche Informationen und natürlich Planbarkeit von uns. Soweit das möglich ist, versuchen wir dem mit einer verbindlichen Kommunikation zu entsprechen. Wir wollen in Kürze auch wieder Abos anbieten, wenn auch nur für einen Teil der Saison. Corona hat dazu geführt, dass immer wieder abgesagt oder verschoben wurde, dass Abos ausgesetzt werden mussten und nur kurzfristig verkauft werden konnte. Das war anders nicht möglich, aber auf Dauer behalten wir unser Publikum nur, wenn wir wieder verlässlich sein können.
Sind neue Gruppen im Publikum zu beobachten?
Roth: Wir haben in unseren Konzerten jüngere Menschen, die noch nie da waren, und auch Besucherinnen und Besucher anderer Altersgruppen, die spontan kommen. Eine Tendenz würde ich aber davon noch nicht ableiten. Das muss man weiter beobachten, und das wird auch vom Fortgang der Pandemie abhängen.
Wie stellt sich Ihre Institution auf das veränderte Besucherverhalten ein?
Roth: Noch sind wir ja mitten in der Pandemie, aber natürlich nutzen wir alle analogen und digitalen Wege, um mit unserem Publikum in Kontakt zu bleiben, es gut zu informieren und seine Anliegen ernst zu nehmen. Auch, weil wir überzeugt sind, dass abseits der Pandemie gerade eine große Transformation unserer Szene stattfindet. Damit müssen große Kraftanstrengungen in allen Bereichen – Programmatik, Konzertformate, Kommunikation, Digitalisierung – einhergehen, und zwar bereits jetzt.
Konnten Sie die letzten Monate als Chance nutzen, um andere Wege mit ihrem Publikum zu gehen?
Roth: Wir haben die Zeit genutzt, unseren digitalen Bereich auszubauen, neue Formate zu etablieren, Partner zu suchen und Neues auszuprobieren. Gestreamt haben wir vor Corona schon gelegentlich, das haben wir aber gerade in der Zeit der Lockdowns intensiviert. Wir haben Podcast-Reihen eingeführt, machen digitale Konzerteinführungen, bauen unseren Social-Media-Bereich stark aus und sind natürlich gespannt, was sich davon bewährt. Darüber hinaus geht in Kürze unsere neue Webseite ans Netz. Sie wird eine Art Plattform sein, die natürlich alle Infos, aber auch Clips, Podcasts oder Hörangebote bündelt. Dabei stehen Aktualität, Interaktion und Nutzerfreundlichkeit ganz neu im Fokus.
Welche Erfahrungen mit dem Publikum haben Sie durch die harten Zeiten getragen?
Roth: Die enge Verbundenheit hat sich auf jeden Fall bewährt. Wir hatten viele Rückmeldungen, die uns gezeigt haben, wie wichtig wir mit unserem Angebot für viele Menschen sind. Da gab es sehr bewegende und gleichzeitig Mut machende Zuschriften. Unser Publikum will wissen, wie es unseren Musikerinnen und Musikern gerade in dieser schwierigen Zeit ergeht, und umgekehrt sucht unser Orchester immer wieder den direkten Kontakt zu seinem Publikum. Die Dresdner Philharmonie ist ja als Bürgerorchester stark in der Stadtgesellschaft verwurzelt, daran können wir jetzt anknüpfen. Das unterscheidet uns sicher auch von Häusern, die stark von Touristen oder überregionalen Besuchern abhängig sind.
Was wünschen Sie sich speziell für Dresden und die Menschen hier in Bezug auf das kulturelle Leben?
Roth: Dresden war immer eine Musikstadt und ich wünsche mir, dass uns die Lebendigkeit, das breite Angebot, die Vielfalt der Programme und das insgesamt sehr hohe Niveau in der Kultur hier erhalten bleibt. Zurzeit ist mir besonders wichtig, dass wir bald wieder langfristig verlässlich kommunizieren können – das ist das Recht unseres Publikums, und auf Dauer werden wir unsere enge Beziehung auch nur so erhalten. Und noch etwas anderes halte ich, durchaus auf einen größeren Kontext bezogen, für essentiell: Wir müssen Internationalität ganz neu denken. Schon aus Gründen der Nachhaltigkeit werden wir uns von Einzelgastspielen von Orchestern und der einen oder anderen Tournee verabschieden. Dagegen brauchen wir inhaltlich starke Kooperationen, die die Dresdner Philharmonie gewinnbringend international verankern und die belastbare Partnerschaften begründen. Daran arbeiten wir, und darin sehe ich auf jeden Fall eine wichtige Erkenntnis auch der vergangenen beiden Jahre.