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Porträt Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker

Das Wunder von der Spree

Im berühmtesten Orchester Deutschlands zu spielen reicht ihnen nicht. Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker machen gerne ihr eigenes Ding.

vonCarolin Pirich,

Die 12 Cellisten sind das, was man ein Wunder nennen könnte. Zunächst ist es ein Organisationswunderwerk, dass es sie überhaupt gibt, denn wenn alle Cellisten anderes zu tun hätten, als in ihrem Orchester zu spielen, müssten die Berliner Philharmoniker Pause machen, und das geht ja nicht. Deshalb ist es ein kleines Kunststück, mit den 12 Cellisten eine Probe oder sogar eine Konzertreise zu organisieren und ein großes, dass sie gut 25 Konzerte im Jahr geben und das nun seit 40 Jahren.

In diesem Jahr haben die 12 Cellisten Jubiläumskonzerte gespielt, eine DVD in Auftrag gegeben, die das Ensemble porträtieren soll, und Klaus Wallendorf, Hornist bei den Philharmonikern und selbst Teil des Spezialistenensembles German Brass, hat ein humorvolles Büchlein über seine Streicherkollegen geschrieben. „Immer Ärger mit dem Cello“ heißt es. Er hat es vor der Veröffentlichung natürlich nicht den Kollegen gezeigt. Ein kleines Risiko für die Harmonie im Orchester? Rachel Helleur, drittjüngstes Mitglied der 12 Cellisten und eine der beiden einzigen Damen, wählt den britisch-diplomatischen Ton für die Antwort: „Für eine Nicht-Muttersprachlerin ist es sehr komplex geschrieben. Sehr ironisch“, sagt sie und lässt ihre wasserblauen Augen lächeln. Ihr Kollege Nikolaus Römisch, seit 2000 Mitglied der Philharmoniker und somit auch der 12 Cellisten, bleibt Berlinerisch direkt: „Das ist Glücksache, dass wirklich alle zufrieden sind“, sagt er, „bei zwölf Spielern gibt es immer 13 verschiedene Meinungen.“

 

Das Erfolgsrezept des Spitzenensembles

 

Er sitzt vor einer Probe zusammen mit Rachel Helleur im kargen Vorstandszimmer der Philharmoniker und erzählt vom kleinen Wunder, dass allerhand Spitzencellisten aus einem Spitzenorchester es überhaupt miteinander aushalten. Schließlich kann sich keiner durch eine andere Stimme abheben. Keiner liegt höher oder tiefer, klingt schriller oder sanfter. Alle Anekdoten treffen und betreffen einen selbst, und jeder kann das Können des anderen bis ins Detail einschätzen. Aber vielleicht ist genau das das Erfolgsrezept; keiner kann Witze über den anderen machen, ohne wenigstens ein bisschen sich selbst zu meinen. 

 

Die Vielfalt des Repertoires

 

Beliebt sind die 12 Cellisten über die reine Klassikwelt hinaus. Das mag daran liegen, dass ihr Klang aus einer einzigen Materie stammt, aber kaum Wünsche offen lässt. Andererseits liegt das wohl auch am speziellen Repertoire, das sie erarbeitet haben, weil es kaum originäre Werke für zwölf Celli gibt. Dazu gehört Hochexpressives von der russischen Komponistin Sofia Gubaidulina, die den 12 Cellisten erst im vergangenen Jahr eine Komposition gewidmet hat sowie Werke von Iannis Xenakis, Wolfgang Rihm und Arvo Pärt, die ebenfalls eigens für das Berliner Ensemble komponiert haben. Sie spielen sakrale Musik von Bach bis Piazzolla. Und sie haben eine Vorliebe für Leichtfüßiges, Chansons von Edith Piaf etwa. Oder Songs von Elvis Presley. 

 

Große Bewunderung in Asien

 

Wenn man auf die Website schaut, fällt auf, dass die 12 Cellisten eine besondere Verbindung zu Staatsoberhäuptern haben und oft eingeladen werden. Das liege sicher schlicht daran, bemerkt Helleur bescheiden, dass das Ensemble ein Teil der Berliner Philharmoniker sei, allerdings ein wenig günstiger zu haben als das ganze Orchester. In Asien galten sie, bis der erste Damennachwuchs hinzu kam, als „heiße Boygroup“. Vor allem zu Japan haben die Musiker eine enge Verbindung: „Der Kaiser und die Kaiserin sind Fans.“

Die beiden Cellisten blicken kurz auf ihre Handys, stehen auf. Die Probe beginnt, und wer zu spät kommt, den empfängt der spöttische Applaus der anderen. Auf dem Plan steht ein Werk von Brett Dean, Twelve angry men. Eigentlich haben die 12 Cellisten 13 Mitglieder. Aber zwölf klingt besser. Mehr nach Wunder.

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