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Porträt Arditti Quartett

Unermüdlich

Das Arditti Quartett hat mehr als tausend Kompositionen gespielt und über zweihundert CDs veröffentlicht. Nun feiert es fünfzigjähriges Bestehen.

vonHelge Birkelbach,

Jubiläen lassen ja immer staunen, was sich innerhalb einer gewissen Zeitspanne so alles angesammelt hat. Auszeichnungen, Anzahl der Ersteinspielungen, zurückgelegte Tourkilometer und Diverses mehr sind einige Parameter, die eine zumindest quantitative Einordnung zulassen. Man könnte auch die Notenblätter zählen, die das Arditti Quartett in den vergangenen fünfzig Jahren mit seinen Anmerkungen zu diffizilen Spielweisen der zeitgenössischen Musik versehen hat. Das würde gewiss zu weit führen. Aber das Staunen über das Quartett rund um seinen Gründer, den britischen Geiger Irvine Arditti, ist nicht nur groß, sondern fußt auf Zahlen, die tatsächlich jede Dimension sprengen. Die voluminöse Diskografie umfasst über zweihundert CDs – allein beim französischen Label Montaigne Naïve erschienen 42 Aufnahmen mit Porträts zeitgenössischer Komponistinnen und Komponisten. Über zwanzig weitere Labels haben Einspielungen des Ensembles veröffentlicht, und damit Werke so ziemlich aller großen Namen des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts wie Adès, Aperghis, Cage, Carter und – etwas weiter im Alphabet nach hinten geblättert – Gubaidulina, Harvey, Kagel, Kurtág, Lachenmann bis hin zu Xenakis. Auch legendäre Ereignisse der Musikgeschichte wie Stockhausens spektakuläres „Helikopter-Quartett“ wurden vom Ensemble auf Tonträger festgehalten.

Die erstaunliche Liste fußt natürlich auch darauf, dass zahlreiche neue Werke dem Arditti Quartett gewidmet und von ihm uraufgeführt wurden. Und dass es nicht müde wird, rund um den Globus aufzutreten und somit neue Kontakte knüpfen zu können. Die komplette Repertoireliste umfasst mehr als tausend Streichquartettwerke von über 620 Komponisten, von A wie Hans Abrahamsen bis Z wie Ramon Zupko. Insgesamt dreimal gewann das Arditti Quartett den Gramophone Award für die „beste Aufnahme zeitgenössischer Musik“. 1999 wurde ihm der Ernst-von-Siemens-Musikpreis (als einziges Ensemble bisher) für das musikalische Lebenswerk verliehen. Das Arditti Quartett, könnte man sagen, ist überall präsent. Dabei fußt seine Gründung auf einer spontanen Notwendigkeit.

Die Sache mit Penderecki

Die Royal College of Music, wo Irvine Arditti studiert hatte, bat diesen 1974, aus Anlass einer Preisverleihung an den Komponisten Krzysztof Penderecki ein Programm zu gestalten. Arditti scharte eine Gruppe junger Musikerkollegen um sich, um unter anderem das neue zweite Streichquartett des polnischen Komponisten aufzuführen. Jedoch: Das Ensemble hatte noch keinen Namen. Einladungen mussten gedruckt werden, die Zeit war knapp. Innerhalb von 24 Stunden musste ein Name her, so entschied man sich temporär einfach für den des Gründers. Als das Quartett schließlich anfing, über einen „richtigen“ Namen nachzudenken, war es schon zu spät. Wie auch immer, die Musiker waren begeistert, mit Penderecki arbeiten zu können. „Er war in London und probte mit uns“, erinnert sich Arditti. „Und so praktizierten wir gleich von Anfang an die Arbeitsweise, der wir seither immer treu geblieben sind: Ein neues Werk wird in Anwesenheit des Komponisten einstudiert, so dass er Gelegenheit hat, die Interpretation mitzugestalten.“ Aber das Timing muss stimmen, betont Arditti: „Es ist immer besser, ihn möglichst früh dabei zu haben, denn Änderungen sollten nicht allzu spät vorgenommen werden.“

So spricht ein Mann mit Erfahrung. Dabei waren die ersten Jahre des neuen Quartetts noch weit entfernt von der enormen Schlagzahl an Auftritten und Einspielungen. 1976 wurde Arditti Mitglied des London Symphony Orchestra und bereits zwei Jahre später, mit 25 Jahren, zum stellvertretenden Konzertmeister ernannt. Sein Quartett stand hinten an: „Wir spielten nur etwa fünf bis zehn Konzerte im Jahr, weil ich fast die ganze Zeit beschäftigt war“, erzählt der Geiger. Im Jahr 1980 entschied er sich schließlich, das LSO zu verlassen, um sich ganz auf sein Ensemble und die Neue Musik konzentrieren zu können. Seine Überzeugung: „Es gibt nichts, was nicht gespielt werden kann, außer es ist schlecht geschrieben.“ Im Laufe der Jahrzehnte wechselte die Besetzung mehrfach, heute besteht das Arditti Quartett neben dem Gründer aus dem Geiger Ashot Sarkissjan, dem Bratschisten Ralf Ehlers und dem Cellisten Lucas Fels. Sie feiern das halbe Jahrhundert gebührend mit einer Jubiläumstournee.

Album-Tipp:

Album Cover für López: Infinita Domenica

López: Infinita Domenica

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