„Der Begriff ‚großer Dirigent‘ hat keine Bedeutung für mich. Groß ist der Komponist. Wir sind nur Diener der Musik und haben die Aufgabe, so viel wie möglich zu verstehen.“ Mit diesen Worten beschrieb Claudio Abbado einmal seinen Beruf und zugleich seine Berufung im Interview mit der FAZ. Den Begriff „Maestro“ suchte er gekonnt zu vermeiden und dirigierte sich dennoch in die Riege der besten und bedeutendsten Dirigenten des vergangenen Jahrhunderts.
Von Mailand nach Berlin
Dabei erhielt er sich etwas, das ihm vielleicht schon in seinen Kindertagen in Italien in die Wiege gelegt worden war: Seine Bodenständigkeit. „Normalerweise nennen mich alle Claudio “, stellte sich der 1933 in Mailand als Sohn eines Geigers und einer Klavierlehrerin geborene Chefdirigent der Mailänder Scala und des London Symphony Orchestra, der Musikdirektor der Wiener Staatsoper und Nachfolger von Herbert von Karajan bei den Berliner Philharmonikern neuen Bekanntschaften vor.
Mit welchem Orchester er auch probte, Abbado sprach immer ruhig, ja bedacht, und regte seine Musiker an, nicht ihm, sondern der Musik zuzuhören. Stets mit leisen Gesten dirigierte der Italiener und hauchte dennoch auch den massiv besetzten Mahler- und Bruckner-Sinfonien Leben ein.
Kraft und Leidenschaft
Noch im Juni 2013 sagte der Dirigent in einem ZEIT-Interview anlässlich seines 80. Geburtstags: „Musik hat für mich nichts mit Arbeit zu tun. Sie ist eine große, tiefe Leidenschaft. Ich habe das Glück, diese Leidenschaft mit fabelhaften Musikern teilen zu dürfen, auf der ganzen Welt. Das meine ich jetzt wirklich existenziell: Die Menschen sind wichtig, das gemeinsame Musikmachen, daraus schöpfe ich Kraft.“
Seine Kraft und Leidenschaft sparte Abbado niemals allein für sich, sondern strahlte sie auf Kollegen, Musiker und Publikum gleichermaßen aus. Eine Strahlkraft, deren Quelle zwar nun versiegt, aber für die Nachwelt in seinen Aufnahmen dokumentiert und weiterhin fassbar sein wird.