Wann und wie ist der Wunsch zu dieser Ausstellung entstanden?
Wulf Herzogenrath: Auf der einen Seite haben wir uns gefragt, welche Themen uns bewegen, das reicht vom Kolonialismus bis hin zum Klima. In Gesprächen mit den Künstlern kommt dann oft der Einwand, dass sie nicht die Politiker und Philosophen seien, die die Weltprobleme lösen könnten. Vielmehr wollen sie etwas ausdrücken und etwas über die Welt sagen. Das kann durch wilde expressive Malerei geschehen oder aber durch eine Reduktion inmitten unserer digitalisierten Bilderflutwelt. Sie eröffnen dadurch eine sensible Sicht, die auch auf den Betrachter übergeht.
Was ist das Besondere an der Ausstellung?
Herzogenrath: Der Atem des Originals ist entscheidend und nicht eine digitale Reproduktion. Besonders bei einem Kunstwerk, auf dem ich eigentlich nichts sehe, wie auf einem weißen Bild auf einer weißen Wand. Und trotzdem ist es von einem Künstler gestaltet. Dafür muss ich aber selbst vor Ort sein und mir das Werk anschauen und erarbeiten – und auf einmal sehe ich ganze Welten darin. Wir haben unterschiedliche Maler, die gestisch, strukturell oder figurativ arbeiten, aber es ist immer ein weißes Bild, auf dem auf den ersten schnellen Blick nichts zu sehen ist. Das lässt sich nicht in einem kleinen Katalog oder im Internet abbilden. Außerdem decken wir eine unglaubliche Bandbreite ab, in Video, Wort, Bild, Klang, Skulpturen und Installationen. Es ist eine wichtige Ausstellung, die eine wichtige Haltung zeigt, aber das erschließt sich erst im Mitmachen und im Sich-darauf-Einlassen.
Wollten Sie mit der Ausstellung auch ein Zeichen gegen die Digitalisierung setzen?
Herzogenrath: Man ist ja nicht gegen etwas, wenn man für etwas ist. Aber natürlich ist die Ausstellung eine Gegenwelt, dennoch nutzen wir alle Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Statt eines Katalogs wird es deshalb eine Internet-Plattform geben mit Künstlergesprächen oder Filmen, auch aus den 1960er-Jahren.
Was hat es mit dem Titel der Ausstellung auf sich?
Herzogenrath: Der ganze Ansatz ist von John Cage, einer der sowohl im Sehen, wie auch im Hören beginnt, das „Nothingtoseeness“ ist bei ihm „Nothingtohearness“. Der Titel beruht auf seiner Frage nach dem Gegenstück zum „Nicht-Hören“ in der Kunst. Das ist das „Nicht-Sehen“, also nothing-to-see.
Wie viel Musik steckt in der Ausstellung?
Herzogenrath: Cages berühmtes Stück 4’33’’ haben wir gleich in verschiedenen Varianten. Auch in einer ganz besonderen Aufführung von Cage selbst, dessen Länge den Besucher überraschen dürfte. In diesem Werk hinterfragt Cage die scheinbare Differenz von Musik und Geräusch, die der einzelne Zuhörer entscheiden muss. Denn müsste man es nicht Musik nennen, wenn das achtjährige Kind Noten von Bach spielt und Geräusch die Vogelstimmen im Wald? Es geht darum nicht nur zu differenzieren, sondern den Betrachter bzw. Zuhörer einzubeziehen und neue Erfahrungen machen zu lassen. Es sind auch Mitglieder der Abteilung Musik in der Ausstellung präsent, wie Peter Ablinger.
Wie würden Sie Stille in der Musik mit Leere in der Kunst vergleichen?
Herzogenrath: Es gehört zusammen. Die Bilder von Robert Rauschenberg haben Cage zu 4’33’’ inspiriert und umgekehrt. Es gibt ja auch in der Kunst keine vollkommene Leere. Die weißen Bilder sind ebenso erfüllt, wie ein vermeintlich stiller Konzertsaal. Da gibt es trotzdem das Knistern des Programmheftes, das Scharren der Füße oder das Surren der Klimaanlage. Ebenso stellen die weißen Bilder nicht nichts dar.
Was erhoffen Sie sich von der Ausstellung?
Herzogenrath: Das scheinbar Gleiche kann ganz andere Ursprünge haben. Wir wollen herausfinden, was Kunst und Künstler umtreibt und was Kunst für uns bedeuten kann – und hoffen darauf, dass die Besucherinnen und Besucher nicht voreingenommen, sondern offen sind und neugierig zu uns kommen.
Weitere Informationen:
NOTHINGTOSEENESS – Leere/Weiß/Stille
15.9.-12.12.2021
Akademie der Künste Berlin