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Porträt Angelika Kirchschlager

»Im Semifinale war Schluss«

Als Teilnehmerin war sie beim Wettbewerb Neue Stimmen nicht erfolgreich. Heute gibt Angelika Kirchschlager dort eine Meisterklasse.

vonTeresa Pieschacón Raphael,

Einst flog sie aus dem  Gesangswettbewerb Neue Stimmen der Bertelsmann Stiftung heraus: „Im Semifinale war Schluss“, wie die Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager lachend und gerne erzählt. Aber schließlich sei doch „alles gut gegangen“, hat sie in den letzten zwanzig Jahren schließlich eine einzigartige Karriere als Opern- und Liedsängerin hingelegt. Heute leitet sie die Meisterklasse Lied dieses Wettbewerbs, der 2013 sein 25. Jubiläum feiert, und freut sich, dass sie ihre Erfahrungen weitergeben darf. Schließlich stünde es um das Lied nicht zum Besten: „Unsere Zeit ist zu schnell, zu laut, alles zu groß, zu massig, die Globalisierung, das Netz… das sind alles keine guten Voraussetzungen für das intime Repertoire des Liedes.“ Deshalb versuche sie als Liedsängerin den Menschen die Angst vor dem Lied zu nehmen, junge Menschen an dieses Repertoire zu gewöhnen und es „so nah wie möglich an sie heranzubringen, ohne aufwendige Kleider oder wichtigtuerische Pose, ohne Dramen, ohne Pathos.“ Als Pädagogin möchte sie gerne Liedsänger geradezu heranzüchten. Sänger, die sich mit „der eigenen Persönlichkeit hineinbegeben und nicht versuchen, die Schwarzkopf oder die Ludwig nachzumachen“. Denn das funktioniere nicht. 

 

Gänsehaut gehört dazu

 

Mit vier jungen Sängern wird sie während des Wettbewerbes arbeiten, gemeinsam werden sie ein Repertoire erarbeiten, das noch nicht fixiert ist. Fest aber steht, was Angelika Kirchschlager von ihnen will: „Sänger müssen ihre eigene Kraft aktivieren. Wenn ein Mensch ganz in sich steht und weiß, was er will, dann kann er das auch vermitteln. Ich gebe ihnen Ideen. Und frage sie, was willst Du? Und es stellt sich heraus: viele haben noch gar keine Vorstellung von etwas, wissen gar nicht, ob sie etwas wollen, wollen auch oft gar nichts.“

Viele junge Sänger erwarteten von ihr viele gute Tipps; wie sie singen sollen, was sie machen sollen, um an Aufträge zu kommen. Doch es ginge um etwas ganz anderes. Merken müssten sie alle, dass sie „aufstehen dürfen und aufstehen müssen als Mensch und ihre Persönlichkeit aktivieren müssen und eine Meinung haben müssen, ohne Rücksicht darauf, ob das jetzt gefällt oder nicht. Wenn ich das schaffe, ist das der Moment, wo ich selbst eine Gänsehaut bekomme. Und das Publikum mit mir.“

In Salzburg sei sie einmal einem Studenten begegnet, der recht verschlossen war. „Er sang mir die Grafen-Arie vor, sehr schön, aber unendlich brav einstudiert. Ich habe gespürt, dass nicht er selbst zu mir spricht. Und dann habe ich ihm gesagt: „Sag’ es mir einfach! Sag es!“ Und dann hat ein Kampf in ihm stattgefunden. Man muss sich ja öffnen, alles preisgeben. Man kann keine Schablone vor das Publikum stellen; das machen übrigens viele.“ Aber dies sei eben nicht das, was sie wolle. Schließlich habe der junge Mann all seinen Mut zusammen genommen, vielleicht auch eher losgelassen und sich vom Publikum abgewandt. „Er hat sich zu mir gedreht, ich stand etwa einen Meter von ihm entfernt. Er hat mir in die Augen geschaut und alle Schleusen geöffnet und mir das ins Gesicht gesungen. Ich bin auf der Stelle in Tränen ausgebrochen, in der Öffentlichkeit!“

„Scheitern ist nicht erlaubt“

 

Hingabe sei absolut wesentlich. Die Arbeit höre nie auf. „Man muss durchhalten, sich immer wieder erneuern und spannend bleiben und wachsen. Man muss diese Pflanze mit irrsinnig viel Aufwand pflegen, fleißig sein, geduldig sein und auf vieles verzichten.“ Das wollen natürlich viele nicht hören und setzen die Gesundheit ihrer Stimme aufs Spiel, in dem sie vorzeitig Partien annehmen, denen sie stimmlich eigentlich noch nicht gewachsen sind und vielleicht auch nicht persönlich: „Die Schnelligkeit des Betriebs, die Öffentlichkeit, das Internet. Man steht ständig unter Beobachtung, es gibt keine Zeit mehr, Fehler zu machen. Scheitern ist nicht erlaubt, weil der nächste vor der Tür steht. Die Manager haben keine Zeit mehr, einen Künstler wachsen zu lassen. Das macht es schwierig.“ Wettbewerbe wie Neue Stimmen vermitteln neben Preisgeldern wertvolle Erfahrungen, sind allerdings keine Garantie für eine Karriere. Ob sie gerne heute noch einmal anfangen würde? „Ich habe mir das ganz oft überlegt und nein, ich würde mir das Ganze nicht noch mal antun. Es ist ein herrlicher und schöner Beruf; diese Erfüllung hat mich getragen, sonst würde man tot umfallen oder in der Klapsmühle landen.“

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