Er bringt Ehrgeiz mit, Bescheidenheit und einen fast spirituellen Zugang zur Musik. Mit ihrem neuem Chefdirigenten Kahchun Wong starten die Nürnberger Symphoniker sicher in eine interessante Konzertsaison: Komponisten, die hierzulande kaum jemand kennt, finden sich neben oft gespielten. Chen Gang und He Zhanhao, Takashi Yoshimatsu und Yii Kah Hoe aus China, Japan und Malaysia tragen Musikelemente aus Fernost bei. Wong nennt solche Stücke „kleine Geschenke aus Asien“. Im selben Atemzug betont er die Liebe der Asiaten zur europäischen Klassik, die sich – natürlich – ebenfalls im Programm finde. Da sind etwa Schumann, Beethoven und Haydn. Dann aber auch noch andere, wie Bartók, Prokofjew, US-Komponist Paul Dukas, und selten gehörte wie Opernkomponist Pietro Mascagni und der Armenier Alexander Arutunian.
„Wir sind nicht so verschieden“
„Es geht darum, das Beste in jeder Kultur zu finden“, resümiert Kahchun Wong. Womöglich ist diese Aufgabe wie gemacht für jemanden, der als Sohn chinesischer Eltern im multikulturellen Singapur aufgewachsen ist, um dann in den USA und in Deutschland zu studieren. Seine bisherigen Konzertreisen brachten ihn noch mehr in der Welt herum. Er zog daraus eine Erkenntnis, die heute wieder sehr relevant scheint: „Wir sind nicht so verschieden.“ Eine große Nähe empfindet er zu Gustavo Dudamel. Von ihm habe er viel über Musik gelernt, besonders über Balance.
Ein wichtiger Mentor war zudem Kurt Masur, mit dem er sich noch austauschen konnte, bevor der Maestro verstarb. Seinen Einfluss nimmt Wong bis heute wahr. „Fast in jedem meiner Konzerte ist ein Komponist oder eine Komposition dabei, die mit der Zeit mit ihm in Zusammenhang stehen.“ Daran hatte nicht zuletzt Dirigent Christian Ehwald Anteil, Wongs Dozent an der Hochschule Hanns Eisler in Berlin. Er zeigte sich flexibel, wenn sich sein Schüler wieder mal die Berliner Philharmoniker oder das Leipziger Gewandhausorchester anhörte, anstatt Universitätskurse zu besuchen. Oder wenn er sich Zeit wünschte, um mit Masur zu arbeiten.
Kahchun Wong: „Jede Note hat eine Bedeutung“
Im Studium in Berlin lernte Wong dennoch etwas Wichtiges, das er so zuvor nicht kannte: Musik theoretisch zu studieren, ihre Aussage zu reflektieren half ihm, die Praxis zu verfeinern. „Jede Note hat eine Bedeutung“, sagt Kahchun Wong. Schon 2016 dirigierte er, damals als spontaner Einspringer, erstmals die Nürnberger Symphoniker. Das Orchester bestimmte ihn kurzum zu Alexander Shelleys Nachfolger. Für Wong eine willkommene Aufgabe. Im März dieses Jahres dirigierte er zwei Konzerte in Nürnberg. Im August folgt beim Klassik Open Air im Luitpoldhain mit mehreren Zehntausend Gästen der Einstand im Großformat.
Die Nürnberger Symphoniker, sagt er, haben eine Tradition, einen eigenen Sound, eine charakteristische Art, durch die Musik zu atmen. All das nimmt er wichtig. Noch heute erlebt er das Dirigieren als tiefgreifende Erfahrung. Ein Orchester sei ein „atmender Körper“, es zu dirigieren ein „surreales Gefühl“. Der Taktstock hilft ihm. Eines Tages, sagt er, legt er ihn womöglich weg, so wie es Masur gern tat. Aber derzeit ist es ein gutes Instrument. Wong, der vor dem Dirigat Komposition studiert hat, kann in sein Repertoire auch eigene Stücke einbauen. Für das Klassik Open Air bringt er seine Komposition „Sunny Island“ mit. Sie ist in der Urform „Sunny Island March“ betitelt, Wongs erstes Stück.
Zehn Jahre ist es her, dass er wegen einer Nervenverletzung der Lippen nicht mehr in der Militärkapelle Trompete spielen konnte. So legte er das Instrument weg, nach immerhin dreizehn Jahren. Zur Infanterie gehen oder etwas anderes für die Kapelle beitragen waren die Optionen für den Rest seiner zwei Militärdienstjahre. Das brachte Wong erstmals zum Komponieren und zugleich zum Dirigieren. Für das Klassik Open Air verknüpfte er das Stück nun mit einem Volkslied der Malay – ein klingender Beweis für seine Erkenntnis, dass die Menschen doch nicht so verschieden sind.
Begegnung mit Kahchun Wong:
concerti-Termintipps:
Nürnberg
Sa. 22.9., 20:00 Uhr
Meistersingerhalle
Midori (Violine), Nürnberger Symphoniker, Kahchun Wong (Leitung).
Kah Hoe Yii: Concerto 4 Orchestra (UA), Brahms: Violinkonzert D-Dur op. 77, Bartók: Konzert für Orchester Sz 116
Ansbach
Do. 27.9., 19:30 Uhr
Tagungszentrum Onoldia
Julian Steckel (Violoncello), Nürnberger Symphoniker, Kahchun Wong (Leitung).
Widmann: Con brio, Schostakowitsch: Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur op. 107, Brahms: Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68
Weitere Termine:
Nürnberg
Fr. 28.9., 19:30 Uhr
Kongresshalle (Musiksaal)
Nürnberg
So. 30.9., 16:30 Uhr
Meistersingerhalle