Rote Doppeldeckerbusse und Telefonzellen prägen Londons Stadtbild seit über hundert Jahren – Designikonen, die Stilbewusstsein und Tradition verkörpern in einer Metropole, die zugleich Zukunft gestaltet und lebt. Doch jenseits der Hauptstadt bewahren Großbritanniens ländliche Grafschaften mit ihren herrschaftlichen Landsitzen das noch heute gelebte, anachronistisch anmutende Adelssystem. Gerade dieses Spannungsfeld aus Tradition und Moderne fasziniert an Großbritannien. Und während die Briten als stoisch gelassen und liebenswürdig gelten, ranken sich vor allem um London dubiose Mythen und düstere Geschichten. Dieser kleine Kosmos, gefangen auf zwei großen und zahlreichen kleinen Inseln zwischen Nordsee und Nordatlantik, macht natürlich auch vor dem Musiktheater nicht Halt. Die Operngeschichte ist durchtränkt von britischen Stoffen – sei es historisches Drama, fantastische Literaturvertonung oder ironische Persiflage.
Brisantes Dreiecksverhältnis
So beleuchtet Gaetano Donizettis „Maria Stuarda“ den Konflikt zwischen der schottischen Königin Maria Stuart und ihrer englischen Cousine Elizabeth I. Als Katholikin erkannte Maria die Herrschaft ihrer Rivalin nicht an, galt Elizabeth doch aus katholischer Sicht als illegitime Tochter Heinrichs VIII. – ohne rechtmäßigen Thronanspruch. Doch nach bester Belcanto-Manier überlagert ein Liebeskonflikt das politische Drama: Der Graf Leicester, Elizabeths Favorit, fühlt sich zu Maria hingezogen. Ein brisantes Dreiecksverhältnis entsteht, das Donizetti musikalisch charakterstark gestaltete. Nun feiert die Oper in Hamburg Premiere. Regie führt Karin Beier, Intendantin des Deutschen Schauspielhauses und eine der einflussreichsten Theatermacherinnen Deutschlands.
Von der Eitelkeit des Adels und der Sehnsucht nach ländlicher Idylle erzählt Friedrich von Flotows romantische Komödie „Martha“. Hinter der titelgebenden Dienstmagd steckt Lady Harriet Durham, die der Schmeicheleien ihrer Verehrer überdrüssig ist. Gemeinsam mit ihrer Vertrauten Nancy sucht sie verkleidet den Markt im damals noch eigenständigen Richmond auf – Missverständnisse und Enttäuschungen vorprogrammiert. Doch am Ende steht eine rührende Doppelhochzeit. Das Salzburger Landestheater nimmt sich dieses biedermeierlichen, Mitte des 19. Jahrhunderts weltweit meistgespielten Werkes an.
Mysteriöses und Geisterhaftes
Nur oberflächlich ähnelt der Landsitz Bly in Brittens „The Turn of the Screw“ einer Idylle. Eine Gouvernante reist dorthin, um im Auftrag ihres Vormunds die Kinder Miles und Flora zu erziehen. Doch bald zeigt sich: Die Geschwister sind von den Geistern zweier verstorbener Bediensteter besessen. Brittens Kammeroper entwickelt sich virtuos zu einem gesungenen Psychothriller. Am Oldenburgischen Staatstheater feiert das Werk in einer Inszenierung von Generalintendant Georg Heckel Premiere.
Mysteriös wird es bald auch in Wuppertal: „The Lodger“, eine kaum gespielte, aber hörenswerte Oper der Engländerin Phyllis Tate, entführt ins viktorianische London – in eine Zeit, als Jack the Ripper sein Unwesen trieb. Aus Geldnot nimmt Emma Bunting einen vornehmen Herrn als Untermieter auf. Doch bald deuten religiöser Wahn und psychische Abgründe auf das Unvermeidliche hin: Der Gentleman ist nicht der, für den er sich ausgibt. Aufgrund von Verzögerungen bei der Bereitstellung des aufwendigen Bühnenbildes, wird die Premiere der Produktion allerdings in die Spielzeit 2025/26 verschoben.
Beliebter Klassiker
Weniger mysteriös, aber nicht minder kriminell ist der Gaunerkönig Macheath. Er pflegt beste Beziehungen zum Polizeichef Tiger Brown, bewegt sich mühelos zwischen Frauen- und Unterwelt und gerät in Konkurrenz zur Londoner Bettelmafia Peachums. Mit satirischem Witz blickt Bertolt Brecht auf das Treiben zwielichtiger, hochorganisierter Gaunerbanden, wie sie im 18. Jahrhundert die Stadt unsicher machten. „Die Dreigroschenoper“, ein beliebter Klassiker, ist nun auch am Theater Kempten zu erleben.
Fr, 14. März 2025 20:00 Uhr
Weill: Die Dreigroschenoper
Philip Tillotson (Leitung), Silvia Armbruster (Regie)
Sa, 15. März 2025 19:00 Uhr
Flotow: Martha
Nicole Lubinger/Annika Sandberg (Lady Harriet Durham), Mona Akinola (Nancy), Daniele Macciantelli (Lord Tristan Mickleford), Tobias Meichsner (Leitung), Christiane Lutz (Regie)
Sa, 15. März 2025 19:00 Uhr
Weill: Die Dreigroschenoper
Philip Tillotson (Leitung), Silvia Armbruster (Regie)
Sa, 15. März 2025 19:30 Uhr
Britten: The Turn of the Screw
Stephanie Hershaw (Flora), Monika Walerowicz (Mrs. Grose), Adréana Kraschewski (Miss Jessel), Hendrik Vestmann (Leitung), Georg Heckel (Regie)
So, 16. März 2025 18:00 Uhr
Donizetti: Maria Stuarda
Ermonela Jaho (Maria Stuarda), Barno Ismatullaeva (Elisabetta), Aebh Kelly (Anna), Long Long (Roberto), Alexander Roslavets (Talbot), Gezim Myshketa (Cecil), Antonino Fogliani (Leitung), Karin Beier (Regie)