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Porträt Collegium 1704

Verschworene Gemeinschaft

Zelenka oder Myslivcek? Die Tschechen würden heute keiner kennen, hätte sich das Collegium 1704 nicht ihrer Werke angenommen

vonGottfried Franz Kasparek,

Mittlerweile sind sie untrennbar miteinander verbunden: Das Collegium 1704, jenes vielfach preisgekrönte Prager Ensemble für Alte Musik, und das Collegium vocale 1704. Doch während die Ursprünge der Instrumentalgruppe bis ins Jahr 1990 zurückreichen, hat sich der 20-köpfige Chor erst 2005 dazugesellt. In jenem Jahr unternahmen die Collegien des Václav Luks nämlich den entscheidenden Schritt in die Professionalität – geboren aus dem damaligen Projekt „Bach-Prag-2005“. Drei Jahre später kam neben Prag als zweiter Standort Dresden hinzu: „Musikbrücke Prag-Dresden“ heißt der Konzertzyklus, der seither in barocken Kirchen  beider Städte stattfindet.

Von Prag war einst auch Jan Dismas Zelenka – der „Bizarre neben Bach“ – als Hofmusicus in die sächsische Metropole gekommen. Eben dieser erste tschechische Großmeister der Musik hat auch die Jahreszahl 1704 für den Namen der Ensembles geliefert: Denn im August 1704 war in der Prager Sankt Nicolas-Kirche Zelenkas Jesuitenspiel Via Laureata uraufgeführt worden – und dem Schaffen seines lange Zeit sehr unterschätzen Landsmanns widmet sich Luks mit seinen Kollektiven heute ganz besonders. 

Alte Musik ist für alle die große LIebe 

„Musik soll für mich immer eine Leidenschaft bleiben“, sagt der 45-jährige Böhme. Seine Leidenschaft begann, als er mit elf Jahren Mozarts Kleine Nachtmusik hörte – eine Leidenschaft, die sich später während seines Studiums an der Schola Cantorum in Basel immer mehr auf die Alte Musik konzentrierte.

Heute ist der ausgebildete Pianist und Hornist  mit seinen Kollektiven ebenso eng verbunden wie ein Nikolaus Harnoncourt mit seinem Concentus Musicus Wien. Und wie dieser ist auch er kein trockener Musikforscher: Die um ihn versammelte Schar hoch qualifizierter, zumeist junger Künstler wirkt wie die verschworene Gemeinschaft eines charismatischen und dabei ganz natürlich wirkenden Spiritus Rector. Alte Musik ist für alle eine Liebe, die fürs Leben sein könnte – auch wenn eine kurze Recherche offenbart, dass manche, insbesondere der singenden Mitglieder, einer Mozart-Partie oder Offenbach-Operette nicht abgeneigt sind. Doch kommen solche Ausflüge zweifellos der erfrischenden Vitalität zugute, die den „1704-Klang“ auszeichnet.

International zählen die Collegien denn heute auch zu den führenden Barockensembles und haben im Falle Zelenkas deutlich gemacht, dass dieser Komponist mit seiner expressiven Klangsprache sehr wohl gleichauf mit Bach und Händel gesehen und gehört werden kann. Und noch einem weiteren „göttlichen Böhmen“, Mozarts Freund Josef Mysliveček, verschafften sie 2013 gleich an mehreren europäischen Opernhäusern einen posthumen Erfolg: mit der Ausgrabung seines Dreiakters L’Olimpiade.

Olympische Erfolge

Zwei Jahre später feierten die Collegien dann umjubelte Erfolge in den olympischen Zentren der Klassik, bei den Salzburger Festspielen und beim Bachfest Leipzig, mit einem Klassiker: Bachs h-Moll-Messe. Denn natürlich zählen Bach und Händel, Hasse und Stradella, aber auch Monteverdi zum täglich‘ Brot ihrer Orchester- und Chorarbeit – und bleiben doch außerordentlich: So viel Herz und Emotion, so viel prachtvoll nuancierte Transparenz sind in der historisch informierten Szene nämlich keineswegs alltäglich.

Zumal Luks und die Seinen etwa Bachs Messe lieber so musizieren, wie es der Thomaskantor wollte – und nicht so, wie er es durfte. Also nicht als asketisches Sparprogramm, sondern schon mit bis zu 40 Mitwirkenden. So gilt denn auch für die diversen Aufnahmen der Collegien, was David Vickers 2011 im britischen Fachmagazin Gramophone zur Verleihung des Preises „Editors Choice“ für Zelenkas Requiem schrieb: „Ein vortreffliches Meisterwerk wurde enthüllt.“

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