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Interview Julia Fischer

Mit Leidenschaft und klarer Planung

Ob als Solistin, Kammermusikerin oder Professorin: Julia Fischer hat hohe Ansprüche an sich selbst – und an ihre Kollegen und Studenten

vonUlrike Henningsen,

Julia Fischer ist eine vielbeschäftigte und überaus erfolgreiche junge Frau. Ihr Pensum an Pflichten ist hoch und anspruchsvoll. Trotzdem wirkt Julia Fischer auch nach einem Tag voller Termine am späten Nachmittag noch frisch und entspannt. 

Frau Fischer, wie schaffen Sie es, so gelassen zu bleiben?

Julia Fischer: Die innere Gelassenheit kommt durch die Musik. Wenn ich total gestresst bin und dann einfach mal eine Stunde übe, ist die Welt schon wieder in Ordnung. Denn das ist ja in Wahrheit etwas, das ich für mich tue. So wie andere Leute eine Stunde Yoga machen oder joggen gehen, erlebe ich das Üben, wenn ich daheim bin. Ich achte sehr darauf, mir trotz aller anderen Verpflichtungen diese Stunde jeden Tag einzurichten. Das ist eine Zeit, in der ich mich ganz mit mir selber beschäftigen und mich ausdrücken kann. Das würde ich wahrscheinlich auch machen, wenn ich beruflich etwas ganz anderes täte.

Auf der anderen Seite hat das Üben aber ja auch immer ein produktives Ziel – etwa für eine Aufnahme. Anfang des Jahres erscheint Ihre neue CD mit Werken des spanischen Geigenvirtuosen Pablo de Sarasate. Was reizt Sie an seiner Musik?

Julia Fischer: Ich war im Konzert, habe ein Stück von Sarasate gehört und fand es total schön. Es war klasse, da zu sitzen und diese Musik zu hören. Ich selber spiele ja auch eher dieses ganz tragische Zeug, große Konzerte und Sonaten, und je länger das Werk dauert, umso besser. Da fand ich es für mich auch mal ganz reizvoll, eine ganze Welt in drei Minuten kreieren zu müssen und nicht immer die Architektur eines großen Violinkonzerts vor mir zu haben. Diese Stücke sind im besten Sinn Unterhaltungsmusik, und es hat ganz großen Spaß gemacht, diese kleinen Geschichten zu erzählen.

Solche Kammermusik fordert in einer anderen Weise heraus, als es Solokonzerte tun. Was mögen Sie besonders an dieser Art des Musizierens?

Julia Fischer: Ich hab diese Kommunikation mit den anderen Musikern sehr gern. Ich mag es, wenn man sich noch eine kurze SMS mit Anregungen schickt und nach dem Konzert bei einem Glas Wein darüber diskutiert, ob die Interpretation jetzt richtig oder falsch war. Das ist doch total spannend. In den Stücken von Sarasate sind die Musiker allerdings nicht so gleichberechtigt wie in anderen Kammermusikstücken. Hier übernimmt ganz eindeutig die Geige die Führung. Ich spiele mit meiner Pianistin Milana Chernyavska schon seit fünfzehn Jahren zusammen. Sie gibt sonst sehr gerne den Ton an, aber selbst sie bestätigt, dass ich das im Sarasate tun darf.

Hatten Sie das Bedürfnis, sich im Klavierpart einzumischen?

Julia Fischer: Ich mische mich bei einer Sonate von César Franck deutlich mehr ein. Prinzipiell mische ich mich beim Klavier viel zu viel ein, aber Milana geht damit sehr gut um.

Sie vertreten anderen gegenüber selbstbewusst ihren Standpunkt und weisen immer wieder darauf hin, dass dies mit ihrer Fähigkeit zur Selbstkritik zusammenhängt, zur der Sie schon in jungen Jahren aufgefordert wurden. Was trägt noch dazu bei?

Julia Fischer: Selbstkritik ist der eine Punkt, aber ich glaube, es ist genauso wichtig, aus einer Mücke keinen Elefanten zu machen. Da hilft es natürlich auch extrem, wenn zuhause jemand ist, der sich mit Musik auskennt. Meine Mutter ist Pianistin. Das hat sehr geholfen. Sie war in der Vorbereitung extrem streng und gleichzeitig dann nach den Konzerten, die ich als Schülerin gegeben habe, total entspannt. Außerdem hatte ich mit Ana Chumachenco eine geniale Lehrerin. Aus ihrer Klasse kommen einfach so viele gute Geiger.

Sie wurden bereits mit neun Jahren Jungstudentin bei ihr. Das ist ein Alter, in dem andere Kinder spielen. Gab es das in Ihrer Kindheit auch?

Julia Fischer: Ja, diesen Freiraum gab es immer, denn meine ganze Schulzeit bis zur 9., 10. Klasse war eigentlich sehr entspannt. Nur zum Abitur hin wurde es dann stressiger, weil ich schon so viele Konzerte spielte. Ich ging auf eine ganz normale Schule. Allerdings war mein Tag damals bereits sehr strukturiert. Bis eins bin ich zur Schule gegangen. Danach hatte ich drei Stunden frei. Von vier bis fünf habe ich Klavier geübt. Von fünf bis halb sieben und dann nochmal von halb acht bis um neun habe ich Geige geübt. Das ist heute noch in mir drin. Wenn ich am Abend übe und es wird neun, dann denke ich kurz „Oh, ich muss aufhören, es ist neun Uhr.“ Das ist natürlich totaler Quatsch. Es ist für mich aber immer noch wichtig, diese klare Planung zu haben. Dann schafft man ja interessanterweise viel mehr, als wenn man so in den Tag lebt. Das kann ich bis heute nicht. Dann bekomme ich unfassbar schlechte Laune.

Die klare Planung brauchen Sie auch für die Hochschule: Seit sieben Jahren bereits unterrichten Sie Studenten. Fällt es Ihnen manchmal schwer, das Suchen und Ringen Ihrer Schüler auszuhalten?

Julia Fischer: Mit jedem Fall komme ich nicht klar. Wahrscheinlich hängt das auch mit dem Alter zusammen. Ich gebe aber immer ganz unproblematisch zu, dass jemand bei mir nicht so gut aufgehoben ist. Schon in der Aufnahmeprüfung spreche ich die Schüler an, die zu mir wollen, wenn ich das Gefühl habe, dass ich der falsche Lehrer bin. In München an der Musikhochschule haben wir ein paar hervorragende Lehrer. Durch dieses Privileg kann ich einen Studenten auch guten Gewissens zu jemand anderem schicken. Grundsätzlich komme ich mit dem Suchen und Irren der jungen Musiker sehr gut zurecht. Ich komme sehr schlecht zurecht mit Irren und nicht Suchen. Mit Leuten, die auf den Input warten und mit Musikern ohne Leidenschaft habe ich ein Problem. Damit komme ich nicht klar. Wenn Musiker keine Leidenschaft und Dramatik mitbringen, werde ich wahnsinnig.

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