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Porträt Benjamin Grosvenor

Ganz entspannt

So intensiv sein Klavierspiel ist, so gelassen und bescheiden ist das Naturell von Benjamin Grosvenor. Ein Porträt über einen der vielversprechendsten Jungmusiker

vonDorothe Fleege,

„Kaum Huster!“ Mit diesen zwei Worten beschreibt Benjamin Grosvenor das deutsche Publikum. Und fügt an: „Die Zuhörer hier sind generell äußerst aufmerksam und konzentriert.“ Natürlich muss der Shootingstar aus England auch die zahlende Besucherschaft in den anderen Konzertsälen loben. Den Enthusiasmus der offensichtlich deutlich stärker hustenden Amerikaner etwa, wo der 24-Jährige ein gefragter Interpret ist.

Liest man seine Konzertagenda, wird einem leicht schwindelig: USA, Kanada, eine ausgedehnte Südamerika-Tournee, dazwischen immer wieder Auftritte in seiner britischen Heimat, und das alles innerhalb eines Monats. Auch hierzulande ist man inzwischen auf den Pianisten aufmerksam geworden. So hat ihn etwa das Konzerthaus Dortmund in seiner Reihe der „jungenWilden“ gleich als Artist in Residence aufgenommen. Das Leben aus dem Koffer scheint Grosvenor nichts auszumachen. Selbst eine Reise mit unerwarteten Überraschungen und Verspätungen können seinem Klavierspiel nichts anhaben. Bisweilen ist sogar das Gegenteil der Fall: „Ich habe schon Konzerte gespielt, die ich zu meinen besten zähle, nachdem ich eine absolut miserable Anreise hatte. Da wirkt die Bühne für mich wie eine Art Befreiungsmöglichkeit.“ Und wenn’s gar nicht läuft, hilft ihm bei Reisestress Yoga. Viel wichtiger als der gelungene Transfer ist für ihn, dass er sich willkommen fühlt, wenn er in einer fremden Stadt zum ersten Mal spielt, wie das etwa in München in diesem Monat der Fall sein wird.

Flackerndes Licht? Geht gar nicht!

Benjamin Grosvenor
Benjamin Grosvenor © Sophie Wright/Decca

Problematischer sind andere unvorhersehbare Vorkommnisse. „Ich kann mich an ein Konzert erinnern, da gab es Probleme mit dem Licht. Am Anfang war das lustig und wir haben uns alle amüsiert. Aber als sich das Flackern nicht abstellen ließ, war das Publikum einfach genervt und auch ich habe mich nicht mehr wohlgefühlt.“ Dennoch überwiegt auch in solchen Momenten sein Humor, den er als Essenz seines Lebens und „very, very British“ bezeichnet. Entspannung findet er etwa bei Peter Sellers oder Monty Python.

Sein Markenzeichen: Vielfalt

Seine lockere, unverkrampfte Art mag an seiner Kinderstube liegen. Mit seinen vier älteren Brüdern tobte er sich beim Fußballspielen und Schwimmen aus. Auch der Klavierunterricht lief familiär ab, schließlich war seine Mutter selbst Pianistin und hat ihren jüngsten Sohn unterrichtet. „Meine Mutter war unglaublich einfühlsam und liebevoll, hat das Pensum immer gut eingeteilt.“ Klingt nach einer sehr entspannten Herangehensweise ans Klavier. Und doch war ihm schon sehr früh klar, Pianist zu werden: „Da war ich zehn. Und mir absolut sicher.“

Aus dem Munde eines Heranwachsenden mochte das so ernsthaft geklungen haben wie das Vorhaben, später einmal Astronaut oder Feuerwehrmann zu werden, doch das Repertoire wurde rasch anspruchsvoller, und so begann bald seine steile Karriere: Mit zwanzig Jahren war er bei den legendären Proms jüngster Solist aller Zeiten, beim „Classic Brit Critics Award“ hängte er Künstlerpersönlicheiten wie Simon Rattle ab, und bei der Plattenfirma Decca war er der jüngste britische Künstler, der jemals dort unter Vertrag genommen wurde. Inzwischen hat er dort fünf Alben eingespielt, die Grosvenors erstaunliche Bandbreite offenbaren: Scarlatti, Mozart, Brahms, Chopin und Gershwin sind dabei, auch das höllisch schwere „Gaspard de la nuit” von Maurice Ravel (dessen Virtuosität Grosvenor nachgerade unverschämt nonchalant meistert), dazu noch Zeitgenössisches, Kurioses und Skurriles.

Benjamin Grosvenor
Benjamin Grosvenor © Sophie Wright/Decca

Entspannung findet Grosvenor übrigens bei sich daheim im Süden Londons, wo er ein kleines Haus hat. „Das genieße ich in vollen Zügen, wenn ich zurückkomme. Es ist ein gutes Gefühl, einen Ort zu haben, an dem man zuhause ist, auch wenn man selten dort ist.“

Bleibt die Gretchen-Frage, was der Mittzwanziger denn überhaupt noch reißen möchte, wenn er schon so viel erreicht hat. Seine Antwort fällt erstaunlich einfach aus: „Ach, es gibt doch noch so unglaublich grandiose Literatur für mein Instrument. Und die habe ich noch lange nicht in ihrer ganzen Fülle entdeckt.“

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