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Blickwinkel: Ulrich Peters

„Händels Oratorien sind tolle Opern“

Ulrich Peters leitet die Internationalen Händel-Festspiele Karlsruhe und ist außerdem seit September 2021 Intendant des Staatstheaters. Welchen Führungsstil Theater brauchen, was es allen Widrigkeiten zum Trotz zu feiern gibt und was er an Georg Friedrich Händel schätzt, erzählt er im Blickwinkel-Interview.

vonSusanne Bánhidai,

Herr Peters, was ist das Highlight bei den diesjährigen Händel-Festspielen?

Ulrich Peters: In diesem Jahr ist unsere zentrale Produktion erneut ein Oratorium von Georg Friedrich Händel, nämlich „Hercules“. 2017 gab es eine „Semele“ und der „Saul“ ist noch viel länger her, vermutlich 1999. Ich finde es unglaublich faszinierend, sich mit diesen Werken zu beschäftigen, denn Händels Oratorien sind ganz tolle Opern. In Corona-Zeiten ein Werk mit Chor – dem Händel-Festspielchor – zu machen, ist riskant, aber das Werk ist einfach großartig und wir halten an den Planungen fest. Unser Herkules wird von Brandon Cedel gesungen, seine Gattin Dejanira von Ann Hallenberg. Eigentlich müsste das Werk nach Dejanira benannt werden, denn sie ist die tragende Figur. Floris Visser, der Regisseur der Produktion, wird das ganz deutlich toll herausarbeiten! In der Wiederaufnahme von Tolomeo, Re di Egitto wird Cameron Shahbazi die Titelpartie singen, auch im Konzertbereich sind einige Stars zu hören. Am Pult erleben wir Attilio Cremonesi, der hier in Karlsruhe zum ersten Mal dirigiert, sowie Barock-Altmeister Stephen Stubbs.

Was tun Sie für die Sicherheit des Publikums?

Peters: Wir haben das 2G Plus-Prinzip, das sehr gut funktioniert. Ein Testzentrum ist in unmittelbarer Nähe des Theaters. Wir dürfen mit einer Saal-Auslastung von fünfzig Prozent spielen und lassen Abstände zwischen den Sitzen und alle Besucher müssen Maske tragen.

Findet die Händel-Akademie statt?

Peters: Ja, wobei sie zukünftig nur noch alle zwei Jahre stattfindet. Ich freue mich schon sehr auf diese Konzerte, insbesondere aber auch auf das Preisträgerkonzert des Händel-Jugendpreises. Jedes Mal kommen so wunderbare Ergebnisse dabei raus, wenn sich diese jungen Talente auf Händel einlassen. Die Händel-Akademie wird mir nächstes Jahr sehr fehlen.

Was für eine Rolle spielt die Händel-Gesellschaft bei den Festspielen?

Peters: Sie unterstützt uns in allen Belangen. Vor allem sorgt sie für eine starke Präsenz der Händel-Festspiele in der Stadt, sie organisiert die Beflaggung und die Carillon-Musik am Rathaus und kümmert sich auch um die Vernetzung zu den anderen Händel-Freunden in Halle und Göttingen. Und natürlich bietet sie grundsätzlich ein Forum, auf dem sich international renommierte Künstler und junge Musiker aus aller Welt treffen und leistet so unverzichtbare Nachwuchsförderung.

Dort gibt es ebenfalls Händelfestspiele. Was ist das Besondere der Händel-Verehrung in Karlsruhe und wie kamen die Festspiele überhaupt in die Stadt?

Peters: Intendant Günter Könemann, der letztes Jahr neunzig Jahre alt wurde, hat die Händel-Festspiele in Karlsruhe 1978 gegründet. Er wurde wie Händel in Halle an der Saale geboren und liebte seine Musik. Er hatte damals den Wunsch, auch in Westdeutschland etwas für die Wiederentdeckung von Händels Werken zu tun, zusätzlich zu den Festspielen in Göttingen. Er setzte dann auf die „Händel-Winterfestspiele“ immer über dessen Geburtstag am 23. Februar. Dieses Datum werde ich bei der Planung für die nächsten Jahre bewusst in den Mittelpunkt stellen und gebührend feiern.

Was bedeutet Händel für uns heute?

Peters: Die Charaktere in den szenischen Werken sind musikalisch und psychologisch unglaublich genau ausgeleuchtet. Außerdem entdecken die Regisseure, genau wie ich selbst bei meinen Händelinszenierungen, immer wieder aktuelle Themen in seinen Werken. Händel lässt uns viele Freiheiten: Während andere Komponisten bei Opern Ort und Zeit genau festlegen, darf man bei Händel interpretieren und aktualisieren. Das verträgt sein Œuvre, weil die Themen tief menschlich und universal sind. So spielt unser Hercules direkt nach dem Zweiten Weltkrieg und es funktioniert ohne Problem und zeigt Händels Aktualität.

Sie leiten nicht nur die Händel-Festspiele, sondern sind seit September 2021 auch Intendant am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Wen oder was brauchen Häuser heute an der Spitze?

Peters: Ich habe eine große Aufgabe übernommen. Ein Prinzipal-Patriarch, der von oben nach unten durchregiert, ist nicht mehr aktuell, man muss sehr viel mehr in den Dialog gehen. Es ist wichtig, alle Mitarbeitenden mitzunehmen und sie in die Entscheidungen einzubeziehen, damit sie sie verstehen und mittragen können. Man braucht mehr Partizipation und man muss transparent kommunizieren. Nur wenn verstanden wird, warum die Dinge so gemacht werden und nicht anders, kann man motivierend führen. Die Autonomie der Spartenleiter ist natürlich unbenommen, aber man muss zwischen den verschiedenen Ebenen Brücken bauen und auch zwischen der Kunst und den Zuschauern. Das muss ein Intendant heute können, aber das ist eigentlich nichts Neues, das haben Häuser immer gebraucht. Wenn man leitet, muss man es mit den Menschen zusammen machen und ich bin ein erklärter Teamplayer, der sich vom Team bei Entscheidungen auch gerne mal umstimmen lässt.

Können Sie das auch bei der Planung der Händel-Festspiele so umsetzen?

Peters: Das hoffe ich. Natürlich bin ich hier mitten in einen Prozess eingestiegen. Insgesamt sind die Festspiele etwas straffer organisiert, allerdings arbeite ich auch hier mit der Operndirektorin Nicole Braunger sehr eng zusammen. Ich brauche Partner, mit denen ich mich beraten kann und dazu gehören natürlich immer auch die Dirigenten der einzelnen Produktionen und Konzerte. Ich muss die Verantwortung am Schluss zwar übernehmen, aber bis dahin muss ich mich austauschen können. Das ist viel besser, als allein im Stübchen vor sich zu grübeln – dabei kommt nicht immer etwas Gutes heraus. Ich kann es nur wiederholen: Es macht Spaß, im Team zu arbeiten und die Expertise vieler als Entscheidungsgrundlage zu haben.

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