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PORTRÄT ALEXANDER MELNIKOV

„Universalität ist wichtig“

Beim Pianisten Alexander Melnikov kamen Glück und Talent zusammen

vonChristian Schmidt,

„Ja, ich habe unglaublich viel Glück gehabt.“ Alexander Melnikovs Ehrlichkeit ist beeindruckend. Der 40-jährige Russe mit den warmen, braunen Augen hat kein Problem damit zuzugeben, dass es eben nicht nur darauf ankommt, talentiert zu sein. Melnikov kam eher über die Kammermusik zu Ehren: Seit er mit der Geigerin Isabelle Faust ein festes Duo bildet, öffnete er sich auf diesem Weg die Saaltüren zu den großen Konzertpodien dieser Welt. Denn die Faust brachte in die musikalische Beziehung die Verbindung zum Label harmonia mundi ein; postwendend wurde die Gesamteinspielung sämtlicher Beethoven-Violinsonaten als Referenzaufnahme mit dem Gramophone Award und dem ECHO Klassik 2010 ausgezeichnet.

„Universalität ist wichtig“, sagt Melnikov gern, „wenn Sie als Pianist immer nur die großen Schinken auf Wettbewerben spielen, fehlt Ihnen das breite Repertoire für die Konzertsäle.“ Melnikov weiß, dass diese Meinung nicht alle seine Kollegen teilen, aber seine Erfahrung lehrt, dass es nicht nur den einen Weg gibt. „Ich hatte nie Angst vor der Kammermusik und der Schublade, in die man dann vielleicht gesteckt wird“, beschreibt Melnikov das Glück, dass er sich vor Angeboten kaum retten kann.

Die Breite seines Repertoires spiegelt sich in seinen Konzerten. Wohl kaum ein anderer Pianist wäre in der Lage, in kurzer Zeit so unterschiedliche Programme zu spielen. Da kommt es schon mal vor, dass er erst Schostakowitschs Doppelkonzert für Trompete, Klavier und Orchester und drei Tage später die Harmonies poétiques et religieuses von Franz Liszt spielt. Beim RIAS Kammerchor setzt er sich gar als Begleiter ans Harmonium. Es ist nicht nur die uneitle Art, die Melnikov so sympathisch macht, sondern ein echtes Sendungsbewusstsein. Diese Art von musikalischer Missionierung ist Melnikov auch wirklich wichtig: „Wir leben in einer Krisenzeit, das Niveau der Programme sinkt kontinuierlich. Wenn Sie heutige Programme mit denen von 1950 vergleichen, fällt Ihnen der Unterschied schnell ins Auge.“ Die Frage stellt sich der russische Pianist, der von Nationalschulen nichts wissen will, immer wieder: Wie kann ein integrer Musiker die Pflicht erfüllen, dem kulturellen Verfall entgegenzuwirken? Und was braucht ein Publikum heute: Entspannung, Belebung, Unterhaltung? Oder doch etwas anderes?

„Noch 2007 hatte ich gar nicht viel Lust, Konzerte zu spielen. Es wird ja auch immer erwartet, dass man auswendig spielt, da habe ich noch heute Versagensängste“, gibt Melnikov gern zu. Manchmal legt er sich dann noch die Noten in den Flügel, „aber nur, wenn sie nicht stören“. In der historischen Aufführungspraxis spielt man grundsätzlich nicht auswendig, was Melnikovs Affinität zur Alten Musik entgegenkommt. Preise gewinnt er aber vor allem mit der klassischen Moderne. Die Aufnahme der Präludien und Fugen von Schostakowitsch wurde vom BBC Music Magazine unter die „50 größten Aufnahmen aller Zeiten“ gewählt. Auch sein jüngster Schostakowitsch, eben jenes Doppelkonzert mit Trompete, erhielt soeben den Choc de classica 2012. Die Antwort auf die Frage nach Schostakowitschs politischer Bedeutung ist dann aber wieder ganz melnikovinisch: „Eigentlich können wir das gar nicht genau wissen. Und die reine Musik ist interessant genug.“

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