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Kurz gefragt Gidon Kremer

„Es geht um die Botschaft“

Gidon Kremer gilt als großer Entdecker unter Musikern unserer Zeit. Ihm geht es um den Blick in die Seele. Hier spricht der Geiger über …

vonMatthias Spindler,

… Inspiration 

Um inspiriert zu sein, muss man offen sein, muss Vorbehalte und Vorurteile abbauen. Nur das Unbekannte, das einen anzieht, sorgt auch dafür, dass man weiterhin inspiriert bleiben kann. Wenn man sozusagen alles weiß oder kann und voreingenommen den Weg weitergeht, dann ist da nicht viel Inspiration drin. Nur ein Mensch, der offen ist, der so tut, als ob er nichts weiß und der kein Zyniker ist, kann inspiriert werden.

… Eislers berühmtes Zitat „Wer nur etwas von Musik versteht, versteht auch davon nichts“

Um Musik zu machen, geht es nicht nur um Fingersätze, Bogenstriche oder einen schönen Ton. Es geht um etwas Größeres als zum Beispiel das Violinspiel: Es geht um eine Art Bekenntnis zum Leben. Die Aufgabe der Musik ist zu dienen – und nicht, diese nur für uns selbst auszunutzen. Generell ist Einschränkung in jedem Lebensbereich gefährlich, weil man sich dann zu sehr mit Perfektionismus beschäftigt – dabei geht es doch vor allem in der Musik um etwas ganz anders: Es geht um die Botschaft.

… die Kremerata Baltica 

Ich freue mich, daß ich seit über 17 Jahren dieses Ensemble betreue. Ich habe zwar nie an einer Hochschule unterrichtet, aber wenn man so will, ist die Kremerata Baltica zu meiner eigenen Akademie geworden. Ob mit mir oder ohne mich: Mir ist wichtig, dass die Kremerata Baltica eine Zukunft hat. Dass sie eine Gegenwart hat, ist durch viele Aufnahmen und Projekte belegt und einiges davon wird in Dresden und bei den Schostakowitsch-Tagen in Gohrisch zu erleben sein.

… Lampenfieber 

Das ist etwas, was nicht nur mit Nervosität zu tun hat. Lampenfieber ist eine Art von Konzentration, würde ich sagen, wo man sich sehr mobilisieren muss vor einem Konzert oder einem wichtigen Gespräch. Es geht um das Wesentliche mit dem Ziel, sich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken zu lassen.

… seine Berufung zum „Capell-Virtuos“ der Sächsichen Staatskapelle in dieser Saison 

Für mich ist es eine Riesenfreude, enger mit der hervorragenden Staatskapelle und Christian Thielemann zusammenzuarbeiten, auf Tournee wie in Dresden. Meine Verbindung mit der Staatskapelle geht zurück auf einen Auftritt des Orchesters in meiner lettischen Heimat so um 1963. Damals hatten einige Mitschüler und ich Freundschaft mit einigen Musikern geschlossen, wir haben ihnen vorgespielt und ihnen die Stadt gezeigt. Als sie wieder abgereist waren, wurden wir in der Schule beschuldigt, Kontakte mit Ausländern zu pflegen. Das war damals ziemlich dramatisch.

… Paganini-Filme

Zu dem Film Paganini‘s Daemon habe ich fast die ganze Musik eingespielt. Doch bei aller Verehrung für diesen Großmeister des Violinspiels denke ich auch daran, dass er einer der ersten Showmen war. Heute wird durch das Business, Events und Shows fast alles übertrumpft, und insofern würde Paganini in unsere Zeit vielleicht genauso gut wie David Garrett passen. Auf jeden Fall war er ein außergewöhnlicher Mensch – und solche Persönlichkeiten, die sich von der Masse unterscheiden und eine Handschrift haben, haben mich stets beschäftigt.

… Freunde 

Zum einen sind da, wie schon erwähnt, die Freunde in Dresden. Dann gibt es Freunde der Jugend und solche auf der ganzen Welt, die ich zu selten sehe und mit denen ich in der Stille zusammen bin. Freunde sind für mich sehr, sehr wichtig und ich bedaure, dass ich ihnen sehr viel schuldig geblieben bin.

… Mieczysław Weinberg

Dieser Komponist beschäftigt mich derzeit sehr. Mit der Kremerata Baltica haben wir schon ein Dutzend seiner Werke im Repertoire. Ich selbst habe zu meinem Bedauern Weinbergs Musik lange verkannt, aber Gott sei Dank ist es nicht zu spät, das jetzt nachzuholen. Er ist einer der wirklich großen Komponisten des 20. Jahrhunderts, der stets etwas zu sagen hatte. Man  muss ständig wach sein für die Musik, die entsteht. Ich selbst bekomme Hunderte von Partituren zugeschickt und muss mich dafür entschuldigen, dass ich nicht alles aufführen kann. Aber es bleibt mir ein Motor, wie ich auch weiterhin der Musik nützlich sein kann.

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