Als Pianist mit Schwerpunkt Liedbegleitung sieht sich Daniel Heide in einer verantwortungsvollen Position und keinesfalls als Mann der zweiten Reihe. Als Veranstalter seiner eigenen Konzertreihe beweist er, dass sich das Kunstlied weitaus größerer Beliebtheit erfreut, wenn man die Sache nur selbst in die Hand nimmt.
Sie sind Musiker und gleichzeitig Veranstalter der eigenen Konzertreihe. Warum die Entscheidung, alles selbst in die Hand zu nehmen?
Daniel Heide: Ich bin als Liedbegleiter in einem relativ speziellen Feld unterwegs, und der Liederabend ist ein Genre, das leider immer ein bisschen im Abseits steht. Viele Veranstalter befürchten von vorneherein, dass die Konzerte nicht gut besucht werden und drücken sich ein wenig davor. Ich wollte da schlicht einen Schritt vorwärts gehen und habe entschieden, es selbst zu versuchen. Als ich dann vor sieben Jahren auf Schloss Ettersburg mit der Konzertreihe startete, habe ich ausschließlich positive Erfahrungen gemacht. Es kamen überraschend viele Zuhörer, dazu ist das Publikum sehr treu und möchte viele verschiedene Stimmen hören. Mittlerweile ist mein Kalender gut gefüllt und ich spiele ausschließlich Liederabende. Immerhin etwas, was viele gar nicht für möglich gehalten haben. Meine Erkenntnis daraus ist, dass man bei bestimmten Kunstformen die Dinge einfach selbst in die Hand nehmen muss.
Kann man beiden Aufgaben gleichermaßen gerecht werden?
Heide: Das sind natürlich Dinge, die einen sehr fordern und wo der Tag oft zu wenig Stunden hat. Es wäre tatsächlich Luxus, sich ausschließlich dem Spielen und Üben zu widmen, aber das Organisatorische macht eben die andere Seite aus. Es bringt einen manchmal schon in Stress und Hektik. Am Ende steht aber meistens die Genugtuung, etwas ganz Besonderes auf die Beine gestellt zu haben. Außerdem habe ich mir in diesen sieben Jahren sehr viel Repertoire im Liedbereich erarbeiten können, was anders gar nicht möglich gewesen wäre. Insofern hat sich der Stress doppelt gelohnt. Zudem ist die Entwicklung doch sehr positiv, dass viele junge Musiker ihre eigenen Festivals gründen, Spaß am Unternehmerischen haben und merken, dass ihre Absichten auch künstlerisch fruchtbar sind.
Hat sich das Künstlerdasein in dieser Hinsicht weiterentwickelt?
Heide: Ja, definitiv! Wenn man nämlich eine ganz nüchterne Bestandsaufnahme macht, gibt es die großen Orchester und die Opernhäuser, also staatlich subventionierte Organisationen, für dessen Spielbetrieb es viel Personal gibt. Was aber den Kammermusikbereich anbelangt sieht es da wesentlich schwieriger aus. Es braucht private Kuratorien und Kammermusikvereine, die sich ehrenamtlich kümmern. Vor dem Hintergrund, dass es in bestimmten Regionen, vor allem in den Gebieten der ehemaligen DDR, eben dieses Engagement nicht gibt, ist es ganz besonders wichtig, dass junge Musiker den Schritt wagen und die Sache selbst in die Hand nehmen.
Richten Sie deshalb den Fokus seit Ihrem Studium auf kammermusikalisches Musizieren? Oder ist es Ihr Idealweg, sich künstlerisch zu verwirklichen?
Heide: Das hat eher mit meiner Biografie zu tun. Mit dem Beginn meines Klavierstudiums kam ich mit Cellisten, Geigern und Sängern in Kontakt und habe das künstlerische Miteinander, vor allem in der Duosituation, sehr genossen. Hinzu kam, dass nicht viele Pianisten den Weg eines Liedbegleiters einschlagen wollen, weshalb die Nachfrage bei Kollegen tatsächlich sehr groß war. Da ich nach dem Studium immer genug zu tun hatte, habe ich mich schließlich bewusst für den Kammermusikweg entschieden. Natürlich gibt es immer die Gedanken warum ich mein Geld nicht als Solist mit Rachmaninow-Konzerten oder Beethoven-Sonaten verdiene. Man muss einfach schauen, was das Leben für einen bereithält.
Welche besonderen Anforderungen sehen Sie in Ihrer Funktion als Liedbegleiter, die man als Sänger oder Solist nicht hat?
Heide: Der Pianist fängt ja doch etwas früher mit seiner Ausbildung an als der Sänger, da ist man, was das rationale Durchdringen der Partitur anbelangt, wie auch in Repertoirefragen schon etwas tiefer in der Materie drin. Daher übernimmt man als Pianist meist den redaktionellen Teil im Duo. Hinzu kommt, dass man als Liedbegleiter ein großer Stimmenkenner sein muss, die Funktion der menschlichen Stimme kennen sollte, um so individuell auf jeden Sänger eingehen zu können. Wenn man ausschließlich Liedbegleitung macht, bekommt man automatisch ein Gefühl dafür, was für welche Stimme gut ist. Das eigentlich Tragische ist, dass die Fähigkeiten des Liedbegleiters immer ein bisschen unterschlagen werden. In diesem Fach Karriere zu machen, ist auf jeden Fall sehr schwierig, denn häufig werden nur die Sänger porträtiert und mit Preisen ausgezeichnet. Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass der Blick häufiger auch in Richtung des Pianisten wandert. Man würde das Genre damit auf jeden Fall stärken, immerhin enthält das Liedrepertoire so viele Hits. Denken Sie an die „Winterreise“, an die „Dichterliebe“ und die „Kindertotenlieder“ …
Ist das Verhältnis zwischen Sänger und Pianist folglich ein schwieriges?
Heide: Ein gut funktionierendes Duo ist meistens ein Team mit freundschaftlichem Umgang. Da gibt es keine Abstufungen. Die Kategorisierung, in der der Pianist häufig hintansteht, erfolgt da eher von außen. Man muss jedoch klar sagen, dass die öffentliche Wahrnehmung eines Pianisten auch damit zusammenhängt, wie er als Persönlichkeit auftritt. Im Duo herrscht aber in der Regel eine gegenseitige Wertschätzung. Man geht gemeinsam auf Tour, man probt gemeinsam und man teilt auch das Lampenfieber vor dem Auftritt.Wenn ich allerdings Sänger begleite, die ich sehr bewundere, von denen ich vor Jahren schon CDs gekauft habe, einfach weil sie große Namen innerhalb der Szene sind, muss ich auch wissen, dass ich in einer solchen Situation nicht dieselbe Aufmerksamkeit bekomme wie der Sänger. Die Hauptsache ist, dass ein respektvoller Umgang miteinander herrscht und die Freude am Musizieren überwiegt.
Was möchten Sie anders machen als ihre Kollegen?
Heide: Ich möchte mit meinem Spiel die Gesamtleistung des Duos in den Fokus rücken und nicht nur die des Sängers betonen. Auf ähnliche Weise, wie der Klang eines Streichquartetts wahrgenommen wird. Als Liedbegleiter darf ich mich da auf keinen Fall zurücknehmen. Vielmehr gilt es für mich, ein Spannungsfeld zu schaffen, in dem ich mich einerseits nicht in den Vordergrund dränge, mich aber andererseits als Persönlichkeit am Klavier präsentieren kann.
Wie viel Spontanität ist dabei möglich?
Heide: Wenn Spontanität in der Kammermusik überhaupt möglich ist, dann in einer Zweierkombination. Mit einer Gesangsstimme, die natürlich auch von der Tagesform abhängig ist, ist das Zusammenspiel ohnehin jeden Tag anders. Somit wird man an jedem Liederabend mit anderen Fragen konfrontiert. Wie sehr trägt die Stimme? Nimmt der Sänger sich mehr Zeit bei der Schlusswendung? Aber das ist genau der Reiz, den ich suche. Ohne diese täglich auftretenden neuen Nuancen, fände ich meinen Job nur halb so spannend.
Daniel Heide und Andrè Schuen bei ihrer CD-Produktion: