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Porträt Alexei Volodin

Eine Frage des Geschmacks

Weltweit wird Alexei Volodin nicht nur ob seiner stupenden Technik gefeiert. Beim Russischen Kammermusikfest gibt der 37-jährige Pianist nun sein Hamburg-Debüt

vonSören Ingwersen,

Es gibt Pianisten, die früh im Rampenlicht stehen, als Wunderkinder gefeiert werden und mit medienwirksamen Auftritten die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Und es gibt solche, die ihr Talent eher in der Stille bilden, die den Rummel meiden, weil ihnen die Musik alles, das Marketing hingegen wenig bedeutet. Zu letzteren gehört der 1977 in Leningrad geborene Alexei Volodin: Gefeiert für seine stupende Technik, seinen präzisen Anschlag und seine Fähigkeit, auch in komplexesten Klaviersätzen Mittel- und Nebenstimmen plastisch herauszuarbeiten, blickt der renommierte Solist auf einen eher untypischen Beginn seiner musikalischen Praxis zurück.

Als Sohn eines Offiziers und einer Ingenieurin entdeckte Volodin die Begeisterung für klassische Klänge auf eigene Faust: „Als ich zum ersten Mal Beethovens Sinfonien hörte, hat diese Musik mein Leben komplett verändert. Sie machte aus mir einen Musiker, ohne dass ich mich bewusst dafür entschieden hätte.“ Vergleichsweise spät – mit neun Jahren – erhielt der Junge dann erstmals Unterricht auf dem Klavier: „Gott weiß, warum ich mich dafür entschieden habe, aber ich wollte unbedingt Musik machen, weil ich fühlte, dass sie irgendwie zu mir gehörte und ich immer sehr neidisch war auf diejenigen, die ein Instrument spielen konnten.“

Seine Lehrerin war Schülerin des legendären Neuhaus

Heute dürfen andere auf ihn neidisch sein. Der Erste Preis beim Geza-Anda-Wettbewerb in Zürich sorgte 2003 für einen beachtlichen Karriereschub – seither gibt Volodin Konzerte in ganz Europa, in Asien und Übersee, solistisch oder als Partner namhafter Orchester. Dass man ihn als einen herausragenden Vertreter der „russischen Schule“ bezeichnet, kommt nicht von ungefähr: Am Gnessin-Institut in Moskau, an dem auch Evgeny Kissin und Oleg Maisenberg ausgebildet wurden, studierte Volodin sieben Jahre lang bei der georgischen Pianistin Elisso Wirssaladze – einer Schülerin von Heinrich Neuhaus, dem Gründer der modernen russischen Klavierschule.

Die Technik als Basis für interpretatorische Freiheiten

„Meine Lehrerin war sehr ernst, nüchtern, professionell und fordernd. Wenn ich ihr eine besonders eigenwillige Interpretation vorspielte, hat sie mich sofort auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. So entwickelt man eine solide Basis, auf der sich später die künstlerische Persönlichkeit entfalten kann.“ Auf der soliden Basis einer bis aufs i-Tüpfelchen ausgefeilten Technik erlaubt sich Volodin allerdings bis heute zuweilen Freiheiten in der Auslegung des Notentextes, die manch einem zu weit gehen.

Doch der Pianist sieht das gelassen: „Letztendlich ist die Art des Spiels eine Frage des Geschmacks. Der bildet sich heraus durch Kultur, Wissen, Talent und Lebenserfahrung.“ Am Ende entscheide der gute Geschmack, wie weit man gehen dürfe: „Natürlich kann man auch gegen den Willen des Komponisten arbeiten – manchmal funktioniert das sogar. Wenn der Interpret das aber zur Regel macht, um aufzufallen, ist das abstoßend.“

Lernen, nicht kopieren 

Von solch exzentrischen Attitüden ist der eher bescheiden auftretende Alexei Volodin weit entfernt. Pianisten wie Alfred Cortot, Józef Hofmann und Emil Gilels, aber auch Zeitgenossen wie Arcadi Volodos und Michail Pletnev zählt er zu seinen „Lehrern in ästhetischer Hinsicht“. Mit großem Interesse verfolgt der Tastenvirtuose das Spiel seiner Kollegen – nicht, um zu kopieren, sondern um zu lernen. Denn umfassende Bildung – nicht nur in musikalischer Hinsicht – ist ebenfalls ein Merkmal der russischen Schule, wie Volodin sie versteht. Allerdings: „Die russischen Pianisten unterscheiden sich so sehr voneinander, dass man kaum von einer einheitlichen Schule sprechen kann“, merkt er an.

Und doch gäbe es Gemeinsamkeiten, was die Klangkultur anbelange: „Alle großen russischen Klavierlehrer wie Rubinstein und Neuhaus waren geradezu besessen von der Idee des absoluten Legato-Spiels. Wir behandeln das Klavier nicht als Perkussionsinstrument, wir suchen den vollen, singenden Klang.“Es scheint, als habe Volodin selbst eben diesen ganz besonderen Klang bereits gefunden: Sein 2013 eingespieltes, fünftes Soloalbum mit Stücken von Sergej Rachmaninow legt davon ein eindrucksvolles Zeugnis ab.

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