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Das Collegium Vocale Gent im Porträt

Gemeinsam gewachsen

Wenige Vokalensembles von internationalem Rang sind so eng mit ihrem Leiter verbunden wie das Collegium Vocale Gent mit seinem Gründer Philippe Herreweghe

vonKatharina von Glasenapp,

Das belgische Collegium Vocale Gent und der Dirigent Philippe Herreweghe bilden und bildeten von Anbeginn eine Einheit und stehen gleichermaßen für klangliche wie stilistische Vielfalt und Qualität. Sie gehören zusammen wie vielleicht sonst noch William Christie und Les Arts Florissants in Frankreich, Ton Koopman und seine Sänger und Musiker von Amsterdam Baroque oder zu dessen Lebzeiten Nikolaus Harnoncourt und der Concentus Musicus Wien.

Philippe Herreweghe
Philippe Herreweghe © Michiel Hendryckx

Alle sind Pioniere, die in der so lebendigen Szene für historische Aufführungspraxis etwas aufgebaut und sich dabei ständig weiterentwickelt haben. 1970 hat Herreweghe seinen Chor gegründet, die Musik hatte sich im Leben des studierten Mediziners und Psychiaters immer mehr in den Vordergrund gedrängt. Statt in die Tiefen der menschlichen Seele dringt der Dirigent mit der charakteristischen runden Brille, der stets ohne Stab und ohne Podium im Kreise seiner Sänger und Musiker agiert, in die Geheimnisse der Partituren, der barocken und klassischen Rhetorik und des warmen romantischen Klangs vor.

Collegium Vocale Gent: Vom Studentenchor zum international gefeierten Vokalensemble

Hatte sich das Collegium Vocale Gent, ursprünglich eine Gruppe von Studenten der Universität Gent, in den ersten Jahren mit der Musik der Renaissance und des Barock mit dem Zentrum Johann Sebastian Bach auseinandergesetzt – Gustav Leonhardt und Nikolaus Harnoncourt luden den Chor schon früh zu den Ge­samtaufnahmen aller Bachkan­taten –, so hat sich das Reper­toire über die Jahre umfassend erweitert. Aus dem Studenten­ chor wurde ein professioneller Kammerchor, für die Oratorien und Requien der Romantik wird die Besetzung erweitert: Vom Solistenensemble etwa in den Madrigalen Monteverdis bis zum großen Klangkörper bei Dvořák oder Brahms ist die Größe des jeweiligen Ensembles flexibel und den klangli­chen Erfordernissen des Werks, der Epoche wie des Auffüh­rungsortes angepasst. Der Klang ist stets warm, wohlab­ gerundet, schlank und beweg­lich bei großer Textdeutlichkeit, eine Freude für alle Freunde der Chormusik!

Längst werden die Chormitglie­der bei anspruchsvollen Vor­singen ausgewählt, viele junge Solisten wie Dorothee Mields, Ulrike Hofbauer oder Hans­ Jörg Mammel haben ihre Lauf­bahn in Herreweghes Ensem­ble begonnen oder werden von ihm als Solisten engagiert. Zum Collegium Vocale Gent hat Her­reweghe auch verschiedene Originalklangensembles wie die Chapelle Royale oder das Orchestre des Champs Elysées aufgebaut. Dazu wird der Chor immer wieder von anderen Dirigenten und Orchestern zu Konzerten und Festivals ein­geladen, um die großen Chor­werke zu verwirklichen. Die umfangreiche Diskografie reicht von den Madrigalen und Motetten von Claudio Monte­verdi, Carlo Gesualdo oder Or­lando di Lasso über die Orato­rien, Messen und Kantaten der Bachfamilie bis hin zu den großen Werken der Romantik und des 20. Jahrhunderts. Im vergangenen Jahr ließen Ein­spielungen von Strawinskys zwölftönigen „Threni“ und sei­nes „Requiem Canticles“ unter Herreweghe sowie Janáčeks „Ríkadla“ unter der Leitung von Reinbert de Leuw aufhorchen.

Collegium Vocale Gent, in großer Besetzung
Collegium Vocale Gent, in großer Besetzung © Michiel Hendryckx

Neue Hörerfahrungen auch für Kenner

Bei aller Entdeckerfreude und stilistischen Vielseitigkeit, die das Collegium Vocale Gent über die Jahre bewiesen hat, ist und bleibt aber doch das Gesamt­werk von Johann Sebastian Bach im Zentrum. Im Dezem­ber musizierten sie die h-­Moll­ Messe gemeinsam mit dem Royal Concertgebouw Orches­tra Amsterdam, im Februar steht in der Semperoper mit der Staatskapelle Dresden die Johannes-Passion in der unbe­kannteren Fassung aus dem Jahr 1725 auf dem Programm. So werden auch Kenner des Werks neue Hör­erfahrungen machen können.

Und Philippe Herreweghe, sein Collegium Vocale Gent und eine Reihe hochkarätiger Solisten zeigen einmal mehr, dass die Beschäf­tigung mit Bachs Werk immer wieder neu ist. Die Dramatik der Turba­ Chöre, die Interak­tion zwischen dem Evangelis­ten (Maximilian Schmitt), Christus (Krešimir Stražanac), Pilatus und Judas, die Arien und nicht zuletzt die Choräle bringen das Passionsgesche­hen auf eindrücklichste Weise nahe.

Das Collegium Vocale Gent singt Bach:

https://youtu.be/h1ETuizQBGQ

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