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Porträt Bochumer Symphoniker

Jubilar mit Weitblick

Visionär und uneingeschränkt modern seit der ersten Stunde: Die Bochumer Symphoniker feiern hundertjähriges Bestehen.

vonKatherina Knees,

Anton Webern höchstpersönlich liebäugelte einst mit der Position des Generalmusikdirektors bei den Bochumer Symphonikern. Denn nach dem ersten öffentlichen Konzert am 20. Mai 1919 erspielte sich das Orchester unter der Leitung seines damaligen Chefs Rudolf Schulz-Dornburg schnell einen Ruf als außergewöhnlich ausdrucksstarker Klangkörper für Musik der eigenen Zeit. Und wurde dadurch zu einem beliebten musikalischen Spielplatz für Komponisten wie Paul Hindemith, Ernst Krenek oder Erwin Schulhoff. Experimentierfreudig, professionell und vielseitig – so präsentieren sich die Bochumer Symphoniker bis heute auf renommierten Festivals wie dem Klavierfestival Ruhr, mit Gastkonzerten in der Kölner Philharmonie, im Amsterdamer Concertgebouw oder in der Essener Philharmonie, auf internationalen Konzertreisen und in einer abwechslungsreichen Diskografie. Diese enthält unter anderem eine gefeierte Gesamteinspielung der Kompositionen des deutschen Spätromantikers Joseph Marx, deren zweite CD für einen Grammy nominiert wurde.

Ein großes Jubliläum verlockt dazu, vergangene Höhepunkte noch einmal Revue passieren zu lassen. Sicherlich gehört die Aufführung von Bernd Alois Zimmermanns Oper „Die Soldaten“ im Rahmen des Kultur-Festivals RuhrTriennale inklusive einer Einladung zu einem Gastspiel nach New York für die Bochumer Symphoniker zu den Highlights der letzten Jahre. Die regelmäßigen Sinfonie- und Kammermusikkonzerte sind neben Formaten wie Matinee- und Loungekonzerten sowie Musikvermittlungsprogrammen für junge Leute eine Konstante im Bochumer Kulturleben.

Die Bochumer Symphoniker zwischen Fußballstadion und Fernsehstudio

Darüber hinaus legt das Orchester auch auf dem musikalischen Feld ambitionierter Cross-Over-Projekte eine große Offenheit an den Tag. Im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 trat das Orchester gemeinsam mit Herbert Grönemeyer auf, um die Ruhrgebiets-Hymne „Komm zur Ruhr“ auf die Bühne zu bringen, wirkten am Henze-Projekt mit und brachten unter der Leitung von Lorin Maazel Gustav Mahlers „Sinfonie der Tausend“ zur Aufführung. Als Stadionorchester „auf Schalke“ begleiteten sie in Gelsenkirchen über 65 000 Sänger. Das Orchester konzertierte bereits gemeinsam mit dem Jethro Tull-Frontmann Ian Anderson, mit der legendären A-cappella-Formation Take Six und war mit Weltstar Sting im Rahmen seiner „Symphonicities“-Tournee unterwegs. Bei einem Auftritt in der „Harald Schmidt Show“ konnte das Orchester auch im Fernsehen unter Beweis stellen, dass klassische Musik alles andere als verstaubt ist.

Staubig kommt auch nicht die hundertjährige Tradition des Klangkörpers daher, denn die Geschichte des Orchesters erzählt von spannenden musikalischen Entwicklungen. Zwischen 1926 und 1938 leitete Leopold Reichwein die Bochumer Symphoniker und befasste sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger Rudolf Schulz-Dornburg überwiegend mit dem klassisch-romantischen Repertoire. Klaus Nettsträter führte das Orchester als Chefdirigent durch den Zweiten Weltkrieg – bis die Konzerttätigkeit der Bochumger Symphoniker 1944 vorübergehend unterbrochen wurde. Doch glücklicherweise nur kurz: Schon im Juni 1945 saß das Orchester unter der Leitung von Hermann Meißner wieder auf der Bühne und spielte mutig dem Neuaufbau entgegen, Klassiker der Moderne wie Bartók und Strawinsky waren der Soundtrack für die Aufbruchstimmung.

Die Städtische Kapelle Bochum im Jahr 1918
Die Städtische Kapelle Bochum im Jahr 1918 © Stadt Bochum

1956 wurde Franz-Paul Decker Generalmusikdirektor und ermöglichte dem Orchester erste Gastspielreisen, etwa zur Weltausstellung nach Brüssel 1958. Mit Yvon Baarspul, der von 1964 bis 1970 am Pult stand, wurde das Orchester auf achtzig Musiker erweitert und spielte ab diesem Zeitpunkt offiziell unter dem Namen „Bochumer Symphoniker“. Othmar Mága, Gabriel Chmura und Eberhard Kloke wechselten sich in den Folgejahren erfolgreich als Generalmusikdirektoren ab, bis 1993 mit Steven Sloane eine neue Ära begann, die das Orchester in den letzten Jahrzehnten maßgeblich geprägt hat.

Ein Jubiläum jagt das nächste

Zeitgleich mit dem hundertsten Geburtstag seines Orchesters feiert Sloane als Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker sein 25-jähriges Dienstjubiläum. Der amerikanisch-israelische Dirigent hat die Symphonikern durch seine innovativen Programme und seine eigene wilde Begeisterung für die Musik in vielerlei Hinsicht zum Erfolg geführt. 1996 und 2004 wurde das Orchester unter anderem vom Deutschen Musikverleger-Verband mit der begehrten Auszeichnung für „Das beste Konzertprogramm“ ausgezeichnet, viele außergewöhnliche Konzerterlebnisse kamen unter Sloanes Fittichen zustande.

So fällt die Freude über die lange Karriere des beliebten Klangkörpers nun mit einer traurigen Nachricht zusammen, denn zum Ende der Spielzeit 2020/21 sagt Steven Sloane seinen Musikern und dem Bochumer Publikum „Bye-bye“. Einziger Trost: Er bleibt dem Orchester als „Ehrendirigent auf Lebenszeit“ zumindest noch sporadisch ein Stückchen erhalten und dem Ruhrpott treu. Und man darf sich sicher sein: Rund um den 100. Orchester-Geburtstag darf sich das Publikum über viele feierliche Konzerte freuen, die der musikalischen Zukunft der Bochumer Symphoniker freudig die Tür öffnen.

concerti-Tipps:

Bochum:
Sa. 6.10.2018, 20:00 Uhr, Anneliese Brost Musikforum Ruhr
Bochumer Symphoniker, Enrico Onofri (Violine & Leitung)
Telemann: Suite a-Moll TWV 55:a2, Konzert C-Dur TWV 50:1 „Grillen Sinfonie u. a.

Sa. 13.10.2018, 18:00 Uhr, Anneliese Brost Musikforum Ruhr
Katharina Persicke (Sopran), Markus Schäfer (Tenor), Raimund Nolte (Bass), Kölner Kantorei, Bochumer Symphoniker, Georg Hage (Leitung)
Bach: Gloria in excelsis Deo BWV 191, Poulenc: Gloria, Puccini: Messa di Gloria

Köln:
So. 14.10.2018, 11:00 Uhr, Philharmonie
Künstler & Programm siehe 13.10.

Bochum:
Sa. 27.10.2018, 20:00 Uhr, Anneliese Brost Musikforum Ruhr
Yejin Gil (Klavier), Bochumer Symphoniker, Steven Sloane (Leitung)
Iskandar: Hymne, Kapralova: Klavierkonzert op. 7, Bartók: Konzert Sz 116

Mi. 15.5.2018, 20:00 Uhr, Anneliese Brost Musikforum Ruhr
100 Jahre BoSy: Das Tombola Konzert.
Bochumer Symphoniker, Christopher Bruckman (Leitung)

Mo. 20.5.2018, 19:00 Uhr, Anneliese Brost Musikforum Ruhr
100 Jahre BoSy: Das Geburtstagskonzert.
Bochumer Symphoniker, Steven Sloane, Raphael Christ & Gabriel Chmura (Leitung)
Wagner: Vorspiel zu „Tristan und Isolde“, Mendelssohn: Sinfonie Nr. 4 A-Dur op. 90 „Italienische“, Rachmaninow: Sinfonie Nr. 2 e-Moll op. 27

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