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Miloš im Interview

Kurz gefragt Miloš

Miloš spricht im Interview über seine künstlerischen Anfänge, Barockmusik und die eigene Stiftung. Der Gitarrist über …

vonEcki Ramón Weber,

… „Asturias“ von Isaac Albéniz

Miloš: Mein Vater spielte mir eine Aufnahme von „Asturias“ mit Andrés Segovia vor, als ich acht Jahre alt war. Ich fing gerade an, Gitarre zu lernen. Damals hatte ich die Vorstellung, das Instrument sei einfach nur zum Anschlagen von Akkorden da, um sich beim Singen zu begleiten. Meine Lehrer an der Musikschule wollten, dass ich Musiktheorie lernte, was mich langweilte, weil ich ein sehr lebhaftes Kind war. Um mich zu inspirieren, ging mein Vater also in sein Arbeitszimmer, nahm diese alte Schallplatte aus seiner Sammlung und sagte zu mir: „Miloš, ich möchte dir mal zeigen, wie klassische Gitarre wirklich klingt.“ Das war das erste Stück des Repertoires überhaupt, das ich hörte. Ich glaube, es hat mein Leben verändert. Sonst wäre ich womöglich kein professioneller Gitarrist geworden. Als ich dann vor zwölf Jahren mein erstes Studioalbum Mediterráneo einspielte, wusste ich, dass Asturias der erste Track dieser Produktion sein musste.

… London

Miloš: London ist heute meine Heimat. Ich lebe dort seit 24 Jahren. Von Montenegro kam ich nach London als ahnungsloser, unbedarfter, sehr ehrgeiziger junger Mensch mit großen Träumen. Wäre ich in Montenegro geblieben, hätte ich nicht dieses Leben eines Profimusikers. London bot mir den Boden, um zu wachsen und erwachsen zu werden. Meine Mitstudenten an der Royal Academy of Music kamen aus aller Welt und waren alle außergewöhnlich talentiert. Die meisten kamen von Elitemusikschulen und hatten bereits viel Wissen und viele Fertigkeiten. Mein Wissen dagegen war damals begrenzt, denn in Montenegro hatten wir zwar sehr unterstützende Lehrer, jedoch nicht die besten Experten. Aber eines hatte ich dort wirklich gelernt: dass Musik zu machen auch Verantwortung bedeutet. In meiner Jugend, während der Jugoslawien-Kriege, passierten in Montenegro schlimme Dinge, doch wenn ich zur Gitarre griff und für die Menschen spielte, änderte sich etwas. Ich ermögliche ihnen, für kurze Zeit aus dem grauenvollen Alltag zu fliehen, eine Welt der Schönheit für sie kreieren. Aufgrund dieser Erfahrung wollte ich in London nie andere nachahmen, sondern meine eigene Stimme finden.

… die Laute

Miloš: Michael Lewin, mein Lehrer, bei dem ich an der Royal Academy of Music studierte, ist Lautenist und Gitarrist. Er ist ein sehr vielseitiger Musiker, hat ein sehr breites Spektrum. Michael erweiterte meinen Horizont. In Montenegro hatte ich vor allem Musik aus der Romantik gespielt. Das Repertoire, das ich bei Michael lernte, umfasste Stücke aus allen Epochen und Genres, viel Renaissance- und Barockmusik, aber auch die Gitarrentradition des 20. Jahrhunderts. Wir arbeiteten immer daran, wie etwas möglichst authentisch klingt und wie meine Interpretation einen künstlerischen Wert haben kann. Natürlich muss man auch intensiv an der eigenen Technik arbeiten, aber Technik als Selbstzweck ist nichts.

… Barock

Miloš: Für mich ist der Barock die aufregendste Epoche in den Künsten. Der Barock hatte keine Angst vor Extremen in der Kunst. Das sagt mir sehr zu. Auch ich teste ständig aus, wie weit ich gehen kann: Wie extrem kann ich eine Idee weiterführen? Mit welcher Wucht kann ich eine Phrase bei einem Konzert hinausschleudern, um das gesamte Publikum zu erreichen? Wie intim kann ich sein, um eine Annäherung zu ermöglichen? Die Barockmusik erlaubt einem, all dies zu machen. Für mein Album „Baroque“ habe ich Musik aufgenommen, die man normalerweise nicht mit der modernen Konzertgitarre verbindet. Mich reizte, auszuprobieren, was ich aus diesem reichhaltigen Repertoire auf die Gitarre übertragen kann. Die Barockmusik ist wie eine Schatztruhe, jedes Stück ist wie ein kleiner Edelstein mit einer besonderen Farbe und Form. Mit „Baroque“ habe ich mein persönliches musikalisches Schmuckkästchen zusammengestellt.

Die Gitarre sei wie ein farbenreiches Orchester in einem kleinen hölzernen Korpus, sagt Miloš.
Die Gitarre sei wie ein farbenreiches Orchester in einem kleinen hölzernen Korpus, sagt Miloš.

… Bach und Vivaldi

Miloš: Bach sucht immer nach der tiefen Bedeutung und der Wahrheit, bei ihm ist weniger mehr. Das ist eine sehr protestantische Eigenschaft: den Effekt reduzieren, um etwas Tieferes herauszuschälen. Deshalb ist die Musik Bachs so zeitlos und universell. Vivaldis Musik dagegen ist unglaublich erregend und energiegeladen. Sie setzt auf Wirkung und starke Emotionen, auf extreme Kontraste, ist sehr italienisch, sehr katholisch. Bach und Vivaldi könnten nicht unterschiedlicher sein. Aber ohne beide zusammen hätte man kein Barockprojekt, die Schönheit kommt gerade aus diesen beiden Gegensätzen.

… Bearbeitungen für die Gitarre

Miloš: Im Laufe meiner Karriere habe ich immer sehr gerne Musik in die Welt der Konzertgitarre gebracht, die ursprünglich nicht dafür vorgesehen war. Ich habe das mit spanischem Repertoire, mit Songs der Beatles und mit Musik der Moderne gemacht. Wenn es jedoch um Barockmusik geht, erreicht man eine andere Ebene, weil das überhaupt nicht gebräuchlich ist. Die Übertragung ist ein sehr langwieriger Prozess. Wenn man eine Transkription von diesen Werken erstellt, muss man dem Original eine weitere qualitative Schicht hinzufügen, etwas Besonderes, damit das Gitarrenarrangement für sich bestehen kann. Beim Album „Baroque“ ging es zunächst darum, überhaupt die Barockjuwelen zu finden, die auf der Gitarre wirklich funkeln können. Das ging nur durch praktisches Ausprobieren, Trial-and-Error. Mich hat dabei die Vorstellung angespornt, dass die Klangwelten des Barock und der modernen Konzertgitarre wirklich zusammenkommen können und dabei etwas Authentisches, etwas, das einen wirklich berührt, entsteht.

… Cembalomusik

Miloš: Das Cembalo ist tatsächlich nah am Klang der Gitarre angesiedelt, weil die Klänge ebenfalls durch Zupfen an den Saiten entstehen. Mit einem großen Unterschied: am Cembalo sind keine Dynamikunterschiede machbar. Auf der Gitarre hat man dagegen unendliche Möglichkeiten in der Dynamik und unendliche Klangfarben. Wenn man also Musik für Cembalo auf die Gitarre überträgt, kann man genau diese weiteren Schichten hinzufügen. Die Gitarre ist wie ein farbenreiches Orchester in einem kleinen hölzernen Korpus. Deshalb kann ich ein Stück für Solovioline, Cembalowerke oder ein Oboenkonzert darin einfangen.

… Hände

Miloš: Die Hände aller Musiker sind faszinierend, sie sind wahrscheinlich die am höchsten entwickelten Körperteile. Sie leisten minutiöse Feinarbeit. Bei einem Gitarristen gehen die Hände sogar noch weiter ins Detail. Denn die Klänge auf dem Instrument werden spieltechnisch in Millimeterabständen erzeugt. Der Gitarrenklang ist intim und gleichzeitig sehr exponiert, man muss die Bewegungen der Hände bis in die kleinsten Details trainieren, um den gewünschten Klang und die Klangfarben zu erzeugen und um Nebengeräusche zu vermeiden. Weil es so viel Feinarbeit erfordert, schützen Gitarristen natürlich ihre Hände, vor allem ihre Nägel. Wir benutzen eine gute Handcreme, tragen Handschuhe, wenn es kälter ist. Wenn ein Fingernagel abbricht, ist es für uns, als würde ein Violinist seinen Bogen verlieren. Deshalb haben wir Gitarristen eine komplizierte Beziehung zu unseren Händen. Ich muss aber sagen, mit der Zeit und der Erfahrung habe ich gelernt, entspannter damit umzugehen. Das hat mit Selbstvertrauen zu tun. Man will ja nicht Sklave seiner Hände sein.

… die Miloš Foundation

Miloš: Das Gebiet des Westbalkans, zu dem Montenegro gehört, hat historisch eine Menge Turbulenzen hinter sich, deshalb konnte man nicht immer die Kunst auf höchstem Niveau im Fokus haben. Andere Dinge waren wichtiger. Dennoch war es für mich selbst möglich, hinauszugehen, zu lernen und erfolgreich zu sein. Das hat den Blick vieler junger Menschen in Montenegro verändert. Es hat sie dazu inspiriert, große Träume zu haben. Meine Stiftung will Spitzenleistungen ermöglichen. Sie hat ihren Sitz in Montenegro, am Yachthaven Porto Montenegro in der Küstenstadt Tivat an der wunderschönen Bucht von Kotor. Ich habe bewusst diesen Ort ausgewählt, weil er sehr international und weltoffen ist, Menschen aus aller Welt leben dort. Die Miloš Foundation möchte talentierte junge Künstler aus allen Teilen des Westbalkans unterstützen, sei es aus Montenegro, Kroatien, Serbien, Bosnien oder Albanien. In einer Weltgegend, die derart von Grenzziehungen und politischen Konflikten beherrscht wird, kann Musik durch das Talent von Menschen, die wirklich etwas zu sagen haben, ein einigender Faktor werden. Wir fangen im Januar 2024 an und vergeben zunächst drei Stipendien, aber es sollen bald mehr werden. Wir unterstützen die Stipendiaten nicht nur beim Studium, sondern wir möchten ihnen auch Kontakte vermitteln, sie beraten und sie bekannt machen.

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