Er muss ein hervorragender Mozart-Tenor gewesen sein, dieser Johann Nepomuk Schelble. Er sang an diversen Hofopern, für zwei Jahre auch am Frankfurter Opernhaus, aber das „irrenhäusige Theater“ war nicht seine Welt. Dazu kam eine „hartnäckige Heiserkeit“, jedes Sängers Tod. Doch Frankfurt war im 19. Jahrhundert die Stadt des aktiven Bürgertums, und Schelble hatte bereits vor seinem Bühnenabschied etwas Eigenes auf die Beine gestellt: Er hatte am 24. Juli 1818 Sängerinnen und Sänger in sein Wohnzimmer eingeladen, um einen Chor zu gründen. Aus dieser kulturellen Bürgerinitiative entstand der Cäcilienchor Frankfurt, einer der großen Oratorienchöre der Stadt.
Er feiert in diesem Jahr sein 200-Jahre-Jubiläum – wobei für den Chor die Zeit rückwärts zu laufen scheint. So jedenfalls sieht es Christian Kabitz, der Chorleiter seit 1988: „Ich erlebe ihn heute, dreißig Jahre später, ungleich jünger und erfahrungshungriger“. Was das Geheimnis dieses Chores sei? „Dass im Cäcilienchor über unendlich viele Jahre die gleiche Sehnsucht lebendig geblieben ist bei der gemeinsamen Suche, wie Musik zu einer Flamme werden kann. Das Lernen der Töne ist Handwerk, aber aus diesen Tönen Funken zu schlagen und als Feuer an den Hörer weiterzugeben – das ist gelebte und lebendige Tradition.“
Cäcilienchor Frankfurt: Bach zum Jubiläum
Das mit dem Feuer sagt man dem Frankfurter Traditionschor ja schon lange nach, quasi schon von Anfang an. „Die Leute singen mit soviel Feuer und so zusammen, dass es eine Freude ist“, lobte Felix Mendelssohn die Leistung der Cäcilien-Sänger, als er mit ihnen sein für sie komponiertes Oratorium „Paulus“ uraufführte. Mendelssohn war es auch, der einen Wettlauf mit Schelble gewann. Beide wollten sie 1829 Johann Sebastian Bachs „Matthäus-Passion“ zur ersten Wiederaufführung seit der Bach-Zeit bringen, ein epochemachender Schritt für eine Bach-Renaissance, wie man heute weiß.
Mendelssohns Berliner Aufführung schrieb Geschichte, die des Cäcilienchors hatte sich wegen widriger Umstände um zwei Monate verzögert. Doch blieb die „Matthäus-Passion“ das Werk, das der Chor bis heute am häufigsten aufgeführt hat. Und so wird sie auch jetzt beim Jubiläumskonzert erklingen, mit 189 Jahren Passions- und 200 Jahren Chorerfahrung im Rücken.