Als Luciano Pavarotti in London seinen letzten Cavaradossi sang, durfte Edgaras Montvidas – seinerzeit gerade im Opernstudio von Covent Garden – bei ihm eine Unterrichtsstunde nehmen. Die hat sein Leben zwar nicht komplett verändert, dem Litauer jedoch eine entscheidende Erkenntnis vermittelt: „Ich wollte verstehen, wie er es macht, so natürlich, so selbstverständlich, so unangestrengt zu singen – und ich lernte, dem eigenen musikalischen Instinkt zu folgen.“ Wieviel Montvidas in jener Stunde von einem der größten Sänger aller Zeiten gelernt hat, ist heute deutlich zu hören: Die Natürlichkeit seines Singens ist längst ein Markenzeichen des Tenors. Angst vor hohen Tönen scheint weder er zu haben, noch muss sich sein Publikum irgendwelche Sorgen machen, ob das hohe C nun kommt oder nicht. „Aber mir in die Küche gucken lassen, wie der Klang gemacht ist, möchte ich auf keinen Fall.“ Will sagen: Das Ergebnis harter Arbeit sollen wir genießen, keinesfalls indes analysieren, wie das Singen eigentlich funktioniert.
„Da hat es auf einmal ‚klick‘ gemacht“
Zu einer der schwersten Herausforderungen – gerade für Tenöre – gehört, in der sogenannten Bruchlage von der Bruststimme in die Kopfstimme überzugehen: die verschiedenen Register der Stimme also ausgeglichen und gleichmäßig zu verschmelzen. „Da hat es am Ende des Studiums in der Musikakademie von Vilnius beim Einsingen, ganz ohne meinen Lehrer, auf einmal ‚klick‘ gemacht.“ Geprägt durch seinen, in Mailand ausgebildeten Professor Wirgilius Noreika sieht Montvidas „das Skelett des Singens in Mozart und dem Belcanto“. Zu dieser entscheidenden Grundlage der Sängerküche komme dann als stilistische Zugabe das Fleisch in Form von Farben und Dramatik, die man für Verdi und Puccini zusätzlich brauche. „José Carreras war mein Ideal“, erinnert er sich, doch auch Nicolai Gedda habe im Sinne eines passiven Lernens durch das Hören alter Aufnahmen eine Rolle gespielt.
Traumrolle Cavaradossi
Der aufstrebende Sänger hat den Richtigen gelauscht: Vorbilder, die Montvidas den Weg wiesen, wie es mit einer grundlegend lyrischen Stimme später weitergehen kann. „Ich sehe mich als lyrischen Tenor, der sich in Richtung Spintofach bewegt.“ Nächster und für ihn ganz entscheidender Schritt dahin ist Offenbachs Hofmann, den er gerade mit Barry Kosky an der Komischen Oper erarbeitet. Gern singt er auch Massenets Werther, wie er sich überhaupt im französischen Fach zuhause fühlt, desgleichen aber auch im Belcanto und bei Mozart. Der Belmonte begleitet ihn nun schon durch viele Karrierejahre, angefangen von den Zeiten im Frankfurter Ensemble über die Bayerische Staatsoper in München bis nach Glyndebourne, wo der blendend aussehende, schlanke und groß gewachsene Litauer vergangenen Sommer mit betörend aristokratischem Timbre und obertonreicher Höhe den tenoralen Edelmann gab. Sein Traum? Puccinis Held Cavaradossi aus der Tosca zu singen, „am besten am Ende meiner Karriere“. So wie einst Pavarotti.