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Interview Sarah Willis

„Musik ist ja nicht einfach nur ein Job“

Hornistin Sarah Willis über ihr aktuelles Album, ihre Liebe zur kubanischen Musik und ihren Weg zu den Berliner Philharmonikern.

vonEcki Ramón Weber,

Sarah Willis ist seit fast zwanzig Jahren Hornistin bei den Berliner Philharmonikern und zudem in der Musikvermittlung und mit einer eigenen TV- Sendung aktiv. Mit ihrer in Havanna aufgenommenen CD „Mozart y Mambo“, die im Sommer 2020 erschien, ist ihr ein großer Erfolg als Solistin gelungen.

Frau Willis wann haben Sie zuletzt Salsa getanzt?

Sarah Willis: In meiner Küche neulich, zur Musik eines Radiosenders aus Peru. Den hat mir jemand empfohlen. Aber paarweise zuletzt Januar 2020 in Havanna. Seit dem Ausbruch von Corona ist Paartanz ja nahezu unmöglich.

Was fasziniert Sie so an Salsa?

Willis: Musiker sind bekannt dafür, dass sie nicht so gut tanzen können, obwohl sie ein sehr gutes Rhythmusgefühl haben. Vielleicht, weil wir solche Perfektionisten sind und nichts machen wollen, was wir nicht gut beherrschen. Aber vor über zwanzig Jahren habe ich mit Salsa etwas entdeckt, das ich kann. Diese Musik berührt meine Seele. Vor allem mag ich die kubanische Musik, die streng genommen gar keine Salsa ist. Sie ist inniger und eleganter.

Ihre Liebe zur KIassik und zu kubanischer Musik konnten Sie mit der CD „Mozart y Mambo“ verbinden. Wie kam es zu diesem Projekt? 2017 haben Sie ja in Kuba zunächst einen Meisterkurs gegeben …

Willis: Das war die Ausrede. Ich wollte eigentlich Salsa tanzen. Zu meinem Meisterkurs kamen rund vierzig Hornisten aus ganz Kuba: Der Standard des Könnens war hoch, der Standard der Instrumente furchtbar. Ich habe mir auf der Stelle vorgenommen, langfristig etwas zu unternehmen, damit sie bessere Instrumente bekommen. Abends habe ich dann bei einem Konzert das Havana Lyceum Orchestra mit seinem Dirigenten José Antonio Méndez Padrón mit Mozart und Beethoven gehört und war sehr beeindruckt. Oktober 2017 bin ich mit einem Drehteam zurückgekehrt, um vier Sendungen zu produzieren für mein Magazin „Sarah’s Music – Klassik erleben“, das seit 2014 auf Deutsche-Welle-TV läuft. Aber ich wollte mehr machen.

So kamen Sie also auf das CD-Projekt mit dem Havana Lyceum Orchestra?

Willis: Ja, im Januar 2020 liefen die Aufnahmen in Havanna, und es fand ein Konzert statt. Außerdem haben wir eine Dokumentation über das Projekt gedreht – „Mozart y Mambo. A Cuban Journey“ –, die wie die CD auf sehr viel Interesse stößt.

Beim Kauf einer CD kommt ein Euro dem „Instruments for Cuba“-Fonds zugute, der Instrumente für die kubanischen Musiker beschafft.

Willis: Das war von Anfang an meine Absicht: Ich wollte nicht nur die Aufmerksamkeit auf diese wunderbaren Musiker lenken, sondern auch Hilfe leisten.

Sie spielen auf dem Album mit Orchester sowie einer Salsa-Band. Aus dem kubanischen Son kennen wir Trompete, Posaune und Saxofon. Wie passt das Horn dazu?

Willis: In Boleros und in anderen getragenen Stücken kann ein Horn wunderschön klingen. Bei den schnellen Nummern kommt es ein bisschen schwerer mit, weil der Schalltrichter nach hinten gerichtet ist. Ich musste da eine andere Art der Artikulation finden und mich auch so hinstellen, dass man mich hört.

Frau Willis, Sie hatten eine international ausgerichtete Kindheit: Geboren im US-Staat Maryland, aufgewachsen in Tokio, Boston und Moskau, bis Sie mit dreizehn Jahren nach England gezogen sind.

Willis: Mein Vater war Australier und arbeitete als Auslandskorrespondent, bis meine Mutter, Engländerin, irgendwann sagte: Jetzt ist Schluss, wir bleiben in England! Wir Kinder sind allerdings von Anfang an very British erzogen worden.

In England sind Sie dann mit vierzehn Jahren zum Horn gekommen, obwohl Ihr erster Musiklehrer meinte, Horn sei nur etwas für Jungs.

Willis: Ursprünglich wollte ich Harfe spielen. Aber mein Vater fand das gar nicht gut, weil er ein größeres Auto hätte kaufen müssen. Stattdessen war das Horn an der Schule noch frei. Ich habe mich also nicht aus Trotz für das Horn entschieden, sondern aus Neugier. Damals war mir gar nicht so klar, dass es eher Jungs spielen würden.

Sarah Willis
Sarah Willis

Ist es mittlerweile unspektakulärer geworden als Frau am Horn?

Willis: Es sind nur noch die Journalisten, die das ansprechen. Heutzutage ist es wirklich absolut selbstverständlich. Ich habe es auch fast nie anders erlebt. Heute muss ein Mädchen nicht zweimal überlegen, ob sie sich fürs Horn entscheidet. Und die Hochschulen sind voller talentierter Hornistinnen. Das ist schön zu beobachten.

Seit 2001 sind Sie Hornistin bei den Berliner Philharmonikern. Zum ersten Mal live haben Sie das Orchester gehört, als Sie mit einem Kammerensemble für ein Berlin-Gastspiel im Hebbel-Theater waren. Damals studierten Sie noch an der Guildhall School of Music and Drama in London. Sie haben einmal erwähnt, Sie seien sofort vom Klang der Philharmoniker verzaubert gewesen. Was war das genau?

Willis: Britische Orchester sind von einem dunkleren Hornklang als deutsche Orchester geprägt. Ich habe aber schon als Schülerin auf einem Horn der Firma Gebr. Alexander aus Mainz gespielt, weil mein damaliger Lehrer meinem Vater dazu riet. Er fand, dass dies die besten Hörner der Welt seien. Als ich dann in Berlin die Philharmoniker hörte, die Energie dieses Orchesters und dieser Hörnergruppe erlebte, war das genau der Klang, den ich immer als Ideal in meinem Kopf hatte. Deshalb habe ich entschieden, so nah wie möglich an diesem Klang zu sein. Ich bin also nach Berlin gezogen und studierte bei Fergus McWilliam, Hornist bei den Philharmonikern, ein toller Musiker und Lehrer.

1991 haben Sie dann in der Berliner Staatskapelle angefangen …

Willis: Ja, denn bald wurde eine Stelle an der Staatsoper frei. Als junge Musikerin fand ich: Ich möchte keine Oper spielen, das ist langweilig, viel zu lang und man sitzt die ganze Zeit im Dunkeln. Fergus riet mir jedoch: Mach dort ein Probespiel! Daniel Barenboim geht jetzt dorthin, das wird etwas! Es wurden dann wirklich zehn sehr glückliche Jahre. Bald habe ich auch Opern lieben gelernt. Als schließlich 2001 die Stelle bei den Philharmonikern frei wurde, musste ich mich natürlich dort bewerben.

Neben Ihrer Tätigkeit als Hornistin bei den Berliner Philharmonikern engagieren Sie sich auch in der Musikvermittlung, etwa bei der „Digital Concert Hall“, bei den Education-Projekten der Philharmoniker sowie bei verschiedenen Kinderkonzerten. Auch digital sind Sie in der Musikvermittlung aktiv. Wie tanken Sie bei all diesen Aktivitäten auf?

Willis: Gute Frage. Musik ist ja nicht einfach nur ein Job. Deswegen mache ich so ein Projekt wie „Mozart y Mambo“: Das erfordert zwar viel Zeit und Energie, aber das Glück, mit diesen kubanischen Musikern zu musizieren, bringt mir mehr als ein Urlaub auf den Malediven. Genauso glücklich bin ich bei den tollen Konzerten mit den Berliner Philharmonikern. Das nimmt Energie, gibt aber auch immer Energie. Man muss natürlich darauf achten, dass man gut isst, gut schläft und sich ausreichend bewegt.

Sie zum Bespiel üben sich im Yoga …

Willis: Also, ich kann da wirklich nicht angeben, ich bin nicht die Sportlichste. Ich mache das, weil ich es muss. Ein Horn wiegt einiges, es ist schwer zu halten und zu spielen, man braucht mentale und körperliche Kraft.

Und dann haben Sie ja noch zwei Kakadus …

Willis: Weil ich oft reise, leben sie seit mehreren Jahren bei guten Freunden in der Nähe von Hannover und sind dort sehr glücklich. Ich besuche sie oft, ziehe alte Klamotten an, gehe in die riesige Voliere und bin dann umringt von Kakadus und Papa­geien, die allesamt wissen, dass ich in meiner Tasche Erdnüsse versteckt habe. Das ist für mich einer meiner liebsten Entspannungsorte auf der ganzen Welt.

CD-Tipp

Album Cover für Mozart y Mambo

Mozart y Mambo

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