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Porträt Andris Poga

In der Ruhe liegt die Kraft

Andris Poga wirkt unaufgeregt am Pult, entfacht aber im Orchester feurige Leidenschaft und legt Wert auf Hintergrund und Aussage eines Werks.

vonSusanne Bánhidai,

Seine musikalische Karriere begann mit der Trompete. Die Eltern brachten Andris Poga direkt in die Blasinstrumentenabteilung der Musikschule, andere Instrumente standen offenbar nicht zur Debatte. Zwei Jahre später musizierte er im Schulorchester, und da war es um ihn geschehen: der Klang, das Zusammenspiel mit den anderen Instrumenten und nicht zuletzt die Interaktion mit dem Taktstock. Die Faszination, die dort geboren wurde, legte den Grundstein für seine heutige Karriere als Dirigent. Der musikalische Start prägt seine Arbeit bis heute: „Ich bin der Blechbläser-Truppe gegenüber manchmal sehr kritisch, fast pingelig.”

Die erste Orchesterprobe? Wie ein Arztbesuch!

Studiert hat Andris Poga in seinem Heimatland an der Jāzeps Vītols Latvian Academy of Music. Stationen als Musikdirektor des Lettischen Nationalorchesters in Riga und als Assistent beim Boston Symphony Orchestra sowie dem Orchestre de Paris brachten ihn 2021 ins norwegische Stavanger, wo er heute als Chefdirigent tätig ist. „Beim Stavanger Orchester fühle ich viel Einverständnis in der Art der Kommunikation. Es gibt wenig Small Talk, der Fokus liegt auf der Musik. Obwohl das Orchester international aufgestellt ist, spüre ich eine nordische Mentalität, die mir sehr nahe ist.“ Längst gastiert Poga bei Spitzenorchestern der Welt, in Deutschland macht er gerne Station beim WDR Sinfonieorchester, beim NDR Elbphilharmonie Orchester oder beim Deutschen Symphonie-Orchester Berlin. Eine Asien-Tour mit den Münchner Philharmonikern 2014, als er Lorin Maazel und Valery Gergiev vertrat, war Türöffner und Ausnahme zugleich, denn Poga mag es nicht, kurzfristig einzuspringen. Zu wichtig ist ihm die gemeinsame Arbeit mit den Orchestern, die sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben. „Ein Orchester mit jungen Musikern braucht Führung, ein etabliertes Orchester eher den Austausch. Die erste Probe mit einem Orchester gleicht daher einem Besuch beim Arzt: Ich stelle eine Diagnose: Wo sind die Schwachstellen? Wie kann ich dem Orchester helfen, sich zu entwickeln?“ Poga beschreibt das Dirigieren als mehr als eine logistische Leistung. Wichtiger als das Management von Dynamik-Zeichen sind ihm Hintergrund und Aussage des Werkes.

Woher kommt dieser analytische Blick, verbunden mit der Hingabe zur Kommunikation? Poga studierte in seinem Heimatland nicht nur Dirigieren, sondern auch Philosophie. „Das Studium hat mich dazu erzogen, den Dingen auf den Grund zu gehen und nicht dem oberflächlichen Effekt nachzujagen.“ Angesprochen auf seine ruhige Ausstrahlung beim Dirigieren reagiert Poga fast überrascht, weil er sich selbst als emotionale Persönlichkeit beschreibt. Beim Dirigieren dominieren bei ihm klarer Verstand, Teamgeist und die Aufgabe, das Beste aus dem Orchester herauszuholen. „Das Ego des Dirigenten sollte nicht im Vordergrund stehen. Meine Körpersprache ist zwar intuitiv. Ich glaube aber, wenn du als Dirigent zu große oder gar plötzliche Gesten machst, geht Energie verloren.”

Dramatische Gegensätze statt Mainstream

Das Philosophiestudium trainierte überdies seine Fähigkeit, komplexe Partituren zu verstehen, und öffnete ihm Horizonte. Dazu passt, dass er – als professionell Reisender – auch privat gerne neue Kulturen, Mentalitäten, Länder und Landstriche kennenlernt. Allergisch reagiert er oft gegenüber Mainstream, besonders wenn es um Musik geht. So verlässt er auch schon mal ein Restaurant, wenn dort zu laute Popmusik läuft. „Mich nervt der einheitliche Beat, auch bei Minimal Music. Ich schätze dramatische Gegensätze, wie ich sie bei Tschaikowsky, Mahler und Wagner finde.“ Auch Richard Strauss, Alfred Schnittke und Dmitri Schostakowitsch gehören zu seinen Favoriten, selbstverständlich auch das kompositorische Schaffen seines Landsmanns Pēteris Vasks. Beim Autofahren bleiben die Boxen ganz aus. Da braucht er auch mal Ruhe.

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