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Interview Cornelius Meister

„Ich fühle mich bereits heimisch“

Cornelius Meister feiert in diesem Monat seinen Einstand 
als GMD der Oper Stuttgart – und würde gerne den Ruf des Hauses als „Winter-Bayreuth“ neu beleben.

vonFrank Armbruster,

Cornelius Meister ist noch in der Probe der Staatsoper Stuttgart. Zeit, sich etwas im dortigen Besprechungszimmer umzuschauen, wo das Interview stattfinden soll. Der schöne Stuck an der Decke ist von Rissen durchzogen, an manchen Ecken blättert die Farbe ab. Nicht nur hier sieht man, dass das 1912 eröffnete Opernhaus von Max Littmann schwer renovierungsbedürftig ist. Doch die Planung für Sanierung und Umbau der Oper zieht sich seit Jahren hin, nicht zuletzt, weil immer noch kein geeignetes Ausweichquartier gefunden ist. Dann kommt Cornelius Meister durch die Tür.

Herr Meister, in diesem September übernehmen Sie
 als GMD die musikalische Leitung der Staatsoper Stuttgart. Zeitgleich mit
 Viktor Schoner als neuem Intendanten stehen Sie damit für eine Zäsur am größten Dreispartenhaus Europas.
Was haben Sie sich für diese Aufgabe vorgenommen?


Cornelius Meister: Mir ist sehr wichtig, dass ein Programm nicht globalisiert beliebig, sondern für dieses Haus erdacht wird. Dafür habe ich mich intensiv mit der Tradition der Staatsoper Stuttgart beschäftigt. Das Staatsorchester feiert dieses Jahr sein 425-jähriges Jubiläum. Da wäre es vermessen, wenn ich, der ich neu dazu komme, mit einer vorgefertigten Meinung hierher käme. Ich möchte die Tradition aufnehmen und daraus etwas Neues entwickeln. Unser Spielplan beginnt mit „Lohengrin“, also jener Oper, mit der dieses Gebäude 1912 eröffnet wurde. Es ist ja bekannt, dass Stuttgart über einen sehr langen Zeitraum einen Ruf als „Winter-Bayreuth“ besaß. Es wäre schön, wenn wir an diese Tradition anknüpfen könnten.

Was hat Sie dazu bewogen, wieder eine Stelle am Theater anzunehmen? Sie hätten ja auch auf eine attraktive Stelle als Chefdirigent eines großen Orchesters warten können. Was bedeutet Oper für Sie?

Meister: Nach acht Jahren bei einem Sinfonieorchester war es mir ein großes Bedürfnis, wieder aktiv Einfluss auf die Spielplangestaltung und die Entwicklung eines Ensembles nehmen zu können. Die Betreuung und Unterstützung des Ensembles ist für mich eine zentrale Aufgabe eines Generalmusikdirektors. Wenn ich bei einer Produktion nicht selbst dirigiere, ist es mir umso wichtiger, dass die Kollegen mindestens gleich gute, wenn nicht sogar bessere Bedingungen haben.

Wie wollen Sie das erreichen?

Meister: Nachdem klar war, dass ich nach Stuttgart komme, habe ich mit dem neuen Intendanten Viktor Schoner und mit Mitgliedern des Ensembles viele Gespräche geführt. Wo wollen wir überhaupt hin? Was ist unser Ziel? Diese Fragen waren für mich entscheidend, und der Weg dahin ist dann der zweite Schritt.

Können Sie dieses Ziel umschreiben?


Meister: Zunächst: höchste Qualität in allem, was wir tun. Dabei sollte ich mich als Dirigent bemühen, ein Vorbild zu sein – nicht nur was das Dirigieren, sondern auch was eine bestimmte Lebensführung anbelangt. Wir haben über die Tradition des Hauses gesprochen – einerseits die zurückliegende, aber auch die jüngere. Stuttgart war wiederholt Opernhaus des Jahres, der Chor war Chor des Jahres. Auszeichnungen wie die der „Opernwelt“ sind nicht der Grund, warum wir diese Arbeit machen. Aber sie sind doch eine Bestätigung, dass dieses Haus international sehr geschätzt und beachtet wird. Ich suche dabei immer den Austausch mit den Regisseurinnen und Regisseuren. Eine Aufführung beglückt mich nur dann, wenn auch das Gesamtergebnis beglückend ist. Nur zu sagen: Das Orchester hat schön musiziert, das würde mir nicht reichen. Ein Opernabend ist ein Gesamtkunstwerk.

Wie haben Sie Viktor Schoner kennengelernt?

Meister: Wir kennen uns schon sehr lange. Er gehört zu den Gründern der „Akademie Musiktheater heute“ – einer Stiftung, die junge Dirigenten, Regisseure und Bühnenbildner zusammenbringt. Ich war von 2001 bis 2003 Stipendiat des ersten Jahrgangs, da habe ich Viktor Schoner kennengelernt.

Welche programmatischen Schwerpunkte wollen Sie in
 der Oper setzen?

Meister: Es ist kein Zufall, dass die zweite Neuproduktion Hans Werner Henzes „Der Prinz von Homburg“ sein wird. Einerseits als Verneigung vor der großen Henze-Tradition, die dieses Haus ja besitzt. Andererseits ist es eine Verneigung vor all den Opernstoffen, die sich auf Weltliteratur beziehen. Kleists Stück ist ja gerade für unsere heutige Zeit ein ganz wichtiges Drama.

Cornelius Meister

Das Repertoire der Opernhäuser ist ja recht begrenzt auf einen Kern von Meisterwerken, die immer wieder neu inszeniert werden. Neue Werke treten kaum hinzu, Uraufführungen werden nach ein paar Aufführungen in der Regel wieder abgesetzt. Ist dieser Trend zur Musealisierung nicht gefährlich?


Meister: Es kommt darauf an, was wir von einem Opernabend erwarten. Ich hatte in der Schule Altgriechisch und Latein und konnte über diesen Umweg ganz viel über unsere heutige Zeit erfahren. Die tiefen Fragen der Menschheit gab es auch schon in der Antike. Vielleicht ist das bei der Oper auch so: dass wir etwa von einer Barockoper etwas für unsere heutige Zeit mitnehmen. Aber abgesehen davon, was wir intellektuell von einem Opernbesuch aufnehmen, ist Oper eine in bester Weise sinnliche Kunstform und wird es immer sein. Ein Publikum, das verzaubert und im Innersten bewegt ist – darum geht es doch!

Wollen Sie am Image der Stuttgarter Oper etwas verändern? Es gibt Stimmen, die sagen: Die Oper ist sehr gut, spricht aber zu sehr den Intellekt an, bietet in erster Linie Kritikertheater.

Meister: Kunst, die nicht auch eine starke sinnliche Komponente hat, interessiert mich weniger. Warum soll nicht ein Musikbegeisterter sagen: Heute Abend möchte ich einfach genießen und nicht denken. Gleichzeitig freue ich mich über Besucher, die sagen: Ich möchte zwar genießen, gleichzeitig aber etwas mitnehmen, worüber ich länger nachdenken muss.

Wo setzen Sie historisch gesehen die Grenze des Repertoires? Ab wann würden Sie sagen: Das überlassen wir jetzt lieber den Spezialensembles?

Meister: Wir haben fest vor, die Barockoperntradition weiter zu pflegen. Allerdings habe ich nicht vor, dieses Repertoire auch selber zu dirigieren. Vor der Zeit des Barock ist derzeit nichts geplant.

Stichwort Opernsanierung: ein Trauerspiel, bei dem wieder alles offen ist, nachdem das Paketpostamt als Interims­ quartier aus finanziellen Gründen aus dem Rennen ist. Sind Sie vielleicht sogar froh, dass Sie nun erstmal im Littmann­Bau bleiben können?

Meister: Ich habe an jedem Ort, an dem ich war, mit Sanierungsthemen zu tun gehabt, egal ob in Heidelberg oder Wien. Deswegen blicke ich voller Zuversicht in die Zukunft. Auch weil hier in Stuttgart ein Konsens darüber besteht, dass man sanieren muss und dass das sehr viel Geld kosten wird. Darüber nachzudenken, wie man zu einer Lösung kommen kann, die dann auch stadtplanerisch auf lange Sicht eine sinnvolle Investition ist, dafür habe ich vollstes Verständnis.

Lassen Sie uns über die Konzerte sprechen. Als Konzertorchester steht das Staatsorchester in Stuttgart in Konkurrenz zum SWR Symphonieorchester mit Teodor Currentzis und den Stuttgarter Philharmonikern mit Dan Ettinger. Was machen Sie, um da mithalten zu können?


Meister: Ich finde es inspirierend, dass die Musikszene in Stuttgart durch die Verpflichtung hervorragender Kollegen einen solchen Aufschwung genommen hat. Dazu darf man ja auch die sehr reiche Chorszene nicht übersehen. Und es gibt noch weitere Orchester, die sich bestens präsentieren. Ich betrachte das alles als enorme Inspiration.

Haben Sie schon eine Wohnung in Stuttgart?


Meister: Ja, meine Familie und ich wohnen bereits seit einem Jahr hier.

Dann haben Sie auch die schwäbische Mentalität schon kennengelernt.


Meister: Ich war ja als Kind schon oft hier, weil meine Tante und mein Onkel hier leben. Deswegen sind mir die Stadt und die Menschen seit langem vertraut. Ich fühle mich bereits heimisch.

Viktor Schoner und Cornelius Meister stellen sich in Stuttgart vor:

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Mehr Informationen

concerti-Termintipps:

Stuttgart
Sa. 29.9.2018, 17:00 Uhr (Premiere)
Mit: Cornelius Meister (Leitung), Árpád Schilling (Regie)
Wagner: Lohengrin
Opernhaus
Weitere Termine: 3., 14., 20. & 27.10., 3. & 5.11.

So. 7.10.2018, 11:00 Uhr & Mo. 8.10.2018, 19:30 Uhr
Mit: Staatsorchester Stuttgart, Cornelius Meister (Leitung)
Cage: 4’3“, Haydn: Sinfonie Nr. 6 „“Le matin““, Mahler: Sinfonie Nr. 7 e-Moll“
Liederhalle

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