Ein Musterschüler war Lucas Debargue wohl nicht. Beginn des Klavierspiels erst mit elf Jahren, im Jugendalter dann noch einmal mehrere Jahre Klavierpause. Dennoch ist an der Musik des jungen Franzosen etwas dran. Das sicherte dem damals 24-Jährigen 2014 den ersten Platz bei der französischen Gaillard International Piano Competition.
Ein Jahr später sorgte er dann bei der Jury des renommierten Tschaikovsky-Wettbewerbs für interessante Divergenzen. Wo die einen schon den neuen Star des klassischen Klaviers hörten, fanden die übrigen Juroren andere Kandidaten überzeugender. Einen ausgezeichneten, jungen Pianisten hörten jedoch alle. Ergebnis: Platz vier, und ein begeistertes Publikum. Als einziger erhielt Debargue zudem eine gesonderte Ehrung der Moskauer Vereinigung der Musikkritiker.
Zwei Alben in einem Jahr
Es dürfte geholfen haben, dass die renommierte russische Klavierprofessorin Rena Shereshevskaya seine Mentorin ist. Bei ihr studierte er ab 2011 an der Alfred Cortot Paris Superior Music School, parallel zu seinen Studien am Paris National Superior Music Conservatory. Auch jetzt, nach seinem Abschluss, lässt er sich von ihr weiteren musikalischen Feinschliff angedeihen. Seine beiden Wettbewerbs-Beiträge aus Moskau hat er derweil auf zwei Alben gepackt, die noch 2016 erschienen. Das Ravel-Stück landete, in Gesellschaft von Chopin, Liszt und Scarlatti, auf dem ersten Album. Die F-Dur-Klaviersonate von Nikolai Medtner wurde Teil der zweiten Einspielung, veröffentlicht im Herbst. Es ist zugleich das jüngste Stück im Repertoire.
Er wählte es mit dem Vorsatz, dieses Mal der musikalischen Form mehr Raum zu geben als der virtuosen Interpretation. Dafür geben ihm auch die Bach-Toccata in c-Moll und Beethovens Pianosonate Nr. 7 in D-Dur reichlich Gelegenheit. Das Ergebnis ist eine stringente, klare und reflektierte Interpretation, in der Lucas Debargue oft mehr nach innen als nach außen spielt. Wo die notierten Räume dafür Platz lassen, wälzt er dagegen energische Klangwellen auf, die ihn der Form für einen Moment scheinbar entheben. Womöglich ist es diese kontrastreiche Mischung, für die er nun einen ECHO Klassik bekommt.
Lucas Debargue: Auf der Suche nach dem Unbekannten
Der Franzose versucht, auch weniger Bekanntes in sein Repertoire einzubauen. Medtner ist dabei nur ein selten gehörter Komponist, weitere sind Samuel Maykapar und Nikolai Roslavets. Nicht zuletzt komponiert Debargue auch selbst. In französischen und russischen Konzerthäusern war er schon mit eigenen Werken zu hören. Da ihn sein Solisten-Alltag inzwischen regelmäßig auf Tourneen von Mexiko bis Südkorea führt, dürften es bald mehr werden.