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Interview Katharina Konradi

„Ein so emotionales Publikum hat auf jeden Fall recht!“

Sopranistin Katharina Konradi über ihr Lieblingswerk, große Vorbilder, und wie sie auf Umwegen ihre Liebe zur klassischen Musik entdeckt hat.

vonJulia Hellmig,

Für Katharina Konradi war es bereits das zweite Konzert bei der Schubertiade. Neben Liedern von Mozart und Strauss durfte natürlich auch Schubert nicht fehlen. Vor der malerischen Bergkulisse Schwarzenbergs erzählt die aus Kirgisistan stammende Sopranistin von musikalischen Sprachproblemen, ihrem engsten Vertrauten und warum sie sich von den sozialen Medien verabschiedet hat.   

Auf Ihrer Website steht, dass Sie die erste aus Kirgisistan stammende Sopranistin weltweit seien. Was bedeutet das für Sie? 

Katharina Konradi: Ehrlich gesagt bin ich sehr stolz, dass ich aus diesem Land komme. Ich bin halb Russin, halb Deutsche.

Hatten Sie als Kind bereits Berührung mit klassischer Musik?

Konradi: Nein, und dass ich jetzt diesen Weg gegangen bin, ist für mich immer noch überraschend. Als Kind habe ich hauptsächlich Pop und Folklore gesungen, auch im regionalen Fernsehen. Aber ich habe nie an Klassik gedacht. Erst als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich festgestellt, dass die Pop-Szene hier ganz anders funktioniert und dass es sehr schwer werden würde, damit etwas zu erreichen.

Das heißt, die Liebe zum Gesang war schon da und dann kam die Klassik?

Konradi: Genau. Es gab einen Lehrer, der mir Mozart und Bach gezeigt hat. Das war schwierig für mich, denn ich habe zunächst nicht verstanden, was das für Musik sein soll. Sie war absolut neu für mich. 

Wie war das für Sie, als Sie mit fünfzehn Jahren nach Deutschland gekommen sind?

Konradi: Meine Familiengeschichte ist die der Wolgadeutschen. Mein Großvater lebte früher in Sibirien in den deutschen Siedlungen. In den Neunzigern durften die Spätaussiedler nach Deutschland zurückkehren – wir sind 2003 hierhergekommen. Und ich bin dankbar dafür, denn ich habe das Gefühl, dass ich das, was ich jetzt mache, dort nicht hätte machen können.

Wie war das mit der deutschen Sprache?

Konradi: Ich musste sogar gleich zwei neue Sprachen lernen. Zum einen konnte ich noch kein Deutsch, und im Musikunterricht sprachen die Lehrer dauernd von den Noten C, D, E und so weiter. Ich habe überhaupt nicht verstanden, dass selbst die Noten anders genannt werden. Ich kannte ja nur die italienischen Bezeichnungen. 

Lied oder doch lieber große Oper? 

Katharina Konradi: Lied! Obwohl ich ja zum Glück fest an der Staatsoper Hamburg angestellt bin und zuletzt im Frühling mein Debüt als Sophie im „Rosenkavalier“ hatte.

Katharina Konradi
Katharina Konradi

Inwiefern profitiert der Liedgesang von Ihrer Opernerfahrung?

Konradi: Vor allem Strauss-Lieder brauchen eine gewisse Theatralik im Vergleich zu Schuberts Schlichtheit oder Mozarts Transparenz. Strauss schöpft gefühlsmäßig aus dem Vollen und gibt der Stimme mehr Geschmeidigkeit und Kraft. Ein Lied ist hier nichts anderes als eine Opernpartie – nur eben in drei Minuten zusammengefasst.

Welches ist Ihr Lieblingswerk?

Konradi: Ich liebe so sehr die „Arabella“ von Strauss! Das ist für mich die Krönung der Weiblichkeit in der deutschsprachigen Oper. Und ich träume davon, eines Tages die Arabella zu singen.

Und trotzdem haben Sie sich gerade eben für das Lied entschieden.

Konradi: Ein Liedprogramm vorzubereiten ist einfach eine ganz besondere und eigenständige Kunst. Allein schon die Zusammenstellung braucht viel Überlegung. Dann kostet es viel Zeit, sich mit den Texten zu beschäftigen. Das ist in der Oper ein wenig anders, da bleibst du immer derselbe Mensch. Beim Lied hast du zwanzig Stücke und bist zwanzig Mal eine neue Person: mal ein verliebter Mann, mal eine gekränkte Frau – oder ein Veilchen. Es ist eine enorme Textarbeit, die man monatelang intensiv durchlebt. 

Wie lernen Sie neue Texte am besten?

Konradi: Ich wiederhole sie vor dem Schlafengehen oder trainiere sie gemeinsam mit meinem Mann. Denn ich finde es so wichtig, Lieder ohne Noten zu singen. Ein Pult hindert mich daran, frei zu sein und Blickkontakt mit dem Publikum aufzunehmen.

Ihr Mann unterstützt Sie also auch bei den Vorbereitungen?

Konradi: Ja, mein Mann bereitet mich musikalisch vor. Wir arbeiten zu Hause jeden Tag mehrere Stunden. Er war siebzehn Jahre am Theater Korrepetitor und Dirigent. Jetzt hat er seinen Job aufgegeben, um mich zu unterstützen. Und er begleitet mich auch bei Konzerten am Klavier – da habe ich wirklich großes Glück gehabt! (lacht)

Wo haben Sie sich kennengelernt?

Konradi: Bei meiner allerersten Theaterproduktion 2014 in Hof war er Kapellmeister bei „Das Tagebuch der Anne Frank“. Da habe ich noch in München studiert und hatte diese kleine Gastproduktion. Und er hat mich am Klavier begleitet – das war wohl Schicksal.

Welche Vorbilder haben Sie? 

Konradi: Ich orientiere mich an der alten Schule der sechziger und siebziger Jahre, an Fritz Wunderlich oder Hermann Prey. Speziell bei Strauss ist es wohl Lisa della Casa. Sie war auch die Arabella schlechthin. Beim Lied sind es Arleen Augér und Lucia Popp. Sie kommen mit einer so großen Leidenschaft daher, dass ich das Gefühl habe, dass es ihnen nur um das Singen ging und weniger um das Berühmtsein. Oder auch Brigitte Fassbaender – diese Generation fasziniert mich, weil bei ihnen erst die Musik und dann die Sänger kamen. Heute scheint es genau umgekehrt zu sein.

Wie halten Sie es mit Social Media?

Konradi: Anfang letzten Jahres bin ich komplett ausgestiegen. Davor habe ich immer viel Kraft in gut überlegte Beiträge gesteckt, weil ich nicht einfach irgendeinen Schnappschuss posten wollte. Mich kostet das viel Energie, von der ich aber kaum etwas zurückbekomme – die stecke ich jetzt lieber wieder in die Musik und meine Auftritte. Auch da war mein Mann mir eine große Hilfe. 

Gibt es ein Konzerterlebnis, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Konradi: Bei der Schubertíada in Spanien gab es vor ein paar Jahren ein besonderes Erlebnis. Mein Mann und ich hatten ein Konzert in einer kleinen Kirche, und es war wahrscheinlich das allererste klassische Konzert in dieser Gegend. Wir haben also angefangen, und nach jedem Lied haben die Leute leidenschaftlich geklatscht. Der Veranstalter ist schon ganz unruhig geworden, aber wir haben das geliebt. Denn ich glaube, ein so emotionales Publikum hat auf jeden Fall recht!

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