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Porträt Alex Penda

Furor und Finesse

Alex Penda macht seit ihrem 17. Lebensjahr klammheimlich Karriere. Dass sie zu den größten Sopranistinnen ihrer Altersklasse zählt, blieb bislang selbst vielen Opernfans verborgen

vonVolker Tarnow,

Vielleicht ist sie zu vielseitig. Mit einschüchternder Bühnenpräsenz und dunkel timbriertem Sopran feiert sie Erfolge im Barock- und Belcanto-Repertoire; sie glänzt immer wieder als Mozartmaid, pflegt aber auch eine Liebe zur russischen Oper, die ihr als Bulgarin besonders naheliegt. Und vor einem halben Jahr legte sie mit der Salome ein völlig verblüffendes Rollendebüt hin. Würde Alexandrina Pendatchanska weniger Partien singen, könnte man sie leichter identifizieren – was auch fürs Marketing einfacher wäre. „Das ist ja mein Problem“, sagt sie ironisch, „dass ich ständig neue Rollen  singe. Insgesamt 65 Partien von Händel bis Britten – ich kann es selbst kaum glauben.“

Neuer Name – neues Glück

Die Verwandlungen finden nicht nur auf der Bühne statt. Kürzlich beschloss die Sängerin, sich umzutaufen. Aus Alexandrina Pendatchanska wurde Alex Penda. Ihr Label fand die Idee überhaupt nicht toll, es war kurz nach der Veröffentlichung der phänomenalen Agrippina-Einspielung mit René Jacobs. Aber das interessierte sie nicht. „Meinen Namen zu ändern, war immer schon mein großes Bedürfnis. Pendatchanska ist zu lang, zu schwergewichtig, und Alexandrina erinnert mich an meine Kindheit, wenn ich irgendeinen Unsinn verbrochen hatte und zur Ordnung gerufen wurde: A-lex-an-dri-na!!! Das ist der Name einer Königin, nicht eines Menschen. Er verpflichtet einen zu so viel. Als Alex Penda fühle ich mich frei… sicher, meine Töchter mögen den neuen Namen nicht, und in der PR-Abteilung von harmonia mundi hieß es, die Änderung sei eine Art Selbstmord. Aber ich habe es trotzdem gemacht. Ich kann sehr irrational sein…“

Die Aufnahme von Händels Agrippina entstand 2010 parallel zur Premiere an der Berliner Staatsoper. Sie erhielt den BBC-Opera-Award und wird als Referenzeinspielung gehandelt, was René Jacobs, der Akademie für Alte Musik und nicht zuletzt Alex Penda in der Hauptrolle zu danken ist. Die Inszenierung von Vincent Boussard wird im Mai 2013 wieder in der Staatsoper zu sehen sein.

Premiere in der Staatsoper

Alex Penda kann man im Schiller Theater, der momentanen Spielstätte von Barenboims Bühne, schon früher wieder begegnen, nämlich in La Finta Giardiniera. Mit Mozarts Jugendoper hat sie sich bereits in einigen Städten hören lassen, darunter Wien und Madrid, stets begleitet von René Jacobs und dem Freiburger Barockorchester; in Berlin wird es mehrere Änderungen geben: Es spielt die Staatskapelle, es dirigiert Christopher Moulds, für die Regie zeichnet Hans Neuenfels verantwortlich, der auch eine Neufassung des Librettos erstellt.

Arminda in La Finta Giardiniera fällt durch Liebreiz auf. Damit gehört sie sozusagen zum natürlichen Repertoire Alex Pendas. Bei Mozarts eleganten und raffinierten Partien ist die Sopranistin in ihrem Element, und sie wird nur deswegen nicht zu seinen herausragenden Interpretinnen gezählt, weil sie eine herausragende Interpretin des Belcanto ist, was jedoch nicht gebührend gewürdigt wird, da sie zugleich eine herausragende Verdi-Sängerin ist.

„Wenn für mich überhaupt einige Komponisten im Mittelpunkt stehen, so sind das wohl Mozart, Donizetti, Rossini und Verdi.“ In den Werken dieser vier Meister hatte sie ihre ersten Auftritte nach dem Bühnendebüt 1987 mit La Traviata. Trotz zahlloser Erfolge in ganz Europa seit immerhin 25 Jahren wird sie gelegentlich noch als „Nachwuchs“ und „Entdeckung“ gelobt. Natürlich ist es für eine 42-jährige Künstlerin angenehm, als die „junge Alexandrina Pendatchanska“ bezeichnet zu werden, aber es zeigt auch, wie weit sie noch hinter den Stars der Manege zurücksteht. Sie ist – kurios angesichts ihres Könnens und ihres Repertoires – nach wie vor ein Geheimtipp.

Von Verdi über Gluck zu Strauss

Das hat Vorteile und Nachteile. Zu den Vorteilen gehört, dass sie sängerisch und schauspielerisch immer wieder Sensation macht, sei es in ihren klassischen Rollen, wenn sie etwa als Donizettis Elisabetta für die Kasarova einspringt, sei es in ungewöhnlichen Debüts. Der Furor, den sie Anfang des Jahres als Circe in Glucks Telemaco entfaltete, brachte das Wiener Publikum an den Rand netter Nervenzusammenbrüche und ließ Kritiker von „atemberaubender Intensität“ schwärmen.

Die übertraf sie noch als Salome, im Mai 2012 bezeichnenderweise nur in St. Gallen aus der Taufe gehoben. Eigentlich fällt der mörderische Charakter dieser Dame voll in Pendas Charakterfach, stimmlich hat sie damit auch keine Probleme, aber große Bühnen wollten ihr die Salome nicht anvertrauen. Sie hingegen war von Anbeginn, als sie vor einigen Jahren die Strauss-Oper für sich entdeckte, von dem Gedanken einer Darstellung durchdrungen. Nur ein Punkt ließ sie zögern: „Die Herausforderung für mich war die deutsche Sprache und die Tatsache, dass dies mein erster Strauss war, meine erste große deutsche Rolle.“

Bedenken solcher Art pflegt Alex Penda durch Arbeit niederzuringen; sie begann Deutsch zu lernen. Das Casting für große Häuser erwies sich als schwieriger. „Worum ich kämpfen musste, war ein Wandel der konventionellen Vorstellung von Salome als so etwas wie einer germanischen Walküre. Für mich ist sie eher eine mediterrane Figur, eine starke, leidenschaftliche, verwirrte junge Frau. Auf diese Weise habe ich sie auch gespielt und gesungen.“ Und auf diese Weise eröffnete sie sich mit ihrem umjubelten Strauss-Debüt in der Schweiz „eine völlig neue Welt. Ich hatte immer gewusst: das ist eine Rolle für mich. Alles ist möglich, wenn du es wirklich erreichen willst.“

Bulgarische Wurzeln

Willensstärke und Selbstbewusstsein gehören zu Alex Pendas Grundausrüstung. Das verrät schon ein über ihre Homepage abrufbares Video aus dem Jahre 1988, in dem sie Verdi singt. Damals schloss sie gerade ihr Studium ab. Die Ausbildung in Bulgarien beinhaltete nicht nur Gesang, sondern seit dem fünften Lebensjahr auch Klavier. Die Substanz einer solch außergewöhnlichen Begabung verdankt sie ihrer Familie und ihrem Heimatland. Ihre Mutter Valerie Popova, eine namhafte Opernsängerin, unterrichtete sie, ihr Großvater Sascha Popov war Dirigent, er gründete das Philharmonische Orchester Sofia und die Staatsphilharmonie Varna.

Man muss kein Kollektiv-Mystiker sein, um dem bulgarischen Erbe ebenfalls eine gewisse Bedeutung beizumessen. Eine derart alte und tiefgründige Gesangstradition findet sich nicht überall in Europa; es kommt nicht von ungefähr, dass ein solch kleines Land gleich mehrere erstklassige Sänger ins internationale Opernrennen schickt, wie es Bulgarien mit Vesselina Kasarova, Krassimira Stoyanova und Alexandrina Pendatchanska derzeit gelingt.

Immer gut für eine neue Überraschung

So oft, wie sie möchte, kann Alex Penda nicht nach Bulgarien fahren. Sofia im Sommer, lautet die Empfehlung, eine wundervolle, leere Stadt, Wanderungen durch das Balkangebirge und die Rhodopen auch hinreißend. Aber der Beruf, die Kunst! Angesiedelt hat sie sich in Paris, weil ihre Familie dort Wurzeln besaß, mittlerweile ist ihr diese Adresse nicht mehr wichtig. Solange die Kinder zur Schule gehen, will sie jedoch in Frankreich bleiben.

Welche Metamorphose sie als nächste veranstaltet, kann übrigens niemand vorhersagen. Möglichkeiten gibt es viele. Ihr Roman Da capo erhielt in Bulgarien mehrere Preise, die erste Auflage ist längst ausverkauft. Demnächst erscheint das Buch auf Deutsch. Eine Abwanderung in die Literatur droht zum Glück nicht; sie werde das Schreiben zwar nicht aufgeben, aber das neue Projekt sei eine Nummer kleiner, verrät sie. Kommt jetzt die Wagner-Kurve? Eher nicht. Aber mit den Wesendonck-Liedern habe sie es kürzlich schon versucht. Irgendetwas Neues kommt auf alle Fälle. Und es wird ebenso überraschend wie durchdacht sein. Und das Rätselraten über die wahre Identität von Alex Penda sicher nicht beenden.

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