Pressekonferenz in Köln beim WDR im Mai 2018. Geschenke hatte die Hörfunk-Direktorin Valerie Weber für Cristian Măcelaru mitgebracht, dem designierten Chefdirigenten des WDR Sinfonieorchesters: zwei Stofftiere für seine Kinder Maria und Benjamin und einen Gutschein für Deutschunterricht. Lächelnd nahm Măcelaru, der sein Amt mit der Spielzeit 2019/2020 antreten wird, die Präsente entgegen. Er sei dankbar, ein „Teil der wunderbaren WDR-Familie werden zu dürfen“. Und er versprach: „Wir werden künftig auch neue Wege erkunden, um ein noch breiteres Publikum zu erreichen. So können noch mehr Menschen erleben, welch positiven Einfluss Kunst auf unser Leben haben kann.“
Besser vorbereitet als seine Kommilitonen
Er hat selbst erfahren, welche Bedeutung Musik hat, wie er in einem späteren Interview erzählt. 1980 wurde er im rumänischen Temeswar geboren, als jüngstes von zehn Kindern. Der Vater arbeitete in der Stahlindustrie, die Mutter versorgte die Familie. Unter der kommunistischen Diktatur von Nicolae Ceaușescu sei die Armut sehr groß gewesen, sagt er. „Wir lebten auf dem Land, versorgten uns mit dem, was das Land hergab, was wir anbauten“. Obwohl es nach der Schule immer gleich aufs Feld ging, blieb dennoch Zeit fürs Musizieren. „Wir alle spielten ein Instrument, der eine die Geige, der andere das Cello. Meine Mutter spielte die Flöte. Gesungen haben wir alle“. Viel habe er als Jüngster von seinen Geschwistern gelernt und mit allen geübt, egal auf welchem Instrument. „Es war eine echte Kakofonie, und dennoch habe ich jede Stimme gehört“ lacht er.
Hinzu kam die Theorie. Harmonielehre, Kontrapunkt, Gehörbildung lernte er bereits von Kindesbeinen an in einer der für den Ostblock typischen Musikspezialschulen. Als er Jahre später an die Rice University in Houston kam, wo er neben Violine auch Dirigieren bei Larry Rachleff studierte, stellte er fest, dass er wesentlich besser vorbereitet war als die Kommilitonen. „Die Musikausbildung war das Beste am kommunistischen System. Zudem kostenlos“. Mit 19 Jahren debütierte er in der Carnegie Hall, und wurde jüngster Konzertmeister des Miami Symphony Orchestra. Außerdem wirkte er als Geiger im Houston Symphony Orchestra.
Doch irgendwann erging es ihm wie vielen Musikern. Plötzlich schien ihm das Klangspektrum seiner Geige zu limitiert, er wünschte sich ein Instrument, das alle Stimmen abbilden konnte und beschloss, Dirigent zu werden. In Tanglewood und Aspen vertiefte er sein Wissen in Meisterkursen u. a. bei David Zinman, Rafael Frühbeck de Burgos und Oliver Knussen. Sein Debüt als Dirigent feierte er 2010 an der Houston Grand Opera mit Puccinis Madama Butterfly.
Cristian Măcelaru: „Wir sehen uns!“
Internationales Aufsehen erregte er zwei Jahre später, als er beim Chicago Symphony Orchestra für Pierre Boulez einsprang. Im gleichen Jahr erhielt er den „Sir Georg Solti Award“ für junge Dirigenten, 2014 folgte der „Solti Conducting Award“ der amerikanischen Solti-Stiftung. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Philadelphia Orchestra: 100 Mal hat er in den letzten Jahren am Pult dieses Orchesters gestanden und war dort während drei Spielzeiten Conductor in Residence. Im Februar 2017 dirigierte er erstmals das WDR Sinfonieorchester.
Öffentlich-rechtliche Rundfunkorchester mögen im glamourösen Konzertbetrieb – mit wenigen Ausnahmen – oft ein Mauerblümchen-Dasein fristen; dank staatlicher Subventionen und Gebühren jedoch sind sie gut ausgestattet, können sich gute Musiker leisten und sind nicht wirklich auf das PR-Getöse angewiesen. Zudem stehen ihnen hervorragende Studios und Toningenieure sowie ausgedehnte Probenzeiten zu meist günstigen finanziellen Konditionen zur Verfügung. Ideale Bedingungen, um auch mal ausgefallenes Repertoire aufzunehmen.
Jenseits all dieser Privilegien hat das WDR Sinfonieorchester für den Wahlamerikaner Măcelaru auch eine symbolische Funktion: 1947 gegründet, steht es für den Wiederaufbau Deutschlands, für die „Heilung“ der Menschen nach dem „Ground Zero“, wie Măcelaru Deutschlands „Stunde Null“ bezeichnet. Doch nicht nur der Blick zurück interessiert ihn, sondern auch der in die Zukunft. „Digital Transformation“ heißt das Zauberwort, und man darf gespannt sein, was neben den bisherigen Streaming-Formaten der neue Chefdirigent im Reisegepäck hat. Er freut sich sehr auf seinen Umzug nach Köln und verabschiedet sich auf Deutsch: „Wir sehen uns!“