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Porträt Christoph Schoener

„Sie spielen auch Orgel?“

Ein Gespräch mit Kirchenmusikdirektor Christoph Schoener nach 15 Jahren an St. Michaelis

vonPeter Krause,

Als er im isländischen Reykjavík ein Orgelkonzert gibt, kommt eine Dame mit Hut auf ihn zu und sagt in feinstem Hamburgisch: „Ich kenne Sie doch. Sind Sie nicht der, der im Michel immer das Weihnachtsoratorium dirigiert?” Etwas verdutzt nickt Christoph Schoener: „So ist es, gnädige Frau”. Und die reisende Musikfreundin antwortet: „Ich wusste gar nicht, dass Sie auch Orgel spielen.” Der Kirchenmusikdirektor an St. Michaelis ist ein bekannter Mann: im heimischem Hamburg als Leiter der Aufführungen chorsinfonischer Meisterwerke von Bach, Mozart und Brahms, die der „Marke Michel“ seit Jahrzehnten ihr starkes Profil geben. „Südlich der Harburger Berge bin ich hingegen als Organist bekannt”, sagt Schoener schmunzelnd. Der Künstler hat in nahezu allen europäischen Ländern gastiert, gerade folgte die Wiedereinladung in die Neue Welt für 2014; er ist Jurymitglied wichtiger Wettbewerbe, gibt Meisterkurse und hat, bevor er vor 15 Jahren nach Hamburg kam, 23 Jahre an deutschen Hochschulen unterrichtet: „Vielseitigkeit gilt ja durchaus als verdächtig.”

 

Orgelvielfalt in der Kirchenmusikszene Hamburg 

 

Dabei hat man ihn wegen seiner Mehrfachbegabung einst nach Hamburg geholt, gilt es am Michel doch, „das ganze Spektrum der Kirchenmusik abzudecken.” Das doppelte Dasein als Chorleiter und Organist bedinge eine gegenseitige Befruchtung. Schoener bestätigt, wie sehr das mit seinem Chor Woche für Woche erprobte „Gefühl fürs Vokale” ihn als Organist bereichere, denn es gelte doch, an der Königin der Instrumente „eine starke Kantabilität einzubringen.” Wenn Hamburg unhanseatisch großspurig als „Welthauptstadt der Kirchenmusik” bezeichnet wird, verweist Schoener auf den nur mit Paris vergleichbaren engen Radius bedeutender Musikkirchen und die hier in der Tat „größte Dichte hauptamtlicher Stellen, auch außerhalb der fünf Hauptkirchen”. Mit den Kollegen der Kirchenmusik verbindet ihn eine freundschaftliche Zusammenarbeit. Konzerte ungewöhnlicher Werke werden abgesprochen, ebenso die gemeinsamen Kantatenzyklen und der Hamburger Orgelsommer, der in diesem Jahr mit einem übersichtlichen Gesamt-Leporello der Hauptkirchen und des Mariendoms präsentiert wird. Das Potenzial ist enorm, mit Blick auf das hochkarätige Angebot des Orgelsommers sagt Schoener aber auch: „Es funktioniert nur, wenn die Hanseaten auch kommen.“ Während er im Kölner Dom vor 3000 Menschen spiele, sei „in Hamburg immer noch Luft nach oben.” Doch es gelingt durchaus, die Aufmerksamkeit für Orgelmusik zu erhöhen: Die wunderbare neue Orgelanlage mit ihrem mystischen Fernwerk hat die Wahrnehmung deutlich erweitert. Und NDR Kultur hat seine Brahms-, Liszt- und Weihnachtsprogramme aufgezeichnet und gesendet, man kann sie auf CD nachhören. Wird Hamburg zur Orgelstadt? Mit den vielen bedeutenden Instrumenten – St. Katharinen darf über die eben erst wiederhergestellte „Orgel für Bach” frohlocken, für die Elbphilharmonie entsteht ein neues Instrument aus dem Hause Klais – und mit erstklassigen Interpreten gibt es genug Gründe für einen Bewusstseinswandel.

Jubiläum: Zeitpunkt für Rückblick und Ausblick

 

Meilensteine seiner 15 Hamburger Jahre liegen für Schoener aber auch jenseits der Orgelbank. Dazu gehören das 79. Hamburger Bachfest anno 2004, die Wiederentdeckung der Werke von Telemann und C. P. E. Bach, dem 2014 ein hamburgweit vernetztes Festival gewidmet sein wird, oder die Aufführungen viel zu selten gespielter Passionen von Frank Martin und Wolfgang Rihm. Weitere solcher Sternstunden erhofft sich Schoener. Er träumt nicht nur von immer intensiveren Bach-Erlebnissen und denkt konkret an Dvořáks Stabat Mater, sondern will auch für Mendelssohn noch viel tun. Zu seinem nahenden 60. Geburtstag erklimmt Schoener am 17. Juli einen der höchsten Gipfel der Orgelkunst, Max Regers Introduktion, Passacaglia und Fuge e-moll. Das hoch virtuose Opus ist für das Gesamtkunstwerk der Orgelanlage des Michel wie geschaffen.

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