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Interview Daniel Müller-Schott

Wenn Musik zum Bild wird

Daniel Müller-Schott über malende Komponisten, tückische Uraufführungen – und über sein Bedauern, dass Mozart keinen Cello-Virtuosen kannte

vonTeresa Pieschacón Raphael,

Spanien, Estland, Finnland, Polen, England, Neuseeland, Australien, und das alles innerhalb von sechs Wochen: Als einer der international meistgefragten Cellisten seiner Generation ist Daniel Müller-Schott viel unterwegs. Das Interview jedoch fand auf vertrautem Terrain statt, nämlich in seiner Heimatstadt München.

Seit Ihrer Kindheit haben Sie nicht nur eine große Affinität zur Musik, sondern auch zur Malerei.

Ja, unbedingt! Ich habe als Kind Landschaftsbilder gemalt, Sonnenaufgänge, und später als Teenager auch Graffitis mit Schriftzügen und Characters gesprayt in allen Farben. Das Sprayen war ein sehr leidenschaftliches Hobby von mir.

Daniel Müller-Schott
Daniel Müller-Schott © Uwe Arens

Gleichzeitig faszinierte mich die Architektur, mein Onkel ist Architekt. Und ich lernte früh, wie man Skizzen macht, wie man Proportionen in Bilder überträgt.

Sie gehen bis heute auch leidenschaftlich gern ins Museum …

Das stimmt. Die französischen Impressionisten ziehen mich magisch an, vielleicht wegen der intensiven Farben, vielleicht auch, weil die Szenen eher schemenhaft dargestellt werden und viel Raum für Interpretation lassen. Van Gogh, Pissarro, Degas, Monet … Was für großartige Maler! Doch auch die Kunst, hier in München vor unserer Haustür, in Murnau, ist faszinierend. Etwa die Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ um Wassily Kandinsky, Franz Marc und August Macke. Ich habe in meiner Wohnung Repliken davon. Als ich mein erstes Konzert in Oslo gegeben habe, kam ich kaum mehr aus dem Munch-Museum heraus. Sein Bild „Der Schrei” habe ich in seiner Düsternis sofort mit der Musik von Schostakowitsch assoziiert.

Paul Klee, der zunächst Geiger werden wollte, schreibt an einer Stelle: „Immer mehr drängen sich mir Parallelen zwischen Musik und bildender Kunst auf. Doch will keine Analyse gelingen”

Ich glaube, dass es eine Trennung zwischen den Künsten nicht geben kann. Es gibt immer Querverbindungen. Ich finde überhaupt, dass man nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch immer einen offenen Geist behalten und nicht mit einem Tunnelblick durchs Leben gehen sollte.

Paul Klee benannte etliche seiner Bilder nach musikalischen Gattungen und Kompositionstechniken, wie etwa „Fuge in Rot” von 1921, „Polyphon gefasstes Weiss” von 1930 oder „Im Bachschen Stil” von 1919.

Daniel Müller-Schott
Daniel Müller-Schott © Uwe Arens

Wenn ich Dirigenten, Musikern oder Pädagogen zuhöre, dann sprechen sie meist auch in Bildern, in Farben, in Assoziationen. Vielleicht weil dies den Schüler emotional am meisten anspricht. Ich war gerade in Warschau mit dem SWR Symphonieorchester auf Tournee und habe dort das Chopin-Museum besucht. Da fiel mir wieder auf, wie unglaublich vielseitig gebildet die Komponisten damals waren. Chopin etwa war auch ein talentierter Maler, er hat Städte skizziert und Freunde porträtiert. Doch auch Felix Mendelssohn Bartholdy war ein wunderbarer Landschaftsmaler, der die Eindrücke seiner Reisen in Aquarellen festhielt.

Kandinsky und Schönberg standen im Briefwechsel, und die Musik von Schönberg soll Kandinsky zu einem seiner ersten abstrakten Bilder, „Impression III (Konzert)”, inspiriert haben …

Das ist sehr interessant zu hören!

Pierre Boulez wiederum, der sich auf Rat von Stockhausen sehr mit der Kunst von Paul Klee beschäftigte, fand, dass es nicht eine direkte Übersetzung von einer Kunst in die andere geben könne, aber eine Korrespondenz, einen Austausch, eine Art Osmose.

Ja, es bleibt alles abstrakt. Wobei es jeder sehr subjektiv empfinden wird, Erfahrungen im Leben spielen eine große Rolle bei der Wahrnehmung eines Bildes oder einer Komposition. Man wird die Werke immer wieder, je nach Lebensphase, anders betrachten und gleichzeitig mit Erinnerungen verbinden, die man seit der letzten Begegnung hatte. Und das gilt für die Kunst und die Musik.

Haben Sie schon einmal zu einem Musikstück gemalt?

Das habe ich bisher noch nicht getan, aber ich wollte es irgendwann einmal machen.

Dann lassen Sie uns das jetzt einmal zumindest in der Imagination machen.

Eine gute Gelegenheit!

Nehmen wir Ihr Repertoire aus diesem Festival Sommer 2017: zwei Bach-Suiten sind darunter …

Dazu würde ich wohl eine höfische Szene gestalten, die sich mit den stilisierten Tanzsätzen von Bach decken würde. Auch die Architektur der Zeit, in der Bach diese Stücke komponierte, würde eine Rolle spielen. Um 1725 war das, und auch mein Instrument, das „Ex Shapiro“ Matteo Goffriller Cello, wurde zu dieser Zeit, 1727, in Venedig gefertigt. Auch das könnte eine Rolle spielen. Es könnte also eine opulente, feierliche Szene sein, die von Köthen nach Venedig führt.

Mit Julia Fischer und Herbert Schuch musizieren Sie an unterschiedlichen Orten Tschaikowskys Trio für Klavier, Violine und Violoncello a-Moll op. 50 und Beethovens „Erzherzog-Trio” op. 97.

Zu Tschaikowskys Trio, das in der russischen Tradition einem verstorbenen Freund, „A la mémoire d’un grand artiste“, gewidmet ist, stelle ich mir ein sehr opulentes Bild der russischen Landschaft vor. Vielleicht auch eine Theaterszene. Bei Beethoven wäre es dagegen eher eine Architektur, weil das Werk faszinierend aufgebaut und strukturiert ist. Gebäude im Übergang von Rokoko zu Klassizismus aus der Zeit beispielsweise, es könnte in Wien sein. Ich habe dort studiert und bin auf den Spuren von Beethoven gewandelt und damals oft stundenlang durch die Straßen spaziert.

Zwei Sonaten haben Sie außerdem im Gepäck.

Ja, Zoltán Kodálys Opus 8, ein unglaublich schwieriges Stück, das er 1915 komponierte und durch die Scordatur (eine von der Norm abweichende Saitenstimmung, d. Red.) ganz neue instrumentale Möglichkeiten bot. Die ungarische Volksmusik und das Ursprüngliche sind hier wichtig, ich würde dies gerne in einer bildlichen Szene einfangen. Und da ist noch Prokofjews Sonate cis-Moll op. 134, ein unvollendeter Satz, den Vladimir Blok komplettierte. Unter den Cellisten ist das Werk kaum bekannt. Rostropowitsch machte mich auf das Stück aufmerksam, dem ich ja als 17-Jähriger begegnete.

Daniel Müller-Schott
Daniel Müller-Schott © Uwe Arens

Zudem spielten Sie vor einigen Wochen in Neuseeland Robert Schumanns Cellokonzert.

Eines der tiefgründigsten Konzerte überhaupt. Ein Kuriosum ist dabei die Entstehung. Der Cellist Emil Bockmühl, der es zur Aufführung bringen sollte, fand es technisch zu schwer und „unpracktikabel“ und erfand abenteuerliche Ausreden, um ja nicht damit auftreten zu müssen. Immer wieder bat er Schumann um Änderungen, und am Ende drohte er ihm sogar: „Sollten Sie unsere Wünsche nicht erfüllen, so werden Ihnen alle Violoncellisten Nachts im Traum erscheinen und mit ihren Bogen drohen“. Schumann ließ sich davon überhaupt nicht beeindrucken und änderte nichts.

Wie sähe denn jetzt das Bild aus der Sicht Bockmühls aus?

Etwas bizarr und dunkel sicher.

Kennen Sie solche Situationen auch?

Bei Peter Ruzickas Cellokonzert, das er mir widmete, kam ich zunächst nicht weiter und dachte mir: „Das wird nicht funktionieren.“ Doch je mehr ich mich reingekniet habe, umso mehr hatte ich den Eindruck, dass sich die Synapsen im Gehirn verbinden und dass ich eine Lösung finden kann. Gerade anfangs befindet man sich oft im luftleeren Raum, ohne zu wissen, wohin die Reise führt. Dieser innere Zweifel ist genau das, was einem hilft, sich weiterzuentwickeln.

Haydns Cellokonzert Nr. 2 in D-Dur steht auch auf Ihrem Programm.

Da steht die Virtuosität sehr im Zentrum des Stückes, auch das Miteinander unter den Musikern. Die Virtuosität und auch Gesanglichkeit würde ich versuchen, in Szene zu setzen.

Haydn komponierte es für den Cellovirtuosen Antonín Kraft.

Die Geschichte hat gezeigt, dass Komponisten oft einen Virtuosen brauchten, um neue Inspiration für ein bestimmtes Instrumentalkonzert zu finden. Besonders bedauerlich, dass Mozart nicht einem solchen Musiker wie Kraft begegnete, sonst würde es wohl heute Mozart-Cellokonzerte geben. Ich finde es faszinierend, wenn Künstler und Komponist lebendig miteinander umgehen: Es kann gestritten, gelacht oder gerungen werden, immer mit dem Ziel die beste finale Version zu finden.

Daniel Müller-Schott
Daniel Müller-Schott © Uwe Arens

Sie zählen heute zu den besten Cellisten der Welt, mehrere Konzerte wurden Ihnen gewidmet. Umgekehrt bearbeiten Sie manches Konzert für Ihr Instrument …

… auch um das Cello-Repertoire zu erweitern. Für meine neue CD habe ich ein Violinkonzert von Haydn sowie Mozarts Flötenkonzert für Cello umgearbeitet. Und ich habe Werke von Johann Sebastian und Carl Philipp Emanuel Bach für das Cello adaptiert.

Daniel Müller-Schott spielt Saint-Saëns:

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