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Blickwinkel: Tilman Schlömp

„Wir schließen mit der Förderung eine lange bestehende Lücke“

„Landmusik“ ist ein Förderprogramm, das der Deutsche Musikrat mit Mitteln des BKM durchführt. Seit Februar ist Tilman Schlömp, parallel zu seiner fünften Amtszeit als Intendant des Kissinger Sommers, Programmleiter der Initiative und erzählt, was er von der Ausschreibung erwartet.

vonSusanne Bánhidai,

„Landmusik“ ist mehr als das Kuhglockenorchester in Dinslaken. Was hat es mit dieser Initiative auf sich?

Tilman Schlömp: Mit diesem Programm soll die Entwicklung im ländlichen Raum gefördert werden. Es fußt auf drei Säulen. Zum einen können kulturelle Akteure jeglicher Art unabhängig von der Rechtsform Projekte einreichen, die an einen Ort im ländlichen Raum gekoppelt und öffentlich sind. Unter ländlich versteht man Kommunen unter 20.000 Einwohnern, gerne auch richtige Dörfer. Die zweite Säule ist eine Ehrung für den „Landmusikort des Jahres“, also eine Art Wettbewerb. Die dritte Säule bilden Fortbildungsmaßnahmen für Veranstalter. In Zusammenarbeit mit den Landesmusikakademien bieten wir Workshops und digitale Kurse an. 

Braucht die ländliche Idylle Nachhilfeunterricht in Kultur?

Schlömp: Wir wollen die Musikorganisation auf dem Land professioneller gestalten. Viele kleinere Veranstalter haben vielleicht Schwierigkeiten, einen guten Künstlervertrag aufzusetzen, Haftungsrisiken einzuschätzen, technischen Mehrbedarf zu organisieren oder gute Werbung zu machen. 

Seit einigen Jahren wollen die Menschen wieder mehr raus aufs Land. Die Verdichtung in den Städten scheint ausgebremst, ein Trend, den die Corona-Pandemie noch verschärft…

Schlömp: Der Impuls für „Landmusik“ war jedoch vorher da. Das Programm ist eine direkte Folge des Koalitionsvertrages, in dem festgeschrieben steht, dass die Lebensbedingungen von Stadt und Land einander angeglichen werden sollen. Gleichwertige Lebensverhältnisse sind das Ziel, das Mittel aus dem Bundesernährungs- und Landwirtschaftsministerium freimachte. Die aktuellen Entwicklungen geben uns Recht. Unabhängig von Corona ist „Landmusik” auch ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in der Kultur. Werden viele schöne Projekte fernab der Zentren realisiert, werden etliche tausend Menschen eine Veranstaltung vor Ort besuchen und eben nicht mit ihrem Geländewagen in die nächstgrößere Stadt fahren.  

Fehlt den urbanen Veranstaltern oder den Leuchttürmen in den Metropolen dann nicht genau dieses Publikum?

Schlömp: Dieser Verlust wird nur marginal sein. Natürlich wird jeder Euro nur einmal ausgegeben. Sicher kann es sein, dass man das in der Stadt ein wenig spürt. Aber die Veranstaltungen auf dem Land sind im Verhältnis auch viel kleiner. Selbst wenn alle Kommunen in Deutschland die Ärmel hochkrempeln, wird sich das im einstelligen Prozentbereich abspielen. Da gibt es momentan ganz andere Dinge, die die Branche bedrohen. 

Wie grenzt sich das Projekt von den vielen regionalen Festivals ab, die aufs Land locken?

Schlömp: Gar nicht. Das soll sich ergänzen. Wir haben die Ausschreibung in der Festivalszene breit gestreut. Rein theoretisch könnte sich auch ein Big Player wie das SHMF mit einem Projekt bei uns bewerben, wenn es an einen bestimmten Ort gekoppelt ist. Es muss aber auch durch Kreativität bestechen. 

Eine Jury wählt aus, wer eine Förderung erhält. Worauf wird sie achten?

Schlömp: Inhaltlich legen wir Wert auf Vernetzung der Akteure vor Ort. Wir erwarten interkulturelle Projekte oder solche, die zwischen den Generationen vermitteln. Oder Amateur- und Profi-Musiker zusammenbringen. Wichtig ist auch, dass die Aktionen die Identifikation mit dem Ort erhöhen. Also, dass das Gefühl entsteht, dass da wo ich wohne, gute Kulturveranstaltungen stattfinden, die etwas mit mir zu tun haben. Ein konkretes Beispiel ist ein geplantes Musical, das die lokale Geschichte des Ortes seit Karl dem Großen behandelt – mit Spielmannszügen und Kirchenchören auf der Bühne.  

Wie setzt sich die Jury zusammen? Sind auch Landeier dabei?

Schlömp: Wir haben versucht, uns bezüglich mehrerer Aspekte breit aufzustellen. Die Mitglieder kommen aus unterschiedlichen Gegenden Deutschlands und vertreten diverse Bereiche des Musiklebens. Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Ulrike Liedtke kommen von der Laienmusik-Spezialistin bis zum avantgardistischen Festivalmacher sehr unterschiedliche Blickwinkel zusammen.

Wie ist das zeitliche Prozedere?

Schlömp: Die Ausschreibung läuft bis zum 14. Mai, die Jury tagt direkt im Anschluss. Im nächsten Jahr starten wir pünktlich im Januar für das Jahr 2022. Im laufenden Jahr werden die Projekte erst im Herbst und Winter stattfinden. Wir freuen uns jetzt schon auf eine große Bandbreite an Bewerbungen. Bereits jetzt gibt es reges Interesse. Wir schließen mit der Förderung eine lange bestehende Lücke. 

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