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Interview Jens Peter Maintz

„Als ich gefragt wurde, habe ich sofort zugesagt“

Cellist Jens Peter Maintz über die Zusammenarbeit mit Claudio Abbado, seine Art zu unterrichten und sein außergewöhnliches Hobby.

vonIrem Çatı,

Zum Cellospiel musste Jens Peter Maintz nicht gezwungen werden. Der Wunsch war schon immer da. Als Artist in Residence der Hamburger Camerata ist er in dieser Saison in seine Heimatstadt zurückgekehrt und damit auch in die Laeiszhalle – oder Musikhalle, wie er sie mit dem früheren Namen nennt –, in der er schon als Kind im Jugendorchester Konzerte gegeben hat.

Sie sind der erste Artist in Residence der Hamburger Camerata.

Jens Peter Maintz: Ach, das war mir gar nicht klar!

Wie ist es dazu gekommen?

Maintz: Der Konzertmeister und künstlerische Leiter der Hamburger Camerata, Gustav Frielinghaus, und ich kennen uns schon seit Jahren – noch aus dem Jugendorchester. Bis heute machen wir gemeinsam Kammermusik, außerdem bin ich als Solist schon öfter mit der Camerata aufgetreten. Als ich gefragt wurde, habe ich sofort zugesagt.

Ihr Instrument ist ein über dreihundert Jahre altes „Ex Servais“-Cello von Giovanni Grancino. Von wem erhielten Sie es?

Maintz: Das ist pures Glück. Es ist ja inzwischen so, dass sich die wirklich wertvollen alten Instrumente kaum mehr ein Musiker leisten kann. Dieses Cello ist aus Privatbesitz und gehört einer sehr kunst- und musik­interessierten Familie. Der Besitzer hat das Cellospiel jahrzehntelang als Hobby betrieben, was ihm jetzt aber nicht mehr möglich ist. Deswegen hat er mir das Instrument in den letzten Jahren immer mal wieder zur Verfügung gestellt. Jeder Cellist kennt dieses Instrument und ich hatte das unfassbare Glück, dass sich der Besitzer dazu entschlossen hat, es mir zu leihen.

Für wie lange haben Sie das Instrument?

Maintz: Gute Frage. Ich habe es immer nur für spezielle Projekte oder auch mal für ein halbes Jahr ausgeliehen und wieder zurückgebracht. Aber inzwischen habe ich es dauerhaft. Da wir keine Verträge haben, hoffe ich, dass ich das Cello noch lange behalten kann. Aber man kann ja nie wissen, wie man am Beispiel von Frank Peter Zimmermann gesehen hat. Auf jeden Fall bin ich dankbar für die Momente, die ich mit dem ­Cello habe.

Sie waren lange Zeit Solocellist beim Deutschen Symphonie Orchester Berlin …

Maintz: … acht oder neun Jahre …

… und sind immer noch jeden Sommer Solocellist beim Lucerne Festival Orchestra. Wie beeinflusst das Zusammenspiel mit dem Orchester die Solokarriere?

Maintz: Ich versuche immer, die ganze Partitur zu verstehen, auch wenn ich als Solist spiele. Wenn man im Orchester sitzt, ist man ein Teil des Gesamtgefüges und musiziert nur sinnvoll, wenn man sehr gut zuhört. Das war auch Claudio Abbados größter Wunsch, dass sich die Leute gegenseitig zuhören. Aber was das reine Spielen betrifft, ist es schon so, dass das Orchesterspiel abnutzen kann. Deswegen muss man sehr auf die eigene Qualität achten und diszipliniert sein. Aber rein zeitlich gesehen sind es auf das Jahr verteilt nicht viele Tage, die ich mit dem Orchester zusammen spiele.

Vermissen Sie das?

Maintz: Nein, weil ich diese Zeit ja habe, und auf diesem Level reicht mir das.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Abbado zustande­gekommen?

Maintz: Ich war ein Quereinsteiger. Als der Posten des Solocellisten vakant war, hat mich Wolfram Christ, Solobratscher und Gründungsmitglied des Orchesters, der ganz eng mit Abbado zusammengearbeitet hat, vorgeschlagen. Abbado zu erleben, vor allem im Konzert, war etwas ganz Besonderes. Das waren viele wunderbare Jahre, von denen ich auch unheimlich profitiert habe.

Jens Peter Maintz
Jens Peter Maintz

Sie sind auch Kammermusiker und arbeiten viel mit anderen Musikern zusammen. Seit über 25 Jahren sind Sie mit Cello Duello unterwegs. Wie profitieren Sie von der Arbeit mit Kollegen?

Maintz: Das ist natürlich eine ganz spezielle Geschichte. Dieses ­Cello Duello, was wir so lange schon haben, hält uns irgendwie jung. Wolfgang Emanuel Schmidt und ich können es selber nicht glauben, dass es schon so lange her ist, seit wir angefangen haben. Wir sind sehr unterschiedliche Spielertypen, aber gerade das macht es so reizvoll. Wolfgang ist ein fantastischer Cellist und immer eine Inspiration für mich. Und auch mit den anderen Kollegen, mit denen ich zusammenspielen darf, habe ich so viel Glück …

… beispielsweise mit Janine Jansen, Antoine Temestit oder Hélène Grimaud.

Maintz: Genau! Besonders die Zusammenarbeit mit Janine Jansen ist sehr inspirierend. Vor allem wenn wir gemeinsam im Streichtrio spielen. Das mache ich besonders gerne, weil es eine sehr solistische und anspruchsvolle Aufgabe ist. Und da kann ich mir keine bessere Besetzung vorstellen als mit ihr und Amihai Grosz, dem Solo­bratscher der Berliner Philharmoniker.

Hinzu kommt, dass Sie eine Celloklasse in Berlin leiten. Was lernen Sie von Ihren Schülern?

Maintz: Sehr viel! Die sind wahnsinnig gut und spielen fantastisch. Auch schon bei den Aufnahmeprüfungen – das Level ist erschreckend hoch. Deswegen sind sie für mich eine Inspiration, fit zu bleiben (lacht). Ich kenne bei weitem nicht das ganze Cellorepertoire und finde es toll, dass meine Studenten verschiedene Repertoire­aspekte einbringen.

Wie wählt man bei so einem hohen Level aus?

Maintz: Letztlich kann man das intellektuell gar nicht fassen. Es ist eine Bauchentscheidung. Jemand muss Ausstrahlung und einen unstillbaren Drang nach Bühnenpräsenz haben, dann sieht man über das eine oder andere Defizit hinweg. Aber das spezielle Moment muss da sein.

Welcher Typ Lehrer sind Sie?

Maintz: Eher der nette Typ, vermute ich. Aber da müssen Sie meine Studenten fragen! Man gibt doch das weiter, was man selbst erlebt hat. Ich hatte während meiner gesamten Studienzeit bei David Geringas Unterricht, und er war nie in irgendeiner Weise böse zu mir – musste er auch nicht. Ich glaube, ich war ein ziemlicher Streber.

Sie sind Solokünstler, Kammermusiker und Pädagoge. Welche Tätigkeit nimmt denn den größten Raum ein?

Maintz: Ich habe zwei Professuren, eine ganze in Berlin und eine halbe in Madrid. Ich würde sagen: Rein zeitlich gesehen nimmt das Unterrichten am meisten Zeit in Anspruch. Aber das ist schwer zu berechnen, denn wenn ich konzertiere, muss ich üben und mich vorbereiten. Und außerdem habe ich ja auch noch eine Familie. Oft verschwimmen die Aufgaben auch ineinander. Wenn ich beispielsweise ein Haydn-­Konzert unterrichte und der Student hat sich eine ganz tolle Verzierung ausgedacht, dann kann es sein, dass ich diese bei meinem nächsten Konzert übernehme. Das passiert auch umgekehrt.

Welche ist Ihre Lieblingsaufgabe?

Maintz: Ich könnte nichts ohne das andere machen. Es ist ein bisschen wie die Frage nach dem Lieblingsstück. Die Antwort sollte sein: Das, was grade auf dem Notenständer liegt.

Bleibt Zeit für Freizeit?

Maintz: Nicht so wahnsinnig viel. Falls Sie jetzt fragen, was ich in meiner Freizeit so mache, lautet die Antwort: Sport. Ich fahre sehr gerne Ski. Neulich habe ich eine Fernsehsendung über Grigory Sokolov gesehen und musste grinsen, als gesagt wurde, dass er zuhause eine Sammlung selbstgebauter Modellflugzeuge hat. Ich war froh zu sehen, dass ich nicht der Einzige mit diesem Hobby bin. Wenn ich alles vergessen will, setze ich mich hin und bastele ein kleines Flugzeug.

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